Hogast-Symposium: Wir sind aufeinander angewiesen

Krise
19.10.2016

Von: Thomas Askan Vierich
Über 700 Teilnehmer kamen nach Salzburg zum 22. Hogast-Symposium. Tagsüber gab es Vorträge von Erhard Busek, dem Unternehmensberater Tim Leberecht, Foodforscherin Hanni Rützler und Altabt Gregor Henckel-Donnersmarck zu den Themen Romantik, gesundes Essen, Politik und christliche Werte, abends eine tolle Gala im Hangar 2 des Salzburger Flughafens.
Tim Leberecht möchte mehr Romantik in unser (Wirtschafts-)Leben bringen
Tim Leberecht möchte mehr Romantik in unser (Wirtschafts-)Leben bringen
Trommler im Einsatz auf der hogast-Gala

Gewohnt frech moderierte Alfons Haider zum mittlerweile vierten Mal die Gala des Hogast-Symposiums. Höhepunkt der Veranstaltung war der Auftritt der „Koch-Stars“ Mike Süsser, Andreas Schweiger, Juan Amador und Roland Huber, die auch für das Viergangmenü verantwortlich zeichneten: Jeder Koch sorgte für einen Gang. Zuvor gab es noch eine witzige Präsentation der beiden Hauptsponsoren des Abends: Ein Trommler-Ensemble benutzte Töpfe von Lohberger und leere Kanister von hollu zum Musizieren.

Inspiration

An den beiden Veranstaltungstagen inspirierten vier prominente Redner auf ganz unterschiedliche Weise die anwesenden Gastronomen, Hotelliers und Partner von hogast: Der Altabt Gregor Henckel-Donnersmarck erläuterte, warum er mit Mitte dreißig seinen Job als erfolgreicher Manager eines internationalen Logistikunternehmens gegen das Leben in einem Zisterzienserkloster eintauschte und wie man als Unternehmer heute die christlichen Kardinaltugenden (er nannte sie neudeutsch „Big Seven“) umsetzen kann: Glaube, Hoffnung, Liebe, Tapferkeit, Maßhalten, Gerechtigkeit, Klugheit: Mit Tapferkeit überwindet man Schwierigkeiten, mit Maßhalten schont man die natürlichen Ressourcen, gerecht sollte man gegenüber Gästen und Lieferanten und den eigenen Mitarbeitern agieren und mit Klugheit tariert man das alles aus. Gottesmann ist Henckel-Donnersmarck übrigens nicht aus Frust an den Zuständen unseres kapitalistischen Systems geworden (das findet er prinzipiell sehr in Ordnung, vor allem als soziale Marktwirtschaft), sondern weil er seine Religiosität intensiver leben wollte: Ora et Labora. Außerdem fühlte er sich zum Prediger berufen. Seine Redegewandtheit demonstrierte er sympathisch am Symposium.

Wenn man so sagen kann: Wesentlich „weltlicher“ ist die Perspektive, die der deutsche Unternehmensberater Tim Leberecht einnahm: Leberecht lebt im Silicon Valley und präsentierte seine Vorstellung eines „romantischen“ Wirtschaftens. Wir hätten es mit unserer Effizienz und Berechenbarkeit zu weit getrieben. Leberecht macht bei vielen Menschen eine tiefe Sehnsucht nach Emotionen, Unberechenbarkeit, Subjektivität usw. aus. Alles Begriffe, die er mit Romantik bzw. den Romantikern des beginnenden 19. Jahrhunderts verbindet, die damals mit ihren Vorstellungen auf die grassierende Aufklärung und eine drohende Entzauberung der Welt reagiert haben. Leberecht meint, unser Wirtschaftssystem brauche dringend eine gehörige Portion Romantik, um besser zu werden. Gerade Hoteliers und Gastronomen könnten ihren Gästen solche „romantische“ Angebote bzw. Erlebnisse bieten: Überraschungen, die Möglichkeit des Kontrollverlustes, das Erfahren von Schönheit, Zufälle, magische Momente. Wie das konkret aussehen kann, überließ er weitgehend der Fantasie der anwesenden Fachleute. Ihm war wichtig zu betonen, dass erfolgreiche Unternehmen heute und in Zukunft auf Intimität setzen, ein Geheimnis erzeugen und hüten und sogar ihre Kunden manchmal ein wenig leiden ließen – statt sie mit Komfort zu langweilen. Als Beispiele für solche Unternehmen nannte er Facebook oder Airbnb, als erfolgversprechende Techniken in dieser Richtung Augmented oder Virtual Reality. Nur so könnten wir als Menschen im beginnenden Konkurrenzkampf mit künstlicher Intelligenz und Robotern bestehen. Indem wir unsere Menschlichkeit betonen. Maschinen sind eben nicht romantisch.

