Ein Hotel steht kopf

12.06.2014

In wenigen Jahrzehnten entwickelte sich Bad Kleinkirchheim zum Tourismusort mit 8.000 Gästebetten. Stagnation und rückläufige Nächtigungszahlen zwingen nun zum Umdenken
Unter der Leitung des Künstler-Kollektivs AO& verwandelte sich das Kärntner Traditionshotel

Text: Ute Fuith

Im erfolgsverwöhnten Kärnten, das vor 25 Jahren noch als Österreichs nächstgelegener Süden punktete, herrscht Katzenjammer: Der Tourismusmotor stottert. Grund dafür sind einerseits Billigflugangebote, die den Massentourismus auf Flugdestinationen verlegt haben. Andererseits herrscht auch ein gewisses Maß an Trägheit und Innovationsscheu im Land des heiligen Georgs. Kärntens Tourismus befindet sich im Umbruch und zwar massiv. Wer sich jetzt nicht neu positioniert, verpasst möglicherweise die Zukunft. Das weiß Bad Kleinkirchheim schon lange. Der Ski- und Thermenort steht zwar dank weitgehend ausgebuchter Wintersaisonen insgesamt noch ganz gut da, aber für den Sommer gibt’s Handlungsbedarf.

Ein Hotel als „Objet trouvé"
Also rief der örtliche Tourismusverband 2012 das Kunstprojekt nock/art ins Leben. Kurator des auf mehrere Jahre geplanten Projekts ist Edelbert Köb. Der ehemalige Direktor des Museums für Moderne Kunst, Sammlung Ludwig, in Wien fungiert dabei als Brückenbauer zwischen Bad Kleinkirchheim und der (Kunst-)Welt. Kein leichtes Unterfangen, denn: „Auf beiden Seiten muss sehr viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, denn die Kunst ist tiefsinnig geworden, es reicht nicht mehr, etwas hinzustellen oder Bilder aufzuhängen", erklärt Köb. Heutzutage mischt sich die Kunst ein. So auch das Künstlertrio AO&, die heuer im Rahmen von nock/art engagiert wurden. Statt eine neue Skulptur oder Ähnliches in die Landschaft zu stellen, haben AO& das Traditionshotel St. Oswald selbst zum Kunstwerk erklärt. Das Vier-Sterne-Haus mutierte unter der künstlerischen Leitung von Phi-lipp Furtenbach, Philipp Riccabona und Thomas A. Wisser (AO&) für fünf Wochen zum „Hotel Konkurrenz".

Der Gast als Gastgeber
Bevor ihr Kunsthotel eröffnete, nahmen AO& allerdings zahlreiche, teilweise massive räumliche Eingriffen vor: So wurden Bilder abgenommen, Möbel umgestellt, Lampen tiefer gehängt und vieles mehr. All diese Veränderungen hatten ein gemeinsames Ziel, nämlich: „Neue Perspektiven zu schaffen", erklärt Künstler Furtenbach. Nicht nur die äußeren Dinge wurden so überdacht, sondern auch die inneren Strukturen: „Wir wollen die Grenzen zwischen Personal und Gast aufheben. Diese am höfischen Leben orientierte Zweiteilung der Welt ist nicht mehr zeitgemäß", kritisiert Furtenbach, der sich auch vehement gegen die herkömmliche (unreflektierte) Verwendung des Begriffs „Gast" wehrt. Für ihn gibt es im Tourismus einerseits den „vorauseilenden Gehorsam gegenüber dem Gast", andererseits werde diktatorisch darüber bestimmt, was sich ein „Gast überhaupt zu wünschen
hat".

Keine Berührungsängste
Im Hotel Konkurrenz sitzen also Putzfrauen, Küchenhilfen, Gäste und Hoteliers beim Frühstück, zu Mittag und am Abend fröhlich an einem Tisch. Berührungsängste gibt es wenige, vielmehr überwiegt auf beiden Seiten ein großes Staunen. Auch das Dorf wurde eingebunden: In der ersten Projektwoche konnten Einheimische kostenlos als Gäste im Hotel einchecken. Für das Essen im Hotel ist das Team um Philip Rachinger und Anton de Bruyn zuständig. Verwendet werden nur Zutaten von Herstellern, die beide persönlich kennen. Die „echten" Chefs des Hotels St. Oswald alias Hotel Konkurrenz sind das Geschwisterpaar Anna und Christoph Scheriau. Die beiden übernahmen den Betrieb vor knapp einem Jahr. Ob das Hotel Konkurrenz die Weichen für die Zukunft neu gestellt hat, ist allerdings noch nicht entschieden.