Spirituosen: Die „brennende“ Umsatz-Frage

Umsatz
11.03.2020

Von: Roland Graf
Exotisch, entsprechend unbekannt und teuer: Wie bietet man Edel-Spirituosen, von denen alle reden, sinnvoll in der Gastronomie an?
„Fachwissen ist für mich sowieso das Allerwichtigste“, meint Andreas Hotter aus dem Englhof.
„Stammgäste nehmen Empfehlungen gerne an“, ist die Erfahrung in Karin Dappers-Gürtlers „Feierabend-Bar“.

Was mit dem Rum begonnen hat, setzt sich nun mit den Agavenbränden (siehe dazu auch unseren Sonderteil „Wein & Spirituosen“ ab Seite 34) fort: Nicht nur in der Cocktail-Bar, auch im Restaurant erwartet man eine gewissen Auswahl der Trendspirituosen.
Doch bis der exotische Digestif  zum Umsatzbringer wird, bleiben etliche Fragen offen – zumal wenn man sich nicht auf Destillate versteht. „Teure Spirituosen haben immer Erklärungsbedarf und brauchen daher geschulte Service-Mitarbeiter“, bringt es etwa Karin Dappers-Gürtler auf den Punkt, dass man sich dem Thema ernsthaft widmen sollte.
Bei der Betreiberin der „Gürtler’s Feierabendbar“ in Amstetten liegt der Schwerpunkt an sich auf Getränken wie Aperol-Spritz, „Hugo“ bzw. einem After-Work-Bier. „Doch der Barmann kann Empfehlungen abgeben, die vor allem Stammgäste gerne annehmen. Sie probieren dann auch gerne etwas Neues aus; darin liegt die Chance.“ Das nötige Produktwissen dafür, pflichtet Bar-Chef Ingo Pribil bei, sei mitunter leichter zu erhalten als von vielen Kollegen befürchtet: „Mit den Produzenten zu verkosten, schafft Vertrauen und Know-how – etwas, das man selber kennt, verkauft man auch lieber.“ Entsprechend gerne nimmt man in Amstetten Schulungen durch Brenner wahr. Denn selbst aus exotischen Weltgegenden werden mittlerweile Erzeuger oder zumindest kundige „Markenbotschafter“ nach Österreich geladen – das Thema „Master Class“ boomt nicht nur bei Spirituosenmessen. Termine dafür sind bei gutem Kontakt mit dem jeweiligen Außendienst-Mitarbeiter der Spirituosenpartner leicht zu erfahren. 

Wettbewerb in Sachen ­Digestif

Lange bevor es an die Essensauswahl geht, macht man im „Englhof“ im Zillertal Lust auf Schnaps. Andreas Hotter, Eigentümer und Barchef zugleich, leitet seine Restaurant-Karte mit den „Before-Dinner-Cocktails“ ein. Parallel dazu hat der Tiroler einen internen Wettbewerb im Service laufen: „Wer mehr „Before Dinner“- und „After Dinner“-Drinks verkauft, bekommt am Ende der Saison einen Bonus.“ Eine Lanze bricht Hotter – nach dem Motto „Man kann nur kaufen, was man sieht“ – für den guten, alten Schnapswagen. „Der ist ein sehr wichtiges Tool im Verkauf“, da auch die Nebentische aufmerksam auf das Angebot würden. Zudem kommt der Gast mit den Flaschen und dem Design der Flasche in Berührung und „kann mal anfassen, was man dann kaufen soll“.
Die Leidenschaft, mit der im „Englhof“ Spirituosen verkauft werden, hat die Bar abseits von Ballungsräumen schon mehrfach in verschiedenen Guides zur besten Hotelbar Österreichs werden lassen. Unabdingbar sei aber nach wie vor der Dialog. „Natürlich ,muss‘ der Mitarbeiter den Gast auch fragen, ob er denn einen Tequila, Rum, Edelbrand etc. haben möchte – ansonsten ist es natürlich schwierig.“ Die Leidenschaft beim Service wecke man am besten „täglich ein bisschen“, indem man die Mitarbeiter langsam an die Thematik von richtigem Ausschank, korrekter Temperatur und Herstellung heranführt.
Einig sind sich die beiden „hochprozentigen“ Gastronomen, dass Verkostungen gerade bei weniger bekannten Kategorien wie Mezcal ein wichtiges Verkaufswerkzeug sind. „Verkostungen bringen immer etwas“, meint etwa Karin Dappers-Gürtler. Denn über den reinen Mehrverkauf hinweg sei dabei auch ein Image-Effekt zu beachten.

