Diskussion um Regionalität: 11,90 statt 7,90

Regionalität
03.07.2018

Von: Thomas Askan Vierich
Im Almtal fand das Symposium „Ist Regionalität das bessere Bio?“ rund um Regionalität als Chance und Herausforderung für die Gastronomie statt.  
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Im Wirtshaus „D’Einkehr am Almfluss“ trafen sich Wirte, Produzenten und Interessierte zum 1. Symposium des Schmecktakulären Almtals. Die Vereinigung wurde vor einigen Jahren gegründet, um die Gastronomie im Almtal zu stärken. Almtaler Wirte, Bauern und Lebensmittelverarbeiter propagieren den Einsatz regionaler Produkte. Zu den Mitgliedern gehören neben neun Gastronomen Anbieter von Rotwildspezialitäten, Duroc- und Mangalitza-Schweinen, ein Schafzüchter, ein Züchter von Hochlandrindern und fünf verarbeitende Betriebe.

Kulinarischer Reiseführer

Da passte es gut, dass man am Symposium den ersten „Kulinarischen Reiseführer durchs Almtal“ vorstellen konnte – mit 24 Rezepten für jede Jahreszeit, zusammengestellt von Köchin Andrea Bergbauer aus dem „Jagersimmerl“. Das Buch liegt jetzt in allen Mitgliedsbetrieben kostenlos auf.

Vortragende beim Symposium waren neben dem Autor dieser Zeilen Markus Obermüller vom Genussland Oberösterreich und Christian Bergbaur, Vorsitzender vom Schmecktakulären Almtal. Anschließend diskutierte man mit Unterstützung des Almtaler Kochs Jochen Neustifter, der regionale Produkte vor den Augen der Gäste zubereitet hatte. Nicht alles biozertifiziert, aber von bester Qualität…
Was ist nun herausgekommen bei der Diskussion, an der sich auch das Publikum rege beteiligte?

Was ist Regionalität?

Der Begriff ist schwammig. Sind Produkte aus einem bestimmten Radius „regional“? 200 Kilometer ist eine Distanz, auf die sich viele einigen können. Landesgrenzen dürfen durchaus überschritten werden. Aber Marchfelder Spargel ist in Vorarlberg nicht mehr regional. Dort wäre es eher deutscher Spargel aus dem Bodenseeraum. Gäste denken allerdings oft eher natio-nal: Made in Austria ist für sie regional – besonders in Wien. 

Wie kommen regionale Produkte in die Gastronomie?

Hierin steckt eine der größten Herausforderungen: Wenn man direkt vom regionalen Produzenten kaufen möchte, muss man damit rechnen, dass nicht immer alles ausreichend vorrätig ist. Gleichzeitig sollte der Landwirt auf die Bedürfnisse des Gastronomen eingehen (z. B. pünktliche, verlässliche Lieferung). Hier besteht Kommunikationsbedarf.

Die Diskussionsrunde: Vierich, Obermüller, Neustifter, Bergbaur (von links).

Was kostet Regionalität?

Markus Obermüller schilderte ein anschauliches Erlebnis mit einem zögerlichen Gastronomen: Der scheute sich, mehr als 7,90 Euro für sein Schnitzel zu verlangen – das er nicht regional bezog. Obermüller riet ihm, qualitativ hochwertiges Fleisch aus der Region zu verwenden, das auf die Karte zu schreiben und 11,90 dafür zu verlangen. Der skeptische Wirt probierte es – und bald verkaufte er nur noch Schnitzel um 11,90. Denn Regionalität wird vom Gast geschätzt und bezahlt. Man muss es allerdings glaubwürdig kommunizieren. 

Regional statt bio?

Regional (und saisonal!) ist entscheidend, am besten auch noch bio. Denn nur bio wird von unabhängigen Stellen regelmäßig kontrolliert. Aber bei Regionalität geht es auch um Vertrauen. Man kennt sich, und auch der Gast vertraut seinem Wirt, wenn der ihm regio-nale Produkte serviert und eine gute Geschichte dazu erzählt. Die meisten engagierten regionalen Anbieter sind ohnehin biozertifiziert.

Ist Regionalität gut?

Ja. Weil es auch die Wertschöpfung in der Region stärkt. Weil es das kulinarische Angebot zu etwas Besonderem macht. Es soll und kann nicht jeder Regionalität anbieten. Aber wer es tut, sticht aus der Masse hervor. Ein wirksames Mittel gegen das Wirtshaussterben – besonders am Land.

Authentizität!

Christian Bergbaur nannte es „in der Wahrheit leben“. Niemand möchte verschaukelt werden, weder der Gast noch der Wirt noch der Landwirt. Aber viele werden verschaukelt. Der jüngste Dokumentarfilm zum „nachhaltigen“ Siegel MSC beim Fisch zeigt leider: Unter der MSC-Flagge fischen viele schwarze Schafe. Da ist es mit Sicherheit eine bessere Idee, die Forelle oder den Saibling aus einer Zucht vor Ort auf die Karte zu setzen. „Heute habe ich etwas ganz Tolles für Sie“, könnte der Wirt seinen Gast begrüßen. „Mein Jäger/Fischer/Gemüsebauer war da und hat mir ein Superprodukt gebracht. Das steht nur heute auf der Karte – möchten Sie es probieren?“ Welcher Gast kann da schon Nein sagen?