Serie "Mein Wirtshaus": Demutsgraben

Gastronomie
11.11.2020

 
Martin Huber führt neuerdings das Gasthaus im Demutsgraben bei Zwettl. Mit vorsichtigen Änderungen will er die Speisekarte etwas moderner gestalten, ohne auf die Kraft des Waldviertels zu verzichten. Auf Auszeichnungen pfeift er.
Huber vor seinem Wirtshaus, das er am  1. Juli übernommen hat. Drinnen riecht  es nach Gemütlichkeit.
Ein Wirtshaus, in dem der Generaldirektor, der Pfarrer und der Maurer essen gehen.
Martin Hubers Eltern haben das Wirtshaus 1997 gekauft und heuer an den Sohn übergeben.

Martin Huber serviert seinen Humor ganz trocken. „Wir reißen den alten Schankbereich heraus, damit wir den Gästen aus Wien ein schönes, modernes Wirtshaus präsentieren können“, sagt er im Vorgespräch mit ruhiger Stimme am Telefon. Er lässt eine Schrecksekunde vergehen, in der das rustikale Holz und die gut 80 Jahre alte Einrichtung der Gaststube im Wirtshaus im Demutsgraben aufleben. „Nein, Spaß. Ich habe den Betrieb am 1. Juli von den Eltern übernommen und renoviere nur die Küche.“

Beim Lokalaugenschein in Niederstrahlbach, einer Katastralgemeinde der Bezirkshauptstadt Zwettl mit knapp 200 Einwohnern und jeder Menge Wald rund um die Landstraße hinüber nach Weitra, ist die Welt tatsächlich noch in Ordnung. Über der Tür zum – nun renovierten – Kochbereich hängt das gehäkelte Motto „Blank und rein soll stets die Küche sein“; der Herrgott blickt aus seinem Winkerl über die gute Stube, an den Wänden hängen Geweihe und zwischendurch humorige Sinnsprüche wie „Viele Köche verderben die Köchin“. Draußen regnet es, drinnen riecht es nach Gemütlichkeit. Nach Sitzenbleiben.

Wirtshaus-Familie

Martins Hubers Eltern, Monika und Martin senior, hatten das urige Waldviertler Wirtshaus 1997 gekauft, davor war es 15 Jahre lange geschlossen und das Haus zuletzt zwei Jahre unbewohnt gewesen. „Wenn der Martin nicht gerade in der Schule war, hat er praktisch die ganze Zeit im Wirtshaus verbracht. Als er so 13, 14 war, hat er begonnen, selbst zu kochen, wenn ihm nicht geschmeckt hat, was ich ihm zubereitet habe“, erinnert sich Mutter Monika Huber-Riedler, die selbst einer bekannten Zwettler Wirtshaus-Familie – ihrem Vater gehört das mittlerweile geschlossene Lokal „Zum Goldenen Hirschen“ – entstammt.

Die Betriebsübergabe folgte einem längerfristigen, aber letztendlich nicht sehr schweren Nachdenkprozess: „Hätte ich nicht übernommen, wären die Eltern in Pension gegangen und hätten das Lokal zugesperrt. Aber sie haben nie Druck gemacht, sondern mich frei entscheiden lassen. Und ich mache es gerne.“ Vater Martin: „Es war seine Entscheidung. Aber es war klar, dass wir mithelfen würden, wenn er übernimmt.“ Die Zusammenarbeit funktioniert, zwischen den beiden rauschebärtigen Originalen rennt der Schmäh. „Wir müssen übrigens noch darüber reden, was du uns bezahlst ...“ – „Ihr habt ein Dach’l über dem Kopf und ein warmes Essen am Tisch ...“

Martin Huber junior, der neue Chef, ist 30 Jahre jung und gelernter Koch. Nach seinen Lehrjahren im Loisium-Hotel in Langenlois führte ihn sein Weg in Fünf-Sterne-Hotels wie die Alpenrose am Tiroler Achensee oder das Alpine Palace in Saalbach-Hinterglemm, seine letzte Station war das Seehotel am Grundlsee, das im Besitz von Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz ist: „Es ist mir nie ums Verdienen gegangen, ich wollte immer nur lernen und Erfahrungen sammeln.“

