Dem Fachkräftemangel auf der Spur

26.08.2021

Von: Daniel Nutz
Warum verlassen so viele Fachkräfte Hotellerie und Gastronomie? Woran es hapert und was dagegen getan werden kann. Die ÖGZ hat Experten und Praktiker gefragt.
Aus dem Arbeitgebermarkt wird ein Arbeitnehmermarkt.

Wenn Not am Manne ist, packt der Chef selbst an und wird wieder zum Chefkoch. So erreicht man den Gastro-Fachverband-Obmann Mario Pulker dieser Tage in der Küche seines Betriebs in Niederösterreich. Die Mitarbeitersituation? Im Osten wie im Westen ist die Lage so angespannt wie seit Langem nicht. Und dabei reden wir schon lange, zu lange, über den Fachkräftemangel. Aber wo liegt derzeit genau das Problem?

Werfen wir mal einen Blick auf die aktuellen Zahlen, die das AMS liefert. 2019 gab es etwa 230.000 Beschäftigte in heimischen Tourismusbetrieben. In absoluten Zahlen arbeiten von diesen derzeit nur noch 132.000 Menschen im Tourismus. Oder anders ausgedrückt: Ganze 40 Prozent verließen die Branche.

20.000 Stellen weniger

Laut AMS sind etwa 35.000 Berufstätige in andere Branchen gegangen und rund 4.000 haben sich selbstständig gemacht und sind somit in der Branche geblieben. Was nach viel klingt, ist im Tourismus aber gar nicht so ungewöhnlich. Solche Werte gab es auch in der Vergangenheit. Das eigentliche Problem liegt daran, dass im Moment viel weniger Personen einen Job im Tourismus annehmen als vor der Krise. Derzeit sind es rund 20.000 Stellen, die im Vergleich zu 2019 fehlen.

Umschulungen

Natürlich spielt hier auch die Pandemie, samt den Lockdowns, eine Rolle. In vielen Fällen fanden Tourismus-Mitarbeiter eine Stelle in einer anderen Branche wie dem Handel oder der Industrie. Und bleiben dort, weil Arbeitszeiten oder Gehalt manchmal günstiger oder höher sind. Das AMS hat während der Pandemie auch umgeschult – aus dem Tourismus in andere Berufsbilder. Ein arbeitsmarkttechnisch nachvollziehbares Vorgehen, das sich jetzt für Gastronomie und Hotellerie rächt. Doch was tun? Obligatorisch sind die Forderungen nach der Verschärfung der Zumutbarkeitsbedingungen des AMS oder der Verlängerung der auf fünf Prozent reduzierten Mehrwertsteuer in der Branche. Ersteres scheint wenig zielführend – was hilft eine Arbeitskraft, die eigentlich gar nicht will? Und Zweiteres scheint wettbewerbsrechtlich kaum umsetzbar zu sein. 

Kulturwandel

Doch wie bekommen wir dann das Problem endlich in den Griff? Immer lauter werden die Stimmen aus der Hotellerie und der Gastronomie selbst, die ein komplettes Umdenken einfordern. Nicht die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen seien zu ändern, sondern die Standpunkte der Arbeitgeberseite müssen adjustiert werden. „Aus dem Arbeitgebermarkt wird ein Arbeitnehmermarkt. Die Bewerber können sich ihren Arbeitgeber zunehmend aussuchen. Da braucht es bei den Betrieben ein Umdenken“, sagt Florian Aubke im Gespräch mit der ÖGZ. Der Leiter des Studienbereichs Tourismus & Hospitality an der FH Wien hat eben erst eine größere Studie zum Thema „Mitarbeitermangel in der Hotellerie“ abgeschlossen. 

Die Methodik dabei: Man ging von einem fiktiven Zukunftsszenario aus, dass die Hotellerie 2030 die begehrteste Branche sei und die Stellen sofort nachbesetzt werden. In Form einer Gruppendiskussion fragte man Personalverantwortliche aus der Wiener Vier- und Fünf-Sterne-Hotellerie.  

Jobs mit Sinn

Was suchen die Mitarbeiter der Zukunft? Die Antwort fällt recht eindeutig aus. Es geht um sinnstiftende Arbeit. „Den Sinn des Wirtschaftens hervorzustellen wird immer wichtiger“, sagt Aubke, „und mit dem Sinn ist nicht das Gehalt gemeint.“ Damit hängt auch das Image der Branche zusammen, das durchaus noch verbesserungswürdig sei. Ein Kulturwandel, weg von klassisch hierarchischen Strukturen sei zwar erkennbar, ginge aber in der österreichischen großteils familiengeführten Hotellandschaft eher langsam voran. Derzeit sind es eben noch einige Leitbetriebe, die hier mit gutem Beispiel voran gehen. 

Diskussionsrunde

Vor wenigen Tagen traf die ÖGZ eine Runde von Vorarlberger Chefinnen und Chefs von Betrieben, die sich stark für das Mitarbeiterthema einsetzen. Susanne Dörflinger vom Schlosshotel Dörflinger in Bludenz meinte dort etwa, derzeit sei es einfach wichtig, die Leute irgendwie in der Branche zu halten. Gehen sie jetzt weg, würden sie wohl für immer verloren gehen. Auch sie führte mit der Übernahme des elterlichen Betriebs nach eigenen Angaben einen Kulturwandel ein. „Es ist wichtig, bei der Arbeit in Netzwerken zu denken. Wir müssen raus aus den starren Vorgaben, dass jede Tätigkeit von einer bestimmten Person erledigt wird“, sagt sie. 

Team in den Vordergrund

Mike Pansi, Restaurantbetreiber und als Präsident des VKÖ und Fachgruppenobmann Gastronomie in Vorarlberg auch ein umtriebiger Funktionär sagt: „Jedem Unternehmer muss klar sein: Ohne das Team, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wären die tollen kulinarischen Leistungen nicht möglich.“ Die Branche hätte ein Problem, weil die wenigen schwarzen Schafe das Image der Branche anhaltend beschädigen. Die Horrormeldungen stünden eben gleich in der Zeitung, während das Positive eben verborgen bliebe, so Pansi. 

Auch wenn Arbeitsmarktforscher und das AMS davon ausgehen, dass sich die Personalsituation in den kommenden Monaten etwas entspannen wird, ist klar: Das Thema Fachkräfte ist eines der entscheidenden Zukunftsthemen der gesamten Hotellerie und Gastronomie. Dabei gilt es die Branche für Junge und für Quereinsteiger attraktiver zu machen.  

Das Image beim Nachwuchs will man in Vorarlberg aufpeppen, in dem man den jungen Menschen mit gezielten Aktionen Einblicke in die Arbeit von touristischen Leitbetrieben gibt. Teilweise käme die Skepsis gegenüber einem Berufsweg in Gastronomie oder Hotellerie von den Eltern und nicht von den Betroffenen selbst. Hier gelte es, ­anzusetzen. „Es geht darum, das Feuer für unseren Beruf zu entfachen. In dem wir erklären: Was heißt Arbeit im Tourismus, was heißt Arbeit in der Gastronomie und was heißt Arbeit in der Hotellerie wirklich“. Es geht schließlich um die Zukunft der Branche.   

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