Im ältesten Betrieb Österreichs

Hotel
10.11.2016

Von: Daniel Nutz
Die Hotelierin Michaela Hirnböck-Gmachl führt in Elixhausen das älteste Familienunternehmen Österreichs. Ihre Aufgabe: die Tradition lebendig zu halten
Ein Haus mit Geschichte: Das 785 Jahre alte Stammhaus des Hotel Gmachl in einem Gemälde (um ca. 19 Jdt.)
Ein Haus mit Geschichte: Das 785 Jahre alte Stammhaus des Hotel Gmachl in einem Gemälde (um ca. 19 Jdt.)
Die 23. Generation der Gmachl-Unternehmerdynastie: Michaela Hirnböck-Gmachl mit Ehemann und ihren drei Kindern.

Michaela Hirnböck-Gmachl zieht den Kopf vor dem Türstock ein. „1334 waren die Menschen noch ein Stück kleiner“, sagt die Hotelchefin stolz im Salzburger Dialekt. Vor ihr eröffnet sich die Gaststube ihres Hotelrestaurants, dessen Grundmauern 682 Lenze tragen. An den Wänden hängen Jagdtrophäen, in einer Ecke ein Kruzifix, in einer anderen das Porträt von Franz Joseph I. Der Kaiser zählte ebenso wie einige Erzbischöfe aus dem nahen Bistum Salzburg zu den Gästen, die ihre Familie hier schon empfangen durften, erzählt Hirnböck-Gmachl stolz. 

Genetisch vorbelastet

Das Romantikhotel Gmachl an der Salzburger Stadtgrenze gilt heute als ältester Familienbetrieb Österreichs. Seine Chefin wirkt dynamisch: wasserstoffgebleichtes Haar, zurückgegelt. Sie wirkt jünger als ihre 41 Jahre. Der aufgestellte Blusenkragen konterkariert den traditionellen Stil des Dirndls, das sie trägt. Aber Tradition verpflichtet. So hält sich auch Hirnböck-Gmachl zumindest grob an den Dresscode in Sachen Arbeitskleidung, den schon ihre Vorgängergenerationen an den Tag legten. Hirnböck-Gmachl führt das Unternehmen in 23. Generation – ein Rekord!

Tradition ohne Risiko

Bei der mittelalterlichen Firmengründung stand im Kern des heutigen 3.000-Seelen-Dorfes Elixhausen ein Gasthaus, eine Landwirtschaft und eine Metzgerei. Heute betreibt Hirnböck-Gmachl auf demselben Grund ein Luxushotel: 73 Zimmer, etwa 29.000 Nächtigungen pro Jahr, ein hoteleigenes Haubenlokal sowie ein 1.200-m2-Spa, der in einem in moderner Architektur gehaltenen, hölzernen Zubau untergebracht ist. Die alte Metzgerei gibt es immer noch. 

„Ich bin stolz, dass meine Familie das Ganze über so lange Zeit erhalten hat“, sagt Hirnböck-Gmachl während sie durchs Fenster auf die Kirche nebst dem Hotel blickt. Einer ihrer Vorgänger hatte der Diözese den Grund dafür geschenkt. Freilich nicht ohne Kalkül: „Er wusste, dass durch die Taufen und Hochzeiten ein gutes Geschäft für das Gasthaus abfiel“, sagt die Chefin. Ein guter Geschäftssinn liege ihrer Familie wohl in den Genen, sinniert sie. 

Früher war es das Los der erstgeborenen Söhne, den Betrieb an die kommende Generation weiterzugeben. Es war ein Glücksfall, dass sich aus dieser Auswahl keiner als dermaßen geschäftsunfähig erwiesen hatte, dass der Betrieb den Bach runtergegangen wäre. Vieles, aber nicht alles hat sich über die Jahrhunderte verändert: Als Erstgeborene von drei Schwestern ist es nun Michaelas Aufgabe, den Betrieb weiterzuführen, erzählt man in der Familie einhellig. 2005 übernahm sie – im Alter von bloß 30 Jahren. 

