Die unterschätzte Etage

Hotel
12.02.2019

Von: Thomas Askan Vierich
Kaum jemand ist näher dran am Gast als das Zimmermädchen. Trotzdem wird ihr Job nicht wirklich ernst genommen. Ein Gespräch mit den Experten Stefan Nungesser und Maria ­Radinger.

Woran liegt es, wenn ein frisch gereinigtes Hotelzimmer manchmal seltsam riecht?
Radinger: Das kann an der zu kurzen Lüftungszeit liegen oder an der Zusammensetzung der Reinigungsmittel, die für die tägliche Unterhaltsreinigung eingesetzt werden. Manchmal werden zusätzlich noch Duftsprays verwendet, die nicht für ein Hotelzimmer geeignet sind. 
Nungesser: Die Anreisezeiten haben sich verändert, Early Check-in und Late Check-out werden immer beliebter. Das erhöht den Druck auf das Reinigungspersonal massiv. Dann bleibt oft auch keine Zeit mehr, um richtig zu lüften.

Radinger: Viele Reinigungskräfte sind gar nicht ausgebildet. Das war früher auch schon so. Heute sind aber die Anforderungen gestiegen: Wir setzen im Hotelzimmer andere Materialien ein, sensible Oberflächen, viel Glas, Echtholz, gewachste oder geölte Böden, Designerstoffe, Naturstein, Marmor …Oder denken Sie nur an die Wellnessbereiche! Die Housekeeping-Mitarbeiter müssen unbedingt im Vorfeld eingeschult werden, damit sie über die Dosierung und Anwendung der Reinigungsmittel Bescheid wissen. Es geht schließlich um Pflege und Werterhaltung von sensiblen Materialien.
Wichtig ist auch die Funktion der Hausdame oder des Housekeeping-Managers. Und die fällt in der privatgeführten Vier- oder Fünf-Sterne-Hotellerie oft dem Sparstift zum Opfer. 
Nungesser: Der Fachkräftemangel betrifft natürlich auch das Reinigungspersonal. Das zudem noch schlecht bezahlt und in der Hotelhierarchie sehr weit unten angesiedelt ist. Aber das Reinigungspersonal trägt viel Verantwortung für das Wohlbefinden des Gastes, weil es sehr nah am Gast arbeitet.

Professionelle Hygieneanbieter bieten Schulungen an, werden die nicht wahrgenommen?
Radinger: Ich muss diesen Prozess ins Unternehmen implementieren. Das ist bei interkulturellen Teams aus vielen verschiedenen Nationen und Ethnien oft nicht einfach. Die haben schon untereinander Verständigungsprobleme, und dann verstehen sie auch nicht jeden österreichischen Dialekt. Oft ist auch die Einarbeitungszeit viel zu kurz, da bleibt keine Zeit für Schulungen.

Oft scheitert es vermutlich auch am Fehlermanagement: Wer meldet wem, wenn was kaputt ist oder fehlt?
Radinger: Dafür gibt es tolle Softwareangebote – aber wie viele Betriebe setzen die ein? Die Digitalisierung kommt auf der Etage zuletzt an.
Nungesser: In Familienbetrieben, wo das Personal schon länger im Haus ist, funktioniert das sehr gut. Aber sobald die Fluktuation einsetzt, wird es schwierig. Mit fremdem Personal klappt die Abstimmung dann nicht besser.

Haben Sie Hotels während der Recherche zu Ihrem Buch „getestet“?
Radinger: Ich biete als selbstständige Beraterin seit 16 Jahren Beratung, Training und Schulungen im Bereich Housekeeping an. Da erarbeite ich zum Beispiel in mehreren Modulen gemeinsam mit der Hausdame eines Vier-Sterne-Superior-Hauses die Standards für die Etage: HACCP und Farbleitsysteme, Arbeitsabläufe, Planung und Organisation sowie Umgang mit speziellen Materialien, Wäsche-Organisation, Einsatz von Reinigungsmittel und vieles mehr.
Nungesser: Wir führen immer wieder Mystery-Checks durch. Dort fällt leider das Housekeeping nicht immer positiv auf. Auch das Outsourcing führt nicht automatisch zu einer Qualitätsverbesserung. Der Abstimmungsaufwand erhöht sich, klare Leistungsvorgaben müssen definiert und kontrolliert werden. Das wird oftmals vergessen. Mittlerweile fragen auch immer mehr Gäste: Wie wird geputzt? Wie wird der Teppich gereinigt, die Bettwäsche gewaschen? Was beim Essen passiert, setzt sich hier fort. Das Farbleitsystem, das wir in der Küche verwenden müssen, wird bald auch auf der Etage Einzug halten.

Wie kann man die Wertschätzung gegenüber den Reinigungskräften erhöhen?
Radinger: Indem man sie durch professionelle Uniformen sichtbar macht, indem man sie schult und ihre Arbeitsaufgaben also ernst nimmt. Oder indem man sie mit einer Namenskarte im Zimmer identifizierbar macht. Oder eine Hausdame bzw. einen Housekeeping-Manager anstellt, ihnen also eine eigene Führungskraft gibt, damit wertet man die ganze Abteilung auf. Die Hausdame wird bei Entscheidungen, die die Housekeeping-Abteilung betreffen, einbezogen, um für die Ausgewogenheit zwischen Design und Funktionalität zu sorgen.