Trend zum Gesunden

Am zweiten Tag stellte die Foodtrendforscherin Hanni Rützler den Gastronomen ein paar Empfehlungen aus, die sie aus aktuellen Ernährungstrends ableitete. Zunächst ist für sie der Trend zum Regionalen noch lange nicht an sein Ende gekommen, das werde noch „radikal regionaler“ und verdränge Bio. Außerdem würden sich die Menschen immer gesünder ernähren wollen, darauf sollten Gastronomen unbedingt reagieren, indem sie gesunde Speisen auf die Karte setzen – allerdings ohne sie als „gesund“ anzupreisen, denn „gesund“ hat bei den meisten Menschen immer noch den Beigeschmack des Faden und des Verzichts. Hier erhebt sich die Frage, ob das auch für die gilt, die sich ausdrücklich gesund ernähren wollen. Wie auch immer, der Trend ist nicht mehr zu übersehen: Immer mehr Menschen wollen weniger Zucker, weniger Fett zu sich nehmen , weil sie glauben, das mache sie krank. Und immer mehr Menschen machen sich Gedanken über das Fleisch – ob das gesund ist und ob sie es noch mit gutem Gewissen essen können. Deshalb steige die Zahl der Flexitarier, also derjenigen, die immer öfter auf Fleisch zu Gunsten von Gemüse verzichten. Darauf sollten Gastronomen mit einem eingeschränkten, aber hochqualitativen Fleischangebot und mehr Gemüse reagieren. Gemüse dürfe nicht mehr länger nur als Beilage eingesetzt werden, sondern sollte viel öfter zum Hauptgericht werden. In Zukunft werde es bei den Gästen noch viel mehr um den Geschmack gehen: Das persönliche Geschmacksmanagement werde zur Kulturtechnik des 21. Jahrhunderts.

Als letzter Redner informierte der ehemalige österreichische Vizekanzler und „Querdenker“ in der ÖVP Erhard Busek über seine Sicht des Zustandes der Nation, Europas und der Politik im Generellen. Sein Fazit fiel in Bezug auf die Politik eher vernichtend aus, in Bezug auf Österreich und Europa wollte er aber Mut machen. Auch wenn alle (auch er) von der Krise reden, gebe es noch genügend Potenzial, um die Dinge und die Lage zu bessern. Dazu müssten wir uns alle viel mehr einmischen und dürften nicht alle Probleme und alles, was wir nicht (auf Anhieb) verstehen, an „die da oben“ delegieren. Busek glaubt an die Macht der Information und hält Bildung für ein ganz wichtiges Zukunftsthema, gerade in Europa. Denn mit was sonst außer Wissen könne das alte Europa noch punkten? Ansonsten sieht er uns am Beginn eines „Dritten Weltkriegs“ und meint damit die Terroranschläge, die jederzeit überall auf der Welt geschehen könnten.

Die Gesellschaft verlange zu wenig von den Menschen, unsere Wertvorstellungen seien verflacht. Wo kommen wir her, wo gehen wir hin? Damit würden wir uns zu wenig auseinandersetzen – gerade im Kampf gegen einen radikalisierten Islam. Wir seien (noch) im buchstäblichen Sinn „fassungslos“, uns fehlen die richtigen Antworten auf viele Fragen, unter anderem auch die Flüchtlingskrise. Wir müssten Prioritäten setzen, andere Prioritäten: Statt in unsicheren Zeiten auf mehr Polizisten lieber auf Bildung setzen, zum Beispiel. Wenn rund ein Viertel unserer Schulabgänger nicht mehr richtig lesen, schreiben und rechnen könne, sei das ein Skandal und mit ein Grund für unsere Probleme – und die in der Zukunft. Für Busek sind Empathie und Solidarität zukunftsweisende Werte. Wir seien viel mehr aufeinander angewiesen, als wir glaubten. Das gelte sowohl für Nationalstaaten wir für jeden Einzelnen von uns. Und in diesem Zusammenhang nannte er die Einkaufsgemeinschaft hogast als Vorbild. Und damit hatte der Altvizekanzler ein sehr schönes Schlusswort für zwei informative Tage in Salzburg gefunden.