Ist eine Tourismuskasse für Gastro und Hotellerie clever?

Gewerkschaft
08.07.2021

Die Gewerkschaft vida will mit einer Tourismuskasse für Gastro und Hotellerie Betriebe finanziell entlasten und damit bessere Arbeitsbedingungen schaffen. ÖHV und Wirtschaftskammer sind skeptisch. 
Im Tourismus sind die Beschäftigtenzahlen deutlich stärker gestiegen als in der Baubranche - ganz ohne Tourismuskasse.
Im Tourismus sind die Beschäftigtenzahlen deutlich stärker gestiegen als in der Baubranche - ganz ohne Tourismuskasse.
Bringt eine Tourismuskasse höhere Sozialstandards für Mitarbeiter? Oder ist es ein Bürokratiemonster?

Eine "Tourismuskasse" soll die finanzielle Belastung der Tourismusbetriebe durch die Coronakrise abfangen. Diesen Vorschlag unterbreitete die Gewerkschaft vida, Unterstützung dafür bekommen die Arbeitnehmervertreter von SPÖ, Neos und FPÖ. Das Startkapital (200 Mio. Euro) soll aus der öffentlichen Hand kommen. Zum Vergleich: Ein ähnliches Modell gibt es bereits mit der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse. Macht eine Tourismuskasse also Sinn? "Nein" sagen ÖHV und Wirtschaftskammer. Die Gewerkschaft sieht im Gegensatz dazu dieses Instrument als "Gamechanger". Vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit glaubt, dass auf der Seite der Beschäftigten das Modell mehr Sicherheit und höhere Sozialstandards biete weil Urlaubsansprüche bei Jobwechsel mitgenommen werden könnten. Außerdem sollen überbetriebliche Weiterbildungsangebote geschaffen werden. Auf der Unternehmensseite ergebe sich daraus eine sofortige finanzielle Entlastung indem Rückstellungen für Urlaubsansprüche umgehend aufgelöst werden könnten, so Hebenstreit.

Wie erwähnt sollen die Kosten für die Errichtung zunächst vom Staat getragen werden. In weiterer Folge sollen sich Betriebe schrittweise beteiligen, trotzdem koste es die Unternehmen "keinen Cent", weil statt in Rückstellungen in die Tourismuskasse eingezahlt werde.

Bürokratie

Die Fachverbände in der Wirtschaftskammer bezeichnen den Vorschlag am Dienstag als ein "teures, bürokratisches Modell, mit dem ein nicht existentes Problem gelöst werden soll". Für Beschäftigte würde sich bei Urlaubsansprüchen nichts ändern, außer die auszahlende Stelle.

ÖHV-Generalsekretär Markus Gratzer ist skeptisch: „Mehr Aufwand ohne einen Cent mehr am Konto der Mitarbeiter: Das wirkt auf den ersten Blick nicht sehr überzeugend. Auf den zweiten auch nicht“. Die Bauarbeiter-Urlaubskasse, von der vida immer als Vorbild hingestellt, beschäftigt laut eigenen Angaben 245 Mitarbeiter: „Das ist kein Gamechanger, sondern Verwaltung wie im vorigen Jahrhundert“, verweist Gratzer auf paritätisch besetzte Gremien mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Direktor, zig Ausschussmitglieder und Beiräte je Bundesland: „Ob die Mitarbeiter Verständnis dafür haben, wenn ihre Arbeitgeber solche Apparate durchfüttern? Da steigen die Lohnnebenkosten, nicht die Nettolöhne.“

Kosten und Nutzen der Bauarbeiter-Urlaubskasse werden auch in der eigenen Branche kritisch gesehen. Denn im Tourismus, der von der Gewerkschaft immer öffentlich kritisiert wird, stiegen die Beschäftigtenzahlen 2008 bis 2019 um 24%, am Bau trotz der als Erfolgsmodell gefeierten Urlaubskasse um 10%, so Gratzer: „Eine Erfolgsgeschichte sieht anders aus.“