Endlich Herkunft transparent machen

27.06.2020

Von: Thomas Askan Vierich
Wissen wir es wirklich nicht oder wollen wir es nicht wissen? Fragt der Verein Land schafft Leben. Wir sagen: Es wird Zeit die Herkunft transparenter zu machen. Immer mehr Gäste wollen das. Das Skandalvideo über einen Zulieferer von Berger Schinken zeigt die systematische Problematik der Schweinehaltung auch in Österreich. (am 27.6. aktualisiert)

Die aktuellen Diskussionen rund um Schweinehaltung und Schlachthöfe in Deutschland und in Österreich machen eines sichtbar: Immer mehr Menschen interessieren sich dafür, woher ihr Schweinefleisch kommt und wie die Tiere gehalten wurden. Trotzdem greifen viele weiterhin zu Billigprodukten. Der Verein Land schafft Leben spricht sich daher für eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung aus.

Mehr als 37 Kilogramm Schweinefleisch isst eine Österreicherin oder ein Österreicher durchschnittlich pro Jahr. Pro Tag sind das 100 Gramm Schweinefleisch, dessen Herkunft von vielen Konsumentinnen und Konsumenten nicht hinterfragt wird. Vor allem wenn sich das Schweinefleisch in Würsten, Schinken und in den Gerichten österreichischer Wirtshäuser versteckt, tappen Konsumentinnen und Konsumenten im Dunkeln. Denn dort muss es im Gegensatz zum verpackten Frischfleisch im Lebensmittelhandel nicht gekennzeichnet sein. Ob das Schwein in Österreich aufgezogen und geschlachtet, ob es in Bio- oder in konventioneller Haltung gelebt hat oder aus einem Tierwohl-Programm stammt, ist also nicht immer ersichtlich. Besonders bei Schweinefleisch ist dieser Umstand kritisch, da dieses immer wieder als Lockware zu billigen Preisen im Lebensmittelhandel eingesetzt wird.

„Wer grundsätzlich das Billigste kauft, wenn es um Fleisch, Wurst oder Schinken geht, handelt gegen die eigenen Werte. Denn wer möchte schon Tierqual oder schlechte Arbeitsbedingungen für Verarbeiter in den eigenen Einkaufskorb legen oder auf den Teller im Wirtshaus bestellen? Wir brauchen daher eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung, damit jeder und jede sich frei für das beste Produkt entscheiden kann“, so Hannes Royer, Obmann vom Verein Land schafft Leben.

Wie geht bewusster Fleischkonsum?

Wer Tierwohl möchte, kann in Österreich zu Tierwohl greifen. Heimisches Schweinefleisch als Frischfleisch im Supermarkt bietet diverse Gütesiegel und Labels zur Orientierung, die Auskunft über Herkunft, Haltung und Fütterung der Schweine geben. Zu den am häufigsten verwendeten Siegeln zählen das AMA-Gütesiegel, das BIO-AUSTRIA-Gütesiegel und auch das ARGE-Gentechnikfrei-Kontrollzeichen. Die ersten beiden Siegel stellen sicher, dass das Fleisch aus Österreich stammt und daher unter nationalen Rahmenbedingungen hergestellt wurde.

Die österreichischen Produktionsbedingungen für Schweinefleisch ordnen sich EU-weit auf vergleichbarem Standard ein. Die Schweinemäster sind in Österreich Großteils noch bäuerliche Familienbetriebe, die in eher kleinen Einheiten produzieren. Das Lohnniveau und die Gehaltsbedingungen in österreichischen Schlachthöfen liegen aufgrund der strengen österreichischen Arbeitsmarktregulierungen aber bedeutend höher als im umliegenden EU-Land. Das Bio-Siegel regelt zusätzlich die biologische Haltungsform der Schweine. Unter anderem muss das Futter zum Großteil aus biologischen Quellen stammen und die Schweine haben beinah doppelt so viel Platz wie in konventioneller Haltung. Das ARGE-Gentechnikfrei-Kontrollzeichen legt fest, dass die Schweine nur mit gentechnikfreiem Futter versorgt wurden. Neben diesen Gütesiegeln gibt es noch diverse Tierwohlprogramme (Labels), deren Richtlinien über die gesetzlichen Tierwohl-Standards hinausgehen. Die beste Orientierungshilfe wäre jedoch eine durchgängige Kennzeichnung auf allen Fleischprodukten und verarbeiteten Lebensmitteln. Und wer es bis zu deren Umsetzung wirklich wissen will, fragt am besten nach.

