Benchmark Tiroler Sommelierverein

17.09.2015

Der Tiroler Sommelierverein (TSOV) verfügt über 650 Mitglieder. Im ÖGZ-Interview spricht Präsident Norbert Waldnig über den Imageverlust des Kellnerberufes, den neuen Sparkling-Sommelier und fordert mehr Rückendeckung aus der BrancheText: Barbara Egger, Tirol
Der Service-Mitarbeiter muss zusehen, dass er Fachkompetenzen erwirbt, sonst bleibt er ein Tellerträger. Norbert Waldnig, Präsident TSOV

Sie bezeichnen den TSOV als Benchmark. Weshalb?
Norbert Waldnig: Bei uns sind Ausbildung und Verein eng verzahnt. Es gibt eine perfekte Zusammenarbeit zwischen WIFI Tirol, das für die Sommelierausbildung zuständig ist, und dem Verein als Plattform. Die Mitglieder erhalten zusätzlich zur Ausbildung laufend Updates des Vereines und können an vom Verein organisierten Seminaren oder Studienreisen teilnehmen.

Sind junge Menschen am Vereinswesen noch interessiert?
Wir haben sehr viele junge Leute aus Tourismusschulen als Mitglieder. Das freut uns natürlich sehr. Uns ist es aber auch wichtig und ein Anliegen, dass junge Leute Fachkompetenz erlangen.

Wie wichtig ist Fachkompetenz?
In der Gastronomie schaut jeder auf die Küche. Kochen ist in. Der Service-Mitarbeiter steht im Schatten. Das ist der, der „nur“ das Gericht zum Tisch trägt. So gesehen, ist der Beruf des Kellners der Beruf der zweiten Wahl. Eine Imagesteigerung ist daher ganz wichtig.

Ist der Beruf des Kellners also zweitklassig?
Selbstverständlich nicht. Servicemitarbeiter mit Kompetenzen sind gern gesehene Fachkräfte, die viel Freude und Anerkennung direkt und unmittelbar am Tisch ernten können. Wer dazu die Kunst des Verkaufens, des Schmackhaft-Machens, des Verführens und „Verführtainments“ beherrscht, erzeugt bei den Gästen ganz viel Lust wiederzukommen.

Ohne Service geht’s ja nicht?
Wir brauchen Mitarbeiter im Service. Das steht fest. Ohne geht es nicht. Allein demografisch gesehen, kommen immer weniger junge Leute nach. Es wollen auch immer weniger junge Leute diesen Beruf erlernen. Viele Stellen werden mit ausländischen Kräften besetzt. Es gibt ein großes Loch. Wenn wir die Qualität im Tiroler Tourismus halten wollen, sind solche Institutionen wie der TSOV enorm wichtig, um Freude am Beruf zu verbreiten und das Image zu stärken.

Wie wird Motivation verbreitet?
Wir sind Vorbilder, die mit Spaß und Freude bei gemeinsamen Fachseminaren, Entdeckungsreisen und Verkostungen lernen. Wir stehen für Aufstiegschancen im Service. Der direkte Austausch mit unseren Mitgliedern ist uns wichtig. Es gibt auch Barriquefass-Rennen oder Fußballspiele, selbstverständlich mit anschließendem fachlichen Austausch und Verkostung auf hohem Niveau.

Sind Schulen wichtige Ansprechpartner?
Ja, alle Lehrer und interessierte Schüler der Tiroler Tourismus-, Berufs- und Hotelfachschulen können bei uns kostenlos dabei sein. Wir sehen das als
Investition für die Zukunft. Darüber hinaus bilden wir laufend Kooperationen mit den Schulen und veranstalten Seminare.

Was ist dran an den Gerüchten, dass Sommeliers in Tirol streng geprüft werden?
Ich höre das immer wieder, will dazu aber wenig sagen. Ich weiß nicht, wie streng oder weniger streng in anderen Bundesländern geprüft wird. Was ich aber weiß, ist, dass wir in Tirol seit Beginn der Ausbildung in den 1990er-Jahren, auf sehr gute Lehrer achten und uns als Sommelierverein sehr stark in der Ausbildung engagieren. Da wollen wir auch, dass etwas zurückkommt von den Teilnehmern. Vielleicht daher auch der Ruf.

