Geht auch in Österreich: Teezeremonien

Tee
03.03.2016

Von: Natalie Oberhollenzer
Der englische „Afternoon Tea“ erlebt nicht nur auf der Insel ein Revival. Auch im Wiener Hotel Bristol ist er der Renner. Und es gibt noch mehr Teezeremonien, die man in der österreichischen Gastronomie aufgreifen könnte.  

Seitdem in Großbritannien das Ritual der Teezeremonie wieder total angesagt ist, verabreden sich hippe Londoner Mitzwanziger zum Afternoon Tea – und das am liebsten in Hotelbars. Im Sanctum Soho Hotel etwa trifft sich die Schickeria im samtig-plüschigen Restaurant 20. Zum Heißgetränk, in der Regel einem Earl Grey, werden Steak-Sandwiches, Mini-Burger, Lachs-Bagels und diverse Küchlein gereicht. Dazu noch ein Stamperl Jack Daniels und eine Zigarre. Ob es sich dabei um einen sogenannten „High Tea“ oder einen „Afternoon Tea“ handelt, ist Auslegungssache. Fest steht jedenfalls, dass es sich bei Letzterem um eine Gewohnheit der britischen Oberschicht handelt. Die Hautevolee auf der Insel pflegt sich seit Jahrhunderten am späten Nachmittag zu Tee und kleinem Imbiss zu treffen. Unter „High Tea“ hingegen wird die Einnahme eines vollwertigen frühen Abendessens der Working Class nach getaner Arbeit verstanden. 
Hierzulande wird die Teestunde nach britischem Vorbild im Wiener Hotel Bristol hochgehalten. Immer freitags lädt das Haus zum Afternoon Tea, zu dem eine Reihe von exklusiven Sorten aus dem Teehaus Ronnefeldt offeriert werden. In der schön schummrigen Lounge flackert ein Kaminfeuer, das angebotene Buffet ist eine Mischung aus traditionell britischen, österreichischen und modernen Fusion-Snacks: salzige Sorbets, heimischer Rohschinken und Stanitzeln, gefüllt mit Gurke, Lachs oder Roastbeef, Crêpe Suzette, Gugelhupf und Bisquit mit Chorizo. Den Gast kostet das Zeremoniell 25 Euro. 

Japan: Schaumig schlagen

Weniger üppig, dafür sehr bedeutungsschwanger geht es bei einem japanischen Teetrink-Ritual zu. Hardliner begreifen diesen Brauch als einen zen-buddhistischen Schulungsweg, eine religiöse Handlung. Dabei müssen der Teemeister und seine Gäste eine Vielzahl an Regeln beachten, etwa über einen niemals geraden Gartenweg zum karg eingerichteten Teehäuschen schreiten und sich bei der Eingangstür demütig bücken. Davor müssen Mund und Hände und damit alles übel Gesagte und Getane abgewaschen werden. Die Art der Zubereitung erfolgt ruhig, ja meditativ und in eleganten Bewegungsabläufen. Schließlich bekommt ein Gast nach dem anderen den Tee aus demselben Schälchen gereicht und genießt ihn, kniend und schweigend. Ziel des Rituals ist Achtsamkeit, Sinn und Harmonie zu erfahren.
Als geistige Stimulanz dient meist Matcha-Tee, der es ob seiner gesundheitsfördernden Wirkung in den letzten Jahren zu Weltruhm gebracht hat. Matcha, oder wie ihn Japaner nennen „Schaum aus flüssiger Jade“, ist schonend gedämpfter, getrockneter Grüntee. Das edle und entsprechend teure Pulver wird mit 60 bis 80 Grad heißem Wasser übergossen und mit einem Bambusbesen schaumig geschlagen.

China: Auf die Freundschaft

Bei den Zeremonien in der chinesischen Kultur steht eher die Vielfalt der Teesorten im Mittelpunkt. „Das Ritual an sich ist nicht so überhöht wie in Japan, aber es gibt es einen Teemeister, der durch die Abfolge leitet“, erzählt die in Peking lebende Lehrerin Mia Borlin. Sie selbst habe die Zeremonie am öftesten mit der Sorte Oolong (Grüntee) erlebt, wobei die diversen Aufgüsse eine große Rolle spielen: „Der erste ist eher bitter und wird nicht getrunken. Er dient dazu, guten Geruch zu verbreiten. Beim zweiten Aufguss ‚des guten Geschmacks‘ dauert die Ziehzeit höchstens dreißig Sekunden. Dann wird das Ganze gut zehnmal wiederholt, wobei der Tee jedes Mal länger zieht und seinen Geschmack dadurch stets leicht verändert. Zum Schluss wird immer auf eine lange Freundschaft getrunken.“

Russland: Tee als Medizin

Der Samowar steht in der russischen Teekultur im Mittelpunkt. Samoware sehen aus wie Vasen oder Pokale und sind oft aufwändig verziert. Russische Adelige ließen sich prachtvolle Stücke aus Gold anfertigen, die dem damals als medizinisch besonders wertvoll betrachteten Tee als angemessenes Behältnis dienen sollten. Die Apparate können etwas, was im kalten Russland besonders wichtig ist – nämlich das Wasser stundenlang auf der richtigen Temperatur halten. Dabei steht die Teekanne mit dem enthaltenen Sud auf dem Samowar. Der Sud wird in die Tasse gegossen und mit heißem Wasser (Verhältnis 1:4) aufgefüllt. Bei der Sorte entscheidet sich der Russe in der Regel für einen Schwarztee, den er mit Zitrone, Zucker und/oder kandierten Früchten aromatisiert. 

Ostfriesland: „Teetied“

Wer hätte das gedacht? Den weltweit höchsten Teeverbrauch verzeichnen Statistiker nicht etwa in England oder China, sondern in Ostfriesland mit 300 Litern pro Kopf und Jahr. Der sogenannten Ostfriesentee, eine dunkle, kräftige Assam-Mischung, wird in hauchdünnen Porzellantässchen ausgeschenkt. Dabei legt der Friese zur Teetied (Teezeit) ein Kluntje, also Kandiszucker in die Tasse, damit es beim Eingießen schön knistert. Am Ende kommt n’ Wulkje Rohm, ein Sahnewölkchen, auf das Getränk, das vorsichtig mit dem Löffel von der Seite eingebracht wird, damit es zuerst auch wirklich ein Wölkchen bleibt. Umgerührt wird auch nicht. Und: Ein Teilnehmer einer Teerunde, der weniger als drei Tassen trinkt, gilt als unhöflich.