Auf Hauben-Niveau gekocht

Obwohl er bereits jahrelang auf Hauben-Niveau gekocht hat, zum Beispiel bei Thomas Dorfer, strebt der gebürtige Zwettler im Demutsgraben keine Auszeichnung an: „Ich bin von der Idee wieder abgekommen. Ich bin mit meiner Küche lieber gutbürgerlich und vielleicht sogar auf hohem Niveau unterwegs. Aber hätten wir eine Haube, würden meine Nachbarn, die jetzt gerade am Stammtisch sitzen, wahrscheinlich nicht mehr zu uns kommen. Und all die Familienfeste, die Taufen, Erstkommunionen, Geburtstage werden bei uns am Land doch auch nicht in Hauben-Lokalen gefeiert.“ Martin Huber senior, „ab jetzt bitte der Alt-Chef“, ergänzt: „Wir waren immer schon ein Wirtshaus, in dem der Generaldirektor, der Pfarrer und der Maurer essen gehen.“

Der neue Besitzer bringt neue Ideen ein. Er kredenzt Karpfen-Sushi, setzt zwischendurch Burger auf die Karte und will traditionelle Gerichte neu interpretieren: „Die Mama macht den Heringssalat klassisch, indem sie alles zusammenpampert, also alles durchrührt und dann serviert. Was spricht dagegen, alle Zutaten schön getrennt anzurichten?“

Waldviertler Klassiker & Co

Neben Waldviertler Klassikern wie der Knödelvariation (mit Grammel-, Blunzen- und Fleischknödel auf Sauerkraut) besticht die Demutsgraben-Küche mit Wild-Spezialitäten aus der eigenen Jagd: „Wir brauchen keine speziellen Wild-Wochen. Von Beginn bis Ende der Schusszeit haben wir Reh und Hirsch durchgehend auf der Karte. Wir verarbeiten das Fleisch frisch, denn da ist es am besten. Und wir verwenden tatsächlich alles, von der Schnauze bis zum Schwanz.“

Was die Hubers nicht selbst aus dem angrenzenden Wald auf den Tisch bringen, beziehen sie aus nächster Nähe. Die Kräuter wachsen in drei Hochbeeten hinter dem Haus, Erdäpfel und frisches Gemüse liefern Erwin Kurz und Otmar Alm-eder, zwei Landwirte im Ort. Enten, Puten und Gänse kommen aus der Nachbargemeinde Oberstrahlbach, die Hühner aus der übernächsten Ortschaft Limbach. Schweine, Rinder und Kälber stammen aus dem wenige Kilometer entfernten Rastenfeld oder aus Bad Großpertholz; Donaulandrind und Donaulandschwein werden beim Großhändler Kastner in Zwettl bezogen. Fische liefern das Stift Zwettl – nur die Tiroler Alpengarnelen haben eine etwas weitere Anreise hinter sich. 

Zwei Generationen unter einem Dach

„A Wirtshaus wie z’Haus“ ist im Demutsgraben mehr als nur ein Slogan. Tatsächlich wohnen die zwei Generationen hier unter einem Dach, die Wirtshausküche ist auch die Familienküche. Das Gebäude ist sogar geräumig genug für die großen Ideen des Neo-Hausherren. Der ehemalige Schweinestall wurde bereits adaptiert: Neben einem Weinkeller ist rund um die offene Feuerstelle Raum für Seminare und Kochkurse entstanden, die Martin Huber anbieten möchte, sobald sich die Corona-Situation entspannt hat. Stolz ist er auf den selbstgemachten Limoncello, den Eierlikör, den Kaffeelikör und natürlich auf den selbst angesetzten Nussschnaps: „Wir produzieren auch unsere eigenen Sirupe und Fruchtsäfte. Und in Zukunft will ich Marmeladen herstellen. Für die Eltern war das kein Thema, aber ich werde das neben dem Kochen zusätzlich aufbauen. Ich habe ja noch gute 30 Jahre bis zur Pension.“

Text: Hannes Kropik