Herkunft ausweisen, auch im Gasthaus

Auch im Gasthaus, wie wir von der ÖGZ ausdrücklich betonen. Und allen Gastwirten raten, eine freiwillige Kennzeichnung vorzunehmen – und nicht nur beim Schweinefleisch. Das sollte auch für Eier, Rind, Fisch, Geflügel und Gemüse gelten. Meistens wird es nicht schwerfallen, das mit gutem Gewissen nachzuweisen. Ohne bürokratischen Aufwand. Wenn das nicht möglich ist, kann n man ja über seinen Einkauf nachdenken. Der Gast tut es auch. Und ist im Normalfall und bei ausreichender Transparenz auch bereirt dafür etwas tiefer in die Tasche zu greifen.

Viele Esser, immer weniger Bauern

In keinem anderen EU-Land wird pro Kopf so viel Schweinefleisch gegessen wie in Österreich. Schwein ist Bestandteil vieler typisch österreichischer Gerichte und die beliebteste aller Fleischarten. Dennoch hörten in den vergangenen Jahren viele Schweinebauern auf zu produzieren, im Jahr 2000 gab es noch mehr als doppelt so viele wie heute. 2017 hielt ein Bauer dafür dreimal so viele Schweine wie damals. Österreichs Schweinebranche ist dennoch vergleichsweise kleinstrukturiert. Die heimischen Schweinebauern sind Familienbetriebe. Die bedeutendsten Schweineregionen sind die Ackerbaugebiete in Ober- und Niederösterreich sowie in der Steiermark. Den Großteil des Futters bauen die Bauern selbst an. Die Zuchtarbeit wird in Österreich gemacht, in der modernen Landwirtschaft eine Besonderheit. Die heimische Schweinebranche kann noch selbst mitentscheiden, welchen Zuchtzielen sie welche Priorität gibt.

Der überwiegende Teil der in Österreich gemästeten und geschlachteten Schweine wird auf heimischen Bauernhöfen geboren. Ihre Mutter ist während der Säugezeit und während der Geburt im Kastenstand. Dies steht genauso wie Eingriffe an Ferkeln und die Haltungsbedingungen in der Mast in der Kritik. Die Branche prüft laufend Verbesserungen, ist aber in der Wahl ihrer Mittel aus ökonomischen Gründen beschränkt, steht sie doch im globalen Wettbewerb. Das halbe Schwein wird in Länder rund um die Welt exportiert, weil wir Österreicher für Teile wie Schnauze, Ohren und Füße keine Verwendung mehr finden. 

Wenig Bio-Schweine

Schweinehaltung in Österreich teilt sich im Wesentlichen auf Ober- und Niederösterreich sowie die Steiermark auf. Alleine in Oberösterreich werden über 1,1 Millionen Schweine gehalten. Nur 2,6 Prozent der österreichischen Schweine werden in biologischer Landwirtschaft gehalten. Es gibt 5.000 Bio-Schweinebauern, das sind rund 19 Prozent. Da sie im Schnitt jedoch nur 12 Schweine halten, entspricht das nur 2,6 Prozent des heimischen Schweinebestandes.  Durch den Export von bei uns unbeliebten Teilen und den Import beliebterer Teile hat der Weltmarkt für Österreich große Bedeutung.

