Kulinarik statt Literatur

Gastronomie
30.01.2020

Von: Dieter Mayr-Hassler
Eine Gemeinderätin belebt das Dorfzentrum in Steinfeld mit regionalen Spezialitäten im Regal und am Tisch.
Gastlokal mit Einkaufsmöglichkeit und offener Küche: das „Hereinspaziert“ in Steinfeld im Drautal.
Margarethe Brandner kauft den Großteil ihrer Produkte in der Region.

Seit nunmehr vier Jahren betreibt Margarethe Brandner ihr „Hereinspaziert“ in Steinfeld im Oberkärntner Drautal.

„Eigentlich wollte unser Bürgermeister aus dem leerstehenden Postamt eine Gemeinde- und Schulbibliothek machen“, erzählt Brandner, die auch im Gemeinderat politisch aktiv ist. „Schade um den guten Platz!“, hat sie ihm entgegengehalten. Man solle an diesem zentralen Standort lieber einen Pächter für ein Geschäft- oder Gastlokal suchen. Am Ende krempelte Brandner selbst die Ärmel hoch, schrieb ein Konzept, überzeugte die Gemeindeführung und eröffnete am 4. Jänner 2016 das „Hereinspaziert“.

Alle wollten Kulinarik

Der ursprüngliche Plan war ein Geschäft mit regionalen Köstlichkeiten und kleinem Gastronomieangebot. Im Unternehmensplan waren 70 Prozent Handelsumsatz und 30 Prozent Gastronomieumsatz vorgesehen. „Am Anfang dachte ich, wir halten das Gastroangebot ganz schlicht, so mit Gulaschsuppe und Imbissen, weil die Leute werden sich hauptsächlich auf ein Bier und einen Kaffee treffen“, erzählt die Jungunternehmerin. Aber, wie wohl in den meisten Gründungsgeschichten, kommt es anders, als man denkt: „Bereits nach 14 Tagen habe ich gemerkt, dass richtiges Kochen das ist, was gefragt ist!“ Rasch wurde nachjustiert und auch noch kleinere Umbaumaßnahmen gesetzt.  

Jetzt präsentiert sich das Hereinspaziert als gemütliches Gastlokal mit Einkaufsmöglichkeit und offener Küche. Montag bis Freitag ist von 9 bis 18 Uhr durchgehend geöffnet, und von 11 bis 14.30 Uhr gibt es frisch Gekochtes. Samstags bleibt die Küche kalt, aber das Lokal hat geöffnet. Es gibt eine täglich wechselnde Speisekarte mit einer Handvoll warmer Gerichte. Die angestellte Köchin ist auch gelernte Konditorin, deshalb steht eine tolle Auswahl an selbstgemachten Mehlspeisen für den Nachmittag auf dem Programm. Für den Vormittag gibt es ein kleines Frühstücksangebot. Brandner kauft den Großteil ihrer Produkte von Bauern und Produzenten aus der Region. So konnte sie ihr Lokal als beliebten Tagestreffpunkt ihrer Heimatgemeinde etablieren.

Heute teilt sich der Umsatz zwischen Handel und Gastro ziemlich genau 50:50 auf. „Wir sind aber kein Geschäft für den normalen Einkauf“, erklärt Brandner ihr Erfolgskonzept. Man bietet eine Geschenkewelt und ein Sortiment von regionalen Köstlichkeiten, die man sich beim täglichen Einkauf sonst kaum gönnt. 

150.000 Euro investiert

Mit dem Handel kennt sie sich aus: Sie betrieb mit ihrem Exmann einen Obst- und Gemüseladen in Spittal an der Drau, und vorher hatte sie auch in der Gastronomie gearbeitet und dort die Berechtigung zur Lehrlingsausbildung erlangt. Im Hereinspaziert sind derzeit drei Mitarbeiter in Teilzeit und zwei Lehrlinge beschäftigt. 

Diese Erfahrung hat sie auch gebraucht: Immerhin musste sie 150.000 Euro in ihr Projekt investieren, und die Bank wollte ihr das zunächst nicht finanzieren. Da half auch ihr kreativer Ansatz nichts. Für solch ein Lokal in der Osttiroler Bezirksstadt Lienz hätte sie sofort einen Kredit bekommen. Sie rechnete den Bankmanagern vor, dass sie allein mit ihren eingesparten Fahrtkosten den Großteil des Kredits abzahlen könnte. Diese Rechnung hinterließ zwar einen bleibenden Eindruck, dennoch musste sie ihr Haus als Sicherheit verpfänden. Der jetzige Betriebserfolg lässt in Hinkunft hoffentlich auch die Banker ein wenig offener für neue ländliche Geschäftsideen werden.