GameChanger: Weg vom Standardprodukt

Innovationen
25.01.2017

Von: Thomas Askan Vierich
Zweieinhalb Tage Networken und Nachdenken über den kreativen Regelbruch: Darum ging es heuer beim ÖHV-Kongress in Bad Ischl

Ein „Investment-Punk“, ein „Wirtschaftsphilosoph“, Trendforscher oder Hotelmanager mit Erweckungserlebnis: Sie alle wollten in Bad Ischl Mut zur Veränderung machen. Gejammert wird genug. Und das geschah mit gutem Grund auch in Bad Ischl, auf einer Pressekonferenz.

Der norwegische Unternehmer und Wirtschaftsphilosoph Anders Indset verkündete zum Auftakt: „Niemand mag Veränderung!“ Trotzdem sei es besser, auf der Seite der Veränderer zu stehen. Wichtig sei, sich zu trauen, Fehler zu machen und andersartig zu sein. „Trainieren Sie Empathie und bauen Sie Vertrauen auf.“ In Zeiten der Digitalisierung werde der Mensch immer wichtiger.

Greif dich selbst an

Der deutsche Trendforscher Sven Gábor Jánszky hat sich „Rulebreaker“ in der Wirtschaft näher angesehen. Schon Steve Jobs soll erkannt haben: Wenn du dich nicht selber angreifst, werden es andere tun. Man müsse alte Denkweisen verlassen. „Mit der Digitalisierung lösen sich Standardprodukte auf. Aber die Hotels glauben noch immer an Standardprodukte.“ Uwe Frers, Gründer des Hotelportals Escapio, warf einen Blick auf den umkämpften Onlinevertriebsmarkt, den er mit einem „Haifischbecken“ verglich. Die Gewinner der Stunde sind hier ganz klar booking.com, Airbnb und Schnäppchenportale. Man solle Buchungsportale als Tools verstehen, nicht als Feinde, riet Frers. Edith Geurtsen von booking.com stellte fest, dass 60 Prozent der booking-Kunden, die in Österreich buchen, aus dem nichtdeutschsprachigen Ausland kommen.Und die verstehen oft die Homepage eines heimischen Hotels nicht. Booking.com könne hingegen auch Chinesisch oder Spanisch.

In der Zusammenarbeit mit OTAs solle man auf den Gewinn schauen, nicht auf die Provisionshöhe, riet auch Gerhard Zeilinger von Motel One Austria. Frers Ratschlag: Vielleicht ist es besser, das Thema Suchen und Buchen den Profis zu überlassen und als Hotel lieber auf die Kommunikation mit dem Gast während und nach der Reise zu setzen. Das sei näher dran an der Kernkompetenz.

Weniger um Zahlen als um Mitarbeiterzufriedenheit ging es im Vortrag von Bodo Janssen, dem mittlerweile weltberühmten Chef der deutschen Hotelgruppe Upstalsboom. Der Manager schilderte seinen gebannt lauschenden Kolleginnen und Kollegen, wie er sich von einem hierarchisch denkenden Manager zu einem Chef veränderte, der echte Führungskompetenz entwickelt, für den das „Glück“ bzw. der „Erfolg“ seiner Mitarbeiter zentral ist. Um das zu erreichen, überlässt er sie weitgehend ihrer Eigenverantwortung. Checklisten, Controlling, sogar fixe Gehälter hat er abgeschafft. Jeder ist dazu aufgerufen, darüber nachzudenken, was ihm selbst wichtig ist. Daraus wurde ein neues Leitbild des Unternehmens: Es wurde zu einer Plattform, auf der Menschen etwas Sinnvolles tun. Angeblich verzichten Topleute auf 90 Prozent ihres Gehaltes, um bei Upstalsboom zu arbeiten …

Ein-Stern-Hotels in Bestlage

Am letzten Tag versorgte der „Investment-Punk“ Gerald Hörhan die Hoteliers mit seinen Reiseanekdoten, die zeigen sollten, wie Hotellerie nicht funktioniert und wie sie in Zukunft funktionieren könnte: Der Social-Media-Experte sollte in jedem Hotel die bestbezahlte Arbeitskraft sein, man solle auf günstige Mehrbettzimmer oder Appartements für Gruppen und Familien in attraktiven Gegenden setzen. Er erzählte von einem 8 m2 großen Hotelzimmer ohne Fenster, das am Flughafen Gatwick für 80 Pfund bis zu dreimal am Tag vermietet werde. Mit solchen Angeboten könne man heute richtig Geld verdienen. Hörhan war einer der wenigen, wenn nicht der Einzige, der Donald Trump erwähnte – der als selbsternannter Rulebreaker immerhin zum mächtigsten Mann der Welt wurde. Hörhan prognostiziert steigende Zinsen in den USA, die zu fallenden Immobilienpreisen in Europa führen. Das würde die Banken zu einer neuen Absicherung bestehender Kreditverträge zwingen, Hotels müssten Liquidität nachschießen. Wer die nicht aufbringen könne, müsse sich das Geld von „Vulture-Investoren“ zu hohen Zinsen und womöglich Abtretung von Firmenanteilen holen. Bevor das passiere, solle man lieber auf Ein-Stern-Hotels mit Mehrbettzimmern plus ausgefuchster Social-Media-Kompetenz setzen. Für die meisten anwesenden Hoteliers war vermutlich weder das eine noch das andere eine angenehme Vorstellung.

Aber davon ließ man sich angesichts eines Traumwinterwetters und auch sonst idealer Konferenzbedingungen die gute Laune in Bad Ischl nicht verderben.

Näheres zu den Vorträgen: www.hk17.at