Keine Ausbeutung der Mitarbeiter

In Österreichs Schlachtbetrieben arbeiten geschulte Fachkräfte in dauerhaften Anstellungsverhältnissen. Regelmäßig stattfindende interne Schulungen und Audits für Mitarbeiter an besonders neuralgischen Punkten innerhalb der Schlachtkette sind ebenfalls Standard. In vielen großen Schlachtbetrieben etwa in Deutschland arbeiten hingegen Niedriglohnarbeiter, die ohne sozialrechtliche Absicherung von Subunternehmern rekrutiert werden. 

Österreichs Schweinebauern haben sich zu Erzeugerorganisationen zusammengeschlossen. So können sie die Schweine gesammelt vermarkten und Vorteile wie einen schnellen gegenseitigen Wissensaustausch nutzen.

Kastrieren ohne Betäubung

In Österreich werden wie in vielen anderen Ländern konventionelle männliche Ferkel ohne Betäubung kastriert. Eine Schmerzmittelgabe ist in Österreich verpflichtend. In der ersten Lebenswoche werden die Hoden der männlichen Ferkel entfernt, damit ihr Fleisch keinen unangenehmen Geruch entwickelt und sie ein weniger aggressives Verhalten zeigen. Bio-Ferkel, deren Fleisch später im Lebensmittelhandel erhältlich ist, werden nach einer Brancheneinigung seit 1.7.2018 unter Narkose kastriert.

Kürzen der Schwänze

Konventionellen Mastferkeln werden in der Woche nach der Geburt die Schwänze gekürzt. Diese Maßnahme reduziert Schwanzverletzungen, die durch das Beißen von Artgenossen entstehen können. Kritisiert wird neben der Methode an sich, dass die Schweine an die Haltungsbedingungen angepasst werden, anstatt umgekehrt die Haltungsbedingungen an die Bedürfnisse der Schweine anzupassen. 

Antibiotikaeinsatz

Das Gerücht, Schweine würden vorbeugend Antibiotika bekommen, um nicht krank zu werden, stimmt grundsätzlich nicht. Die Schweinebranche ist dennoch in die Kritik geraten, weil drei Viertel der in der österreichischen Nutztierhaltung eingesetzten Antibiotika an Schweine verabreicht werden. NGOs führen diesen Umstand auf die Standard-Haltungsbedingungen zurück.

Problematischer Vollspaltboden

Bei den katastrophal gehaltenen Schweinen, die ein Video von Tierschützern in einem Zulieferbetrieb von Berger-Schinken zeigt, ist eines der Probleme die Haltung auf Vollspaltböden, die die Schweine an der Bewegung hindern, sie dafür schneller Gewicht ansetzen lassen, aber oft ihre Füße verletzen und andere Gesundheitsgefahren darstellen. Deshalb fordert Sebastian Bohn Mena, der Initiator des Tierschutzvolksbegehrens, ein Verbot dieser Haltung. Rudolf Berger, der Chef von Berger-Schinken, gibt im "Standard" vom Wochenende zu bedenken, dass er er nicht von all seinen 40 Zulieferbetrieben eine Umrüstung verlangen kann. Er könne ihnen das auch nicht finanzieren. "Das kann ich schon wirtschaftlich nicht stemmen." 

Schweinehaltung generell in der Kritik

Der durch das Skandalvideo in Verruf geratene Hof trug und trägt das AMA-Gütesiegel. Einmal mehr ein Fall, der die Wertigkeit dieses Siegels in Frage stellt - neben dem bürokratischen Mehraufwand, über den viele Produzenten und Gastronomen klagen.

Bohrn Mena kritisiert anlässlich des Videos generell die konventionelle Schweinehaltung auch in Österreich. "Die Aufnahmen bei Berger-Schinken sind keine Einzelfälle, sondern zeigen ein systematisches Problem. In Österreich ist das, was wir da sehen, die dominate Form der Haltung. Der Großteil der Schweine lebt auf Vollspaltböden, hat keine Einstreu, wenig Raum für Bewegung, wird ohne Betäubung kastriert, in Tiertransporten herumgekarrt und bekommt genmanipuliertes Soja."

Richtige Antworten des Quiz:

1b

2b

3a

4a

5a