Laut KMU-Forschung wurden 1996 noch drei von vier heimischen Unternehmen innerhalb der Familie weitergegeben. Zehn Jahre später war es nur mehr jedes zweite – Tendenz weiter fallend. Dass die Gmachls nicht das Schicksal von derzeit etwa 6.000 Unternehmen in Österreich ereilte, die vergeblich nach einem Nachfolger suchen, hat freilich auch einen familien-spezifischen Grund. Mit dem richtigen Maß der hohen Kante fällt eine Übergabe leichter. Die Heiratspolitik der Familie, wonach ein Hektar Land wichtiger war als romantische Gefühle, führte dazu, dass die Gmachls sich über die Jahrhunderte einen beträchtlichen Grundbesitz zusammengetragen haben. 

„Ich bin schon stolz, dass meine Familie das Ganze über so lange Zeit erhalten hat.“
Michaela Hirnböck-Gmachl, Hotelerbin

„Es ist ein Glück, hier reingeboren zu sein“, sagt die Hotelchefin. Dann überlegt sie und meint: „Ich sehe den Besitz aber nicht als mein Eigentum an, sondern sehe mich selbst als Verwalter auf Zeit.“ Sie spricht von einer goldenen Schale, die sie weiterzureichen hat. Diese lange Tradition ist eine Aufgabe und Bürde, meint sie. „Hätte ich mir das alles selbst aufgebaut, würde ich risikoreichere Entscheidungen treffen“, glaubt Hirnböck-Gmachl. So stehe aber stets die Tradition dem Risiko entgegen. 

Keine Freude mit Internet

Als sie vor zehn Jahren gemeinsam mit ihrem Mann – einem Stahlhändler aus der Gegend – das Unternehmen übernahm, setzten sie sich zum Ziel, das Seminarhotel ihrer Eltern in ein Wellnesshotel auszubauen. Ein logischer, kein risikoreicher Schritt. Fünf Millionen Euro nahm das Paar dafür auf. Sie und ihr Mann haben sich die Aufgaben schön aufgeteilt: Während Michaela Hirnböck-Gmachl die kommunikative Chefin gibt, kümmert sich ihr Ehemann beispielsweise um technische Belange. „Heute musst du ja ein IT-Profi sein, um ein Hotel zu führen“, sagt sie ironisch. Tatsächlich hat sie aber zwei Mitarbeiter für IT und die Onlinebuchungen abgestellt. Die Gmachls gehen mit den Zeichen der Zeit. Auch weil sie müssen. Ginge es nach der Chefin, würden noch alle Zimmer per Telefon gebucht. „Mich zipfen diese ganzen Internet-Bewertungen an! Wenn einem Gast etwas nicht gefällt, dann kann er doch zu mir kommen, anstatt es übers Internet in die Welt rauszublasen“, schimpft sie. 

Während Hirnböck-Gmachl durch ihr Haus führt, scherzt sie mit einem Zimmermädchen, das ihr über den Weg läuft. Sie gibt sich als lässige Chefin. Im Vergleich zu ihren Eltern, die hart und patriarchal führten, gehe es bei ihr lockerer zu, meint sie. Sie spricht von Work-Life-Balance. Davon, dass der Laden laufen muss, aber nicht zum Preis der Aufgabe jeglichen Privat- und Soziallebens, wie es bei ihren Eltern gewesen sei. Hirnböck-Gmachl versucht den Zauber der Tradition am Leben zu halten, sich aber nicht von deren Last erdrücken zu lassen. Ihre Familie bescheinigt ihr, ein fröhlicher, ausgeglichener Mensch zu sein. 

Krach mit den Alten

Dass eine Firmenübernahme kein Honiglecken ist, weiß Hirnböck-Gmachl aber aus eigener Erfahrung. „Wer sagt, dass Alt und Jung gemeinsam können, der lügt“, lacht sie aus sich heraus. Sie selbst habe ihre Kämpfe ausfechten müssen. Wenn sich langdienende Mitarbeiter eher von ihrem Vater als von ihr etwas anschaffen ließen, oder wenn ihre Eltern sich in Personalthemen einmischten. Irgendwann war der große Krach da, erinnert sie sich: „Den Streit haben wir gebraucht, seither stehe ich alleine für alles gerade.“ 

„Bei Unternehmen ist es wie bei Kindern, man muss sie in die Freiheit entlassen.“
Peter Gerhalter, 
Unternehmensberater

Hirnböck-Gmachl spricht ein Thema an, das vielen Betrieben zu schaffen macht. Manche bringt es sogar in existenzielle Krisen. „Viele Übergeber sind psychisch nicht bereit oder in der Lage, ihr Unternehmen loszulassen. Das kann einen Betrieb lähmen“, erzählt Peter Gerhalter, Unternehmensberater und Übergabe-Consultant-Partner der Wirtschaftskammer, aus vielfacher Erfahrung. „Bei eigentümergeführten Unternehmen ist es wie bei Kindern, man muss sie in die Selbstständigkeit entlassen“, so Gerhalter weiter. 

