Auf Miesmuschel-Fang

Kulinarik
20.06.2017

 
Die besten Miesmuscheln gibt es angeblich im Golf von Triest. Die ÖGZ war vor Ort, schummelte sich auf ein Fischerboot und erfuhr, worauf es bei Fang und Zucht ankommt
Miesmuschelzüchter Enrico Chiatti bei der Arbeit.

Meine kleine, alte Segelyacht liegt seit rund zwei Jahren im Hafen von Villaggio del Pescatore vor Anker. Frei ins Deutsche übersetzt heißt der Ort „Fischerdorf“. Ein paar hartgesottene Männer gibt es dort noch, die jeden Tag in See stechen und ihren Fang heimbringen – darunter auch Miesmuschelzüchter.

Enrico Chiatti, ein Miesmuschelzüchter mit stattlicher Statur, hat sein Schiff meinem gegenüber liegend. Ich fragte ihn immer wieder, ob es möglich wäre, einmal mit ihm auszufahren und mehr über die Materie der Muschelzucht zu erfahren. Anfangs war er etwas skeptisch. Eigentlich sei es nicht erlaubt, Gäste mit an Bord zu nehmen, da könne er Schwierigkeiten mit der Polizei bekommen. Aber dank meiner Überredungskunst wird mir schließlich eine Ausfahrt gewährt. 

Das Muschelfeld liegt im Golf von Triest, zu Füßen der alten Ruine und dem Schloss Duino der Familie Thurn und Taxis. Man findet dort auch Aquakultur für Fische wie Branzino, Orata oder Ähnliches. Früher war der Fischgrund hier noch sehr artenreich, sogar Thunfisch und der Riesenhai wurden hier gefangen, wie man auf alten Fotos im Museum und beim Bäcker sehen kann. Heute gibt es nur mehr wenige Arten. Immer, wenn ich mit dem Boot auslaufe, passiere ich dieses Bojenfeld mit Respektabstand! Samstag soll es das erste Mal für mich hineingehen. 

Harte, aber schöne Arbeit

Gleich zu Beginn gibt es die erste Überraschung. Um 8.00 Uhr ist unsere Abfahrt geplant, ich bin um Punkt acht vor Ort, aber das Schiff hat schon abgelegt! Also mache ich mich bemerkbar, und Enrico legt nochmals an. Das ist der erste Italiener, der überpünktlich ist, normalerweise ist es obligat,  eine Viertelstunde später zu kommen. 

Beim Auslaufen erzählt mir Enrico ein wenig aus seinem Leben: „Ich habe früher als Koch gearbeitet, aber der Stress und die vielen Stunden waren mir zu viel. Also kaufte ich vor zwanzig Jahren ein Schiff und begann, mit Miesmuscheln meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Harte Arbeit, aber schön ist es da draußen auf dem Meer!“ Mittlerweile liegt schon das Bojenfeld vor dem Bug, geschickt steuert Enrico das Schiff durch das Gewirr an Bojen. Auf dem Deck liegen Netze, prall gefüllt mit Miesmuscheln. Enrico klärt mich auf: „Diese Muscheln haben wir gestern geerntet und dann nach der Größe sortiert, gereinigt und wieder in Netze gefüllt, heute kommen sie wieder ins Wasser. Bis zur essfertigen Muschel muss man sie vier- bis fünfmal aus dem Wasser holen und reinigen und sortieren.“ Mit zwei Edelstahl-Ankern legt er an den Bojen an und holt das Tau, an dem die Netze befestigt werden, aus dem Meer. Flink werden die Muscheln in den Netzen daran befestigt und wieder ins Wasser gelassen. Mit an Bord ist Walter Rejec, ein Slowene, der schon lange am Schiff arbeitet. Walter schleppt die 25 kg schweren Netze vom Deck zur Bordwand und lässt sie Enrico anbinden, dabei kommt er ganz schön ins Schwitzen. Dann wird das nächste Tau heraufgeholt, und es beginnt von vorne. 

Zwischen den Bojen befinden sich immer zwei dicke Taue, wenn diese mit Muschelnetzen vollbestückt sind, fahren wir zum nächsten Zwischenraum, um weitere Muscheln auszubringen. 

Sommermuscheln schmecken am besten

Ich frage Enrico, wie das mit der Vermehrung funktioniert. Er zieht ein Tau aus dem Meer und zeigt mir zwei Millimeter große Baby-Miesmuscheln, die büschelweise am Tau haften: „Wenn die Muscheln einen Zentimeter groß sind, beginnen wir mit der Zucht in Netzen. Die essfertige Muschel soll zwischen sechs und acht Zentimeter groß sein, was bis zu einem Jahr und sieben Monaten dauern kann. Wir haben hier ideale Voraussetzungen für die Muschelzucht, es münden hier die Flüsse Timavo und Isonzo ins Meer, darum haben wir die Wasserqualität A, was besonders sauber ist. In Wasserqualität B und C würde ich nicht züchten“, sagt er und ergänzt: Am besten würden jene Muscheln schmecken, die im Sommer geerntet werden und schön fleischig und groß seien. 

Enrico möchte noch für das Restaurant seines Schwiegervaters große Muscheln ernten. Wieder legen wir zwischen zwei Bojen an, Enrico schneidet ein Netz ab und befördert es auf das seitlich montierte Förderband, dabei wird auch das Netz zerschnitten, und die Muscheln fallen in eine Reinigungsanlage und von dort auf die Rüttelpulte, wo sie auch mit Seewasser gewaschen und sortiert werden, dann geht es mit einem Förderband hoch zur Abfüllung. 

Wir legen ab und laufen wieder in unserem Hafen ein. Die Muscheln werden im Restaurant „Il Gabbiano da Bruno“ abgeliefert, wo Enricos Frau schon in der Küche auf die Delikatesse wartet.

Text und Fotos: Günter Reindl, Villaggio del Pescatore/Italien

Die Miesmuschel

Manche mögen den nicht mehr so gebräuchlichen Namen „Pfahlmuschel“ eigentlich lieber, aber auch der italienische Name „Cozze“ erinnert ja im ­Deutschen an nichts Gutes. Lateinisch heißt sie „Mytilus edulis“. In Italien nennt man sie meist „Mitili“, in Triest „Pedoci“, gegessen wird sie überall gerne. 

Pro Stunde filtert die Muschel etwa vier Liter Wasser, also ist die hohe Wasserqualität von großer Bedeutung, denn Verunreinigungen und Gifte bleiben ja in der Muschel.