Weil das Niveau natürlich auch hoch ist?
Natürlich fahren wir in der Ausbildung ein sehr hohes Niveau. Mir ist es zum Beispiel wichtig, dass unsere WIFI-Kurse mit Native Speakern besetzt sind und diese Vortragenden zu den Top-Leuten im jeweiligen Bereich zählen. Stellvertretend nenne ich Champagner-Expertin Carole Stein oder unseren amtierenden Staatsmeister und WM-Vertreter Suwi Zlatic.

Leistet der TSOV Nachhilfe?
Ja. Wir als Sommelierverein unterstützen die Sommelierausbildung in vielen Bereichen. Wenn wir sehen, dass Teilnehmer im Rahmen der Ausbildung z.B. im Fach Getränkekunde über mangelnde Kenntnisse verfügen, dann organisiert der Sommelierverein flexibel und kostenlos einen Zusatzabend zu diesem Thema.

Wäre auch Unterstützung aus der Branche hilfreich?
Sehr. Unser Engagement erfolgt ehrenamtlich. Wir können jede Unterstützung gebrauchen. Wenn mehr Hotels erkennen würden, welche Arbeit wir für ihre Mitarbeiter leisten und sie unsere Hotelkarte buchen würden, würde uns das weiterhelfen. Derzeit haben wir 100 Hotelkarten-Mitglieder.

Was bringt den Hoteliers die Mitgliedschaft?
Die Hotel-Mitgliedskarte kostet im Unterschied zum einzelnen Mitgliedsbeitrag von 55 Euro nur 82 Euro im Jahr. Der Hotelier kann dafür zwei Mitarbeiter zu unseren Seminaren und Veranstaltungen schicken. Mit dieser Mitgliedschaft zeigt der Hotelier ein deutliches Signal für Kultur im Service. Indirekt unterstützt die Hotellerie damit ja auch, dass wir in Schulen gehen oder Wettbewerbsteilnehmer betreuen.

Liegt die Sommelierausbildung eigentlich noch im Trend?
Mehr denn je. Man sollte sich nicht die Frage stellen, ob man die Ausbildung macht. Man muss sich viel eher die Frage stellen, was verliert man, wenn man die Ausbildung nicht macht. Die Ausbildung ist allein schon deshalb hilfreich, um nicht in einem dauerhaften Angstzustand zu schweben, weil man am Tisch vom Gast gefragt werden könnte und keine kompetente Antwort weiß.

Wo bringt sich der Verband in der Unterstützung von Talenten ein?
Nachwuchsarbeit ist ganz wichtig. So werden die Besten der Besten, die High Potentials, von uns weitertrainiert. Im Tiroler Kader befinden sich durchschnittlich zehn bis zwölf Leute, die wir zu Wettbewerben begleiten. Auch finanzielle Unterstützung ist möglich.

Wie sieht dieses Training aus?
Es gibt für unsere besten Talente eigene Seminare, z. B. zu Spezialthemen wie Sake, Orange Wines oder Craft Beer. Die Teilnehmer treffen sich beispielsweise bei der Präsidentin des Österreichischen Sommeliervereines Annemarie Foidl auf der Angerer Alm in St. Johann oder bei Diplom-Sommelier Suwi Zlatic im Hotel Post in Serfaus.

Wird es neue Ausbildungen geben?
Schon jetzt gibt es den Käse-, den Schnaps-, den Bier- und neuerdings auch den Fleisch-Sommelier. Alle diese Ausbildungen sind auf der Stufe des Jung-Sommeliers anzusiedeln. Neu ist ab Frühjahr 2016 der Sparkling-Sommelier. Wir wollen damit für die österreichischen Schaumweine mehr tun.

Wie wird man Sparkling-Sommelier?
Man muss zuerst die Jung-Sommelierausbildung und den Sommelier Österreich absolvieren. Natürlich kann man auch ohne diese Vorstufen die Sparkling-Sommelierausbildung machen, ist dann aber Sekt-Connaisseur.