Geborene Hotelierin? 

Während die jüngste Schwester heute ebenfalls ein Hotel führt, verwirklichte sich die Zweite anderweitig, indem sie Tierärztin wurde. Ob Hirnböck-Gmachl etwas abgeht? Sie überlegt lange. Sie glaube nicht, es sei schon ganz gut so, wie es sei. Sie mag es, dass man in der Hotellerie immer im Kontakt mit Menschen sei. Viel anderes hat sie aber auch nicht gesehen. Einmal machte sie ein Praktikum bei der ORF-Sendung „Klingendes Österreich“. Ansonsten hat sie aber nur Zimmer, Restaurants und Bars der Hotellerie kennengelernt. 

Hirnböck-Gmachl führt das Hotel erfolgreich, hat im Jahresschnitt eine Auslastung von 75 Prozent. Vor allem im Sommer lebt man von den Stammgästen, die schon ihre Elterngeneration gewonnen hat. Auch heute sind ihre Eltern noch aktiv. Die Mutter zieht sich jeden Samstag das Dirndl über und hilft beim Frühstückservice. Der Vater geistert zwar durchs Hotel, erzählt Anekdoten aus der Familienhistorie, mischt sich aber nicht mehr ins operative Geschäft ein. 

Mit einer Tradition will Hirnböck-Gmachl aber brechen. Sie wird die Erste sein, die ihren Wohnsitz aus Elixhausen verlegt. Etwa sieben Kilometer entfernt entsteht an der Salzburger Stadtgrenze gerade ein Einfamilienhaus, das kommendes Jahr bezogen werden soll. „Die Kindheit im Hotel zu verbringen ist nicht so gut. Da nimmt man Sachen auf, die nicht für Kinderohren bestimmt sind“, sagt sie mit einem Lachen. Ihre Kinder sollen dadurch nicht die Lust verlieren. Schließlich gilt es, die „goldene Schale“ weiterzugeben. Ihr Sohn und die zwei Töchter sind zwar noch im Schulalter. Irgendwann soll eines der Kinder die Tradition der Gmachls fortführen. So war es immer, und so soll es auch in der kommenden Generation sein.

Älter gibt’s nicht

158 Jahre bevor Kolumbus Amerika entdeckte, beginnt die Geschichte des Romantikhotels Gmachl in Elixhausen. Es ist mit 682 Jahren nachweislich das älteste Familienunternehmen Österreichs. 1334 wurden eine Taverne sowie ein halber Hof erstmals urkundlich erwähnt. Bis 1470 waren die Besitzer übrigens noch nachnamenlos. Auf Georg, den ersten Wirt, folgten drei Söhne. 1470 taucht erstmals der Name Elixhauser auf. Erst 1787 kam durch eine Heirat der Name Gmachl ins Spiel. Über die Jahrhunderte entwickelten sich die Elixhauser zu einer Unternehmerdynastie. Zu allererst wegen der Heiratspolitik, die nach dem Motto „Liebe vergeht, Hektar besteht“ erfolgte.

„Es gibt wohl kaum einen Bauern in der Gegend, mit dem wir nicht verwandt sind“, meint Seniorchef Friedrich Gmachl. Auch der Geschäftssinn scheint der Familie immanent. 1798 spendete Michael Gmachl Grund und Geld für den Kirchenausbau. Natürlich um ans Geschäft bei Begräbnissen, Taufen oder Hochzeiten zu gelangen. Andere engagierten sich sozial. Johann Gmachl errichtete 1888 nicht nur ein Steh-, Schwimm- und Sitzbad, sondern gründete Anfang des 20. Jahrhunderts die freiwillige Feuerwehr in Elixhausen. Erst die Eltern der heutigen Hotelierin Michaela Hirnböck-Gmachl bauten Gasthaus/Pension zu einem Seminarhotel aus. Dieses wurde nun zu einem Wellnesshotel. Prominente Gäste der letzten Jahre waren etwa der deutsche Bundespräsident Roman Herzog, Maler Ernst Fuchs, Stardirigent Riccardo Muti oder Schauspieler Ben Becker.