Der Küchenchef plant –  der Algorithmus macht den Rest

Küche
17.10.2019

 
Die Digitalisierung revolutioniert die Küchenbrigade und sorgt für vernünftige Arbeitszeiten – Beispiel Parkhotel Stuttgart.
Ausgangspunkt der Digitalisierung in der Hotelküche waren die typischen Prozesse und Abläufe im Alltag. Dank Software lässt sich die Arbeit nun effizienter gestalten.
Ausgangspunkt der Digitalisierung in der Hotelküche waren die typischen Prozesse und Abläufe im Alltag. Dank Software lässt sich die Arbeit nun effizienter gestalten.

In der Gastronomie fehlt heutzutage ein wichtiger Teil der Küchenbrigade. Die Unternehmen finden Mitarbeiter ohne Kochausbildung, öfters mit Migrationshintergrund, und auf der anderen Seite sind Küchenchefs hochqualifizierte Manager. Doch in einer klassischen Küchenorganisation sind die Postenchefs die Säulen der Küche, sie führen die Mitarbeiter. Genau an diesen Mitarbeitern fehlt es aber.

Und sie fehlen auch deshalb, weil sie die üblichen Arbeitszeiten in der Küche unattraktiv finden. Anders im Parkhotel Stuttgart: Wo sonst in Teildiensten gearbeitet wurde, sind die Arbeitszeiten nun in Früh-, Durch- und Spätdienst eingeteilt. Die Frühschicht für die Köche im Parkhotel Stuttgart startet um 6.30 Uhr, Feierabend wird um 15.30 Uhr gemacht. Möglich macht’s die Digitalisierung.

Effizientere Prozesse trotz Personalmangels

Gemeinsam mit dem IT-Spezialisten Simon Schweizer von Inventive Software wurden die Probleme und das Optimierungspotenzial in der Hotelküche identifiziert. Wer hat welche Rolle in der Hotelküche? Was passiert in der Küche wie und wann? Die komplette Produktion wurde analysiert, die Zusammensetzungen von Rezepturen erfasst und Aufgaben zusammengefasst. Hoteldirektor Elouan Pêcheur: „Wir bewegen uns weg von dem klassischen Partie-Gedanken, also Saucier, Gardemanger, Entremetier oder Patissier. Dieses Prinzip haben wir nun massiv vereinfacht.“ Alle Speisen sind in einer Web-Applikation erfasst. Jede Rezeptur besteht aus Arbeitsschritten, die effizient organisiert sind. Der Küchenchef pflegt die Speisekarte für das À-la-carte-Angebot, die Buffets und die Menüs von Veranstaltungen ein. Wöchentlich trägt er die Anzahl der erwarteten Gäste aus den Reservierungen und seine Erfahrungswerte ein. Der Algorithmus macht den Rest. Die Wochen- und Monatsplanung macht die Software im Hintergrund, genauso wie den Personaleinsatz und Warenbestellungen.

Revolution der klassischen Gastronomie

„Wir wollten keine Warenwirtschaftssoftware kopieren, die sind viel zu kompliziert in der Handhabung“, erklärt Pêcheur. „Bei unserer App ist auch eine Datenbank hinterlegt, doch nutzen unsere Mitarbeiter das System intuitiv.“ Jeder Mitarbeiter hat ein Tablet oder bedient die Anwendung über ein Smartphone. Die Aufgaben sind für jeden aufgelistet, in einer Spalte kann man jeden Teil als erledigt abhaken. Wer irgendwo nicht weiterweiß, kann sich durch einzelne Arbeitsschritte klicken. Per Chat-Funktion kann der Küchenchef Informationen an das Team senden. Und er kann auf einen Blick prüfen, welche Aufgaben bereits erledigt wurden. 
Ein Beispiel: Vorher kochte jeder Mitarbeiter einzeln Gemüsebrühe, so viel er gerade benötigte. Jetzt gibt die Software an, zu welchem Zeitpunkt 100 Liter Gemüsebrühe gekocht werden müssen, damit alle sich daran bedienen können. „Um die Verknüpfungen der zahlreichen Komponenten kümmert sich die Software, so können sich weniger Fehler einschleichen, und die Mitarbeiter sind fokussiert auf ihre To- Dos“, erläutert der Programmierer Simon Schweizer. 

Mehr Überblick

„Ich kümmere mich als einer von zwei Küchenchefs vorrangig um die Abläufe im Hintergrund“, sagt Küchenchef René Sonntag. „Die Digitalisierung in der Küche entspannt das Arbeiten für alle ungemein. Die Produktion ist jetzt zentralisiert und digitalisiert, so lassen sich Spannungsspitzen leichter abdecken – zum Beispiel 1.000 Gäste zu Mittag. Denn die Standardaufgaben laufen als Routine, sind delegiert und automatisiert. So können wir uns mehr Zeit für das nehmen, was wirklich wichtig ist – beispielsweise für Gerichte, bei denen es viel Aufmerksamkeit und Fingerspitzengefühl braucht.“ Und er ergänzt: „Ich kann die optimale Produktionsmenge berechnen und einsetzen, ich weiß, was das Lager hergibt und wo es wann welchen Nachschub braucht. Ich kann mir jetzt frühzeitig überlegen, was wir anbieten wollen und den Prozess richtig angehen. Ich habe die Rezepturen zur Verfügung und entscheide, was am besten passt.“

Fazit

Mithilfe des neuen Systems spart das Parkhotel Stuttgart an Personalkosten, und die Arbeitszeiten werden optimiert. Gehalt, Arbeitsbelastung und Freizeit kommen zunehmend in Balance. Durch die tägliche Anpassung der zu produzierenden Menge konnte das Parkhotel Stuttgart auch die Abfälle reduzieren.

Text: Simone Richter, Stuttgart