Abfallvermeidung in der Gastronomie: Das große Restlessen

Gastronomie
06.05.2021

Von: Ute Fuith
In Österreich gehen jährlich rund eine Million Tonnen genießbarer Lebensmittel entlang der Lebensmittel-Lieferkette verloren. Ein Problem, das auch die Gastronomie betrifft. Doch es gibt kreative Lösungen.
Stefanos Melianos, Executive Chef Palais Hansen Kempinski: „Unser Event-Team versucht hier, die Kunden dahingehend zu beraten, ihren Gästen keine Buffets, sondern gesetzte Menüs anzubieten."
Bei Sören Herzig werden alle Abschnitte, Schalen, von Fisch, Fleisch, aber auch Gemüse verarbeitet, etwa zu Fonds, Bratensaucen und Jus.

Pünktlich zum Tag der Lebensmittelrettung präsentierte die Umweltschutzorganisation WWF einen aktuellen Bericht* zu Lebensmittelabfällen in Österreich.

Rechnerisch landeten heuer bis zum 2. Mai alle heimischen Lebensmittel im Müll. Durch die Pandemie wurde das Problem verschärft. Komplexe Lieferketten zeigten sich als Achillesferse, verstärkte Regionalität und umweltschonende Produktion als Lösung. Um in der Gastronomie nachhaltig wirtschaften zu können, braucht es darüber hinaus viel Kreativität. Sternekoch Paul Ivić veröffentlichte Anfang des Jahres mit „Restlos glücklich“ ein Kochbuch zum Thema. „Wir haben nichts Neues erfunden, sondern versuchen mit Demut und Verantwortung zu handeln. Damit wir unseren Einkauf ökonomisch gestalten können und keine Kompromisse bei der Produktqualität eingehen müssen, haben wir unser Angebot entsprechend angepasst“, sagt Ivić. „Wir verarbeiten jedes Lebensmittel vollständig, um ein für sich stimmiges Gericht daraus zu machen.“ Als Beispiel nennt er: „Erbsen: Wir haben die Schoten entsaftet, den Saft für die Sauce verwendet, den Trester getrocknet und rehydriert und aus einem Teil eine Art Couscous gemacht. Aus dem zweiten Teil haben wir durch ein spezielles Trockenverfahren ein Pulver gemacht, das eine leichte Zitrusnote aufweist, die wir zum Verfeinern des Gerichtes verwenden“, beschreibt Ivić.

Abschnitte und Schalen

Wie Lebensmittelwertung aussieht, weiß auch Sören Herzig. In seinem Wiener Restaurant verwendet er „alle Abschnitte, Schalen, von Fisch, Fleisch, aber auch Gemüse, um daraus Fonds, Bratensaucen, Jus & Co zu machen. Es bildet die beste Basis für weitere Gerichte und Suppen.“ Einen Karfiol verwendet Herzig zum Beispiel von „der Schale bis zum Kern: Einerseits hobeln wir feine Scheiben, machen daraus Karfiol-Reis oder Karfiol-Coucous und aus dem Strunk ein Karfiol-Pürree, dass wir wiederum mit selbst gemachter Gemüsesuppe verfeinern“. Das Restaurant Herzig arbeitet im Abendgeschäft nur mit Reservierungen. Dadurch kann der wöchentliche Einkauf gut gesteuert werden und somit viel Lebensmittelabfall vermieden werden. 

Herausforderung Logistik

Stefanos Melianos setzt als Executive Chef des Wiener Palais Hansen Kempinski auf ausgeklügeltes „Menü-Engineering, also die gute Planung der einzelnen Gerichte und des kompletten Menüs. Zutaten sollten am besten nicht nur in einem Gericht verkocht werden, sondern für mehrere Speisen auf der Karte verwendet werden“, sagt Melianos. Wichtig sei auch das genaue Monitoring der Einkäufe und des tatsächlichen Verbrauchs, um besser kalkulieren zu können. Nach dem Einkauf sei die Lagerung der Lebensmittel entscheidend. Viele Produkte könne man auch durch bestimmte Verfahren länger haltbar machen, etwa Fleisch Sous-vide garen und im vakuumierten Zustand lagern oder Obst und Gemüse einkochen. 

Bei den bereits zubereiteten Speisen gehören die Buffets zum schwächsten Punkt in Sachen Lebensmittelabfall. „Unser Event-Team versucht hier, die Kunden dahingehend zu beraten, ihren Gästen keine Buffets, sondern gesetzte Menüs anzubieten. Dabei fallen die Portionen nicht übermäßig groß aus. Das erleichtert den Einkauf und die Kalkulation in der Küche“, Erklärt Melianos. 

Nose-to-Tail-Prinzip

Andreas Döller achtet in seinen „Genusswelten“ in Salzburg ebenfalls darauf, keine Lebensmittel zu verschwenden. „Wir kaufen oft ganze Tiere, die wir komplett verarbeiten. Das gilt auch für das Gemüse. Durch unsere verschiedenen Standorte können wir sehr flexibel sein. Wenn ich für das Restaurant etwa einen bestimmten Kohlrabi-Zuschnitt brauche, verwende ich den Rest für eine Kohlrabisuppe im Gasthaus“, beschreibt der Haubenkoch. Als Klassiker des Reste-Essens nennt Döllerer die hauseigene Pasta-Produktion: „Wenn wir Ravioliteig ausstechen, verwenden wir die Reste für Fleckerln, aus denen wiederum Krautfleckerln gemacht werden.“ 

Im Ötztaler Gasthof Krone in Umhausen spielt die Vermeidung von Lebensmittelabfällen ebenfalls eine große Rolle. „Vorrangig ist immer eine gute Kalkulation der benötigten Menge, damit nicht zu viel produziert wird. Lieber ist manchmal etwas aus, als wenn wir alles wegschmeißen müssen. Es wird immer frisch gekocht. Zudem haben wir die Portionsgröße der Speisen immer wieder angepasst und mittlerweile ein gutes Maß gefunden, damit fast immer nur leere Teller zurück in die Küche kommen“, sagt die Krone-Chefin Kathrin Bauer. Sie gestaltet die Gerichte auf der Speisekarte so, dass sie aus wenigen Zutaten viel machen kann. „Wenn doch einmal ein Knödel übrig bleibt, dann gibt’s auf der Tageskarte einen Knödelsalat oder ein Knödelgröstel mit Ei.“