Hotelière Silke Seemann („Hallstatt Hideaway“) ist als promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin eine Quereinsteigerin in der Branche. Ihr Rat: Jetzt den Erfindergeist wecken.
Erfolg ist der Feind der Flexibilität! Er macht träge und unaufmerksam. Unsere Branche war erfolgsverwöhnt. Oh ja, ich wusste um die Missstände in meinem Betrieb, aber wir waren fast über das ganze Jahr hinweg ausgebucht. Jetzt begrüßen wir die Vollbremsung der globalen Wirtschaft als einen Weckruf und ein Signal, noch wesentlich flexibler zu werden. Wir haben im Lockdown sofort auf Zoom-Meetings umgestellt und jeden Tag zwei Stunden intensiv an unseren internen Prozessen gearbeitet. Endlich hatten wir Zeit, den Kernprozess und die Hilfsprozesse zu erfassen und jede Menge Optimierungspotenzial zu erkennen. Erfolg macht schläfrig und dumm. Die Krise weckt unser Potenzial, auch im Kleinen intelligenter zu handeln. Wir haben uns von lieben Gewohnheiten und Mitarbeitern getrennt, die dieser radikalen Selbstkritik im Weg stehen. Und wir holen neue Mitarbeiter an Bord, die sich nach Veränderung sehnen. Als ich kurzfristig ohne Hausmeister dastand, konnte mir das AMS wenig Mut machen, einen neuen Hausmeister zu finden, da trotz hoher Arbeitslosigkeit die Bewerbungspflicht aufgehoben ist. Also haben wir über Social Media Housesitter gesucht und hatten in wenigen Stunden alle Häuser gut versorgt. Not macht erfinderisch.
Als Hotel in Hallstatt müssen wir uns vollkommen neu erfinden. Bisher hatten wir so wenig deutschsprachige Gäste, dass unsere gesamte Kommunikation ausschließlich in Englisch vorlag, das Design und Ambiente, alle Services sind auf die Bedürfnisse internationaler Gäste ausgerichtet. Wir müssen uns in rasender Geschwindigkeit neu denken: die Apartments neu benennen, alle Webseiten neu gestalten, andere Kommunikationskanäle mit anderen Inhalten neu bespielen. Wir haben uns teilweise von krakenartigen Buchungsportalen trennen müssen, die sich als aggressiv feindlich erwiesen haben. Die Krise ist eine gute Zeit für Experimente. Jetzt hilft uns sehr, dass wir mit dem Hallstatt Hideaway Member bei Lifestylehotels sind, bei Falstaff Hotels gelistet und vom „National Geographic Traveler“-Magazin das dritte Jahr in Folge in der Luxury Collection sind. Das alles sind Partner, die uns jetzt mit Aktionen stärken. Dieses Jahr müssen wir den deutschsprachigen Markt bespielen und zugleich an morgen denken und Signale in unsere internationalen Märkte senden. Das ist gelebte Ambiguität.
Corona hat das Akronym VUKA lebendig werden lassen: Volatilität, das Unbekannte, Komplexität und Ambiguität treiben uns unmittelbar vor sich her. Wir sehen das als ganz große Chance!
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