Sensorik: Wie verkostet man Kaffee?

Sensorik
26.02.2020

Sie können Ihren Kaffee ruhig mal einer sensorischen Überprüfung unterziehen und mit neuen Sorten ­vergleichen – vielleicht auch eine Kaffee-Verkostung mit Ihren Gästen? Dazu muss man kein Sommelier sein.

Während in der Gastronomie Weine relativ oft verkostet werden und auch kleinere Vergleichsverkostungen stattfinden, um das eigene Produktsortiment zu hinterfragen und zu erweitern, sind Kaffeeverkostungen relativ selten. Dabei wäre es für jeden Gastronom interessant zu wissen, wo er mit seinem Kaffee aktuell steht oder wie sein Produkt, zum Beispiel der Espresso, wirklich beim Kunden ankommt. 

Warum ist es schwierig, Kaffee zu verkosten?

Einerseits gibt es immer wieder die Ausrede, dass man selbst ein schlechter Sensoriker sei. Dies stimmt allerdings nur bedingt, denn jeder Mensch kann schmecken und hat auch eine angeborene sensorische Wahrnehmung, um gute von verdorbener oder giftiger Nahrung zu unterscheiden.

An zweiter Stelle stehen die Allerwelts-Bonmots wie „Über Geschmack lässt sich streiten“ oder „Geschmäcker sind verschieden“. Beidem kann man entgegenhalten, dass das einzige Mittel gegen (Aber-)Glauben die Wissenschaft ist. Und Sensorik ist Wissenschaft.

Drittens ist Kaffee natürlich auch kein Wein, wo es reicht, die Flasche richtig zu temperieren. Er ist also schwieriger zu verkosten und zu vergleichen. Beim Kaffee sind auch andere Faktoren entscheidend als der Kaffee selbst: Zubereitung, Wasser, Temperatur, Tassen, Milch oder Zucker.

Trotzdem werden die Möglichkeiten der Sensorik permanent unterschätzt. Denn schon mit einem direkten Vergleichstest oder einem Rangordnungstest kann man gut Aufschluss über das eigene Kaffeeprodukt bekommen. Allgemeingültige Empfehlungen über den besten Kaffee gibt es ohnehin nicht. Genauso wenig wie bei Wein oder Champagner.

Schmecken und Riechen lernen

Ein sensorisches (Geruchs-)Gedächtnis lässt sich relativ leicht erlangen. Oft kann man einen Geruch einfach nicht benennen, aber das sollte niemanden davon abhalten, sensorisch aktiv zu werden. Die Identifikation, die Zuordnung, die Unterscheidung in der Wahrnehmung, die Assoziationen und das Vokabular lassen sich lernen. Der persönliche Aroma-Gedächtnispalast wird einfach durch Übung geschult. 
Wichtig ist es auch, über Sensorik zu reden, sich auszutauschen. Hier haben wir einen geografischen Nachteil. In vielen südlichen Ländern ist das anders. Hier wird ständig über Essen, Trinken, Geschmack und Genuss gesprochen. Man lernt die Eindrücke vom Riechen und Geschmack in Worte zu fassen.

Schmecken ist Riechen 

Die Gesamtgeschmackswahrnehmung (Flavor) besteht aus verschiedenen Sinneswahrnehmungen aus Optik, Akustik, Gustatorik, Olfaktorik und Haptik. 
Die optische Wahrnehmung kann beim Kaffee die Porosität und Farbe der Crema sein sowie deren Zeichnung und Glanz, aber auch die Farbe des Kaffees. Allerdings sagt die Optik meist wenig aus über die Qualität. Auch die berühmte Crema ist nur bedingt von Bedeutung. Mehr Aufschluss geben Gustatorik, Olfaktorik und Haptik.
Letztere bedeutet eigentlich Tastsinn, aber hier beim Kaffee bedeutet Haptik vor allem Mundgefühl, Textur, Temperaturempfinden, Viskosität und Adstringenz. Beim Kaffee kann dies ein cremiger Cappuccino, die samtige Crema eines Espressos oder die Wahrnehmung des Espressos als dickflüssiges Konzentrat sein. 
Die Geruchswahrnehmung (Olfaktorik) erfolgt über die Rezeptoren im Nasenraum. Diese läuft über chemische Reize mittels Geruchsrezeptoren in den Riechepithelien der Schleimhaut. Mehr als 800 Aromen sind im Kaffee bekannt, aber nur rund 25 davon sind von eigentlicher Bedeutung für das Gesamtkunstwerk Kaffee. Und die kann man tatsächlich schmecken oder riechen. Die Einteilung der Aromen erfolgt in Haupt- und Untergruppen, wie z. B. Früchte bzw. deren Untergruppen Zitrone, Orange, Cassis oder Pfirsich. Andere Hauptgruppen sind Gewürze, florale Aromen, Kräuter, Röstaromen, Hölzer oder Tabak. 
Die Geruchsstoffe werden dabei sowohl orthonasal (durch die Nase) als auch retronasal (durch den Rachen) wahrgenommen. 
Oft wird der Geschmack mit retronasalem Geruch verwechselt. Beim Geschmack unterscheidet man fünf Grundgeschmacksarten, die über die Rezeptoren der Zunge wahrgenommen werden: süß (Zuckergehalt), salzig (Mineralgehalt), sauer, bitter, umami (würzig, Proteinerkennung). Auch fettig, metallisch bzw. alkalisch kann wahrgenommen werden, wobei die beiden letzteren Geschmäcker aufgrund der Mineralien im Kaffeewasser auch für den Kaffee von Bedeutung sind. Übrigens, die viel zitierte Zuordnung der Geschmacksarten zu bestimmten Zungenarealen ist falsch. Alle Grundgeschmacksrichtungen werden auf der gesamten Zunge verteilt wahrgenommen.

Warum nicht Kaffee in der Gastronomie verkosten?

Auch in der Gastronomie könnte man dem eigenen Kaffee ruhig einmal einer sensorischen Überprüfung unterziehen und mit neuen Sorten vergleichen. Dazu muss man kein ausgebildeter Sensoriker sein. Eventuell könnten Sie auch Ihre (Stamm-)Gäste in diese Verkostungen miteinbeziehen. Beim Wein kennt man diese kleineren Verkostungen: Ein Weinbauer kommt vorbei, bringt einen neuen Wein mit, man testet und vergleicht, bezieht einige Gäste mit ein. Beim Kaffee kommt das leider nur selten vor, dabei ist auch hier der Aufwand relativ gering. Lediglich eine – ohnehin immer benötigte – zweite Kaffeemühle wäre für den reibungslosen Ablauf hilfreich. 

Wie verkostet man Espresso? 

Bei der Espressoverkostung wird weniger geschlürft als bei Filterkaffee (Cupping), sondern eher „gekaut“. Beim Einziehen selbst erkennt man bereits, ob ein Espresso angenehm ist oder nicht, ob er weich oder hart, bitter, sauer oder eher süßlich ist bzw. ob er Fehler hat oder nicht. Grundsätzlich wird der Kaffee ohne Zucker verkostet, lediglich die italienische Methode sieht auch eine Verkostung mit Zucker vor (zweite Tasse Espresso). Dies hat durchaus Vorteile, denn oft harmoniert der Kaffee mit Zucker nicht und andererseits sind auch viele Konsumenten den Zucker gewohnt. Und verkosten sollte man so, wie es der Konsument gewohnt ist bzw. wie der Kaffee üblicherweise getrunken wird.