Image-Effekt

„Für den Gast bedeuten sie eine Abwechslung, und es zeigt, dass das Lokal innovativ unterwegs ist“, so Dappers-Gürtler. Im „Englhof“ gibt es nicht nur Verkostungen für die Hausgäste – buchbar bereits ab zwei Personen –, auch für Kollegen organisiert Andreas Hotter immer wieder externe Profis für Tastings. „Das ist auch ein guter Weg, um mehr Fachwissen zu bekommen. Speziell, wenn man direkt mit dem Hersteller in Kontakt treten und Fragen loswerden kann.“ 
Einen eigenen Verkost-Kalender dafür führt Philipp Szemes auf seiner Homepage. Die Leidenschaft ist trotz des Namens der „Weinstube Szemes“ in Pinkafeld unübersehbar: 200 Gins, Rums, aber vor allem Whiskys rahmen die Schank des burgenländischen Wirtshauses. Sein Credo: „Gäste sind bereit, für eine Flasche einer hochwertigen Spirituose über 50 Euro auszugeben, kaufen jedoch nicht die Katze im Sack. Sie wollen kosten!“ Die Verkostungen überlässt der Küchenchef mit Gerald Petö von „Whisky Purbach“ einem pannonischen Fachmann. Er selbst kocht dazu korrespondierende Speisen. Dabei profitiert auch der Wirt von der flüssigen Meinungsforschung: „Die Spirituosen, die am besten ankommen, werden ins Sortiment genommen und in den nächsten Wochen bzw. Monaten verkauft.“
Aufbauarbeit
Denn Zeit ist ein Faktor, doch Brände haben den Vorteil, nicht schnell zu verderben. „Es bedarf sicherlich einiger Geduld und Aufbauarbeit, bis sich so etwas etabliert hat“, empfiehlt auch Andi Hotter aus dem fernen Westen. 
Dann lässt sich auch mit „Rum-Neuabfüllungen quer durch die Karibik“ (am 18. April Philipp Szemes’ Motto) mitten in einer Weinregion reüssieren!

Fünf Verkaufstipps der Spirits-Profis, by t.vierich

Trends für den Einkauf

Gin: Immer noch ein wichtiges Bar-Angebot, doch geht es nun um verschiedene Tonics beim Longdrink. Pur überraschen mitunter die fassgelagerten Varianten.

Highball: Die Kombination von Basisspirituose und „Filler“ hat der „Gin&Tonic“ vorexerziert. Aktuell folgen der „Mule“ mit Limette und Ginger Beer/Ale, aber auch Wodka-Soda und „Paloma“ (Tequila und Grapefruit-Limo) sind – neben Neukreationen – angesagt.

Low ABV: Der gesündere Lebensstil bringt Cocktail-Basen mit weniger Alkohol mit: Wermut, Sherry oder Bitterliköre werden zum Highball, zumeist mit Tonic Water.

Rum: Die EU-Spirituosenverordnung zwingt zum Ausweis des Zuckers, daher steigt der Anteil „trockenerer“ Rums, mit denen man auch Whisky-Freunde anspricht. Im Kommen sind auch Premium-Abfüllungen.

Whisky: Neue Erzeugerländer erweitern die Palette, darunter sind rauchige Varianten ohne Torf (etwa mit Birke, wie in Finnland geräuchert). Für viele ist aber auch österreichischer Whisky noch unbekannt. Für Kenner: Irischer Whiskey bringt aktuell eine Fülle neuer Fasshölzer – von Kirsche über Akazie und Kastanie bis zur japanischen Mizunara-Eiche – mit.

Wodka: Die Zeiten des neutralen Cocktail-Treibstoffs sind vorbei. Man darf das Ausgangsmate-
rial – Kartoffeln oder Getreide – durchaus schmecken. Ergebnis sind die ersten „Terroir“-Abfüllungen.

Spirituosen im ­Restaurant

Alternative Hits: „The Road to Negroni“ heißt im Innsbrucker „Adler’s Hotel“ die Karte rund um den italienischen Klassiker. „The next Aperol Spritz“ nannte die Baseler „Trois Rois“-Bar ihre Sommerkarte. Bekannte Top-Seller werden dabei aromatisch mit weniger bekannten Zutaten – etwa mit Tiroler Edelbrand von Markus Basset im „Adler’s“ – erweitert.

Boozy Brunch: Es muss nicht unbedingt immer Champagner sein, der unlimitiert zum Brunch fließt. Mit einer beschränkten Anzahl an Cocktails lässt sich erstens Gusto auf neue Kreationen machen und zweitens etwaige Übermengen abbauen. Neben „Bloody Mary“ ein Klassiker zur Brunch-Stunde: Tequila-Drinks wie „Frozen Strawberry Margarita“.

Themenwelt: Wird ein kulinarischer Schwerpunkt aufgeboten, dann passen in vielen Ländern Spirituosen (Aquavit zu nordischen Buffets, Irish Whiskey am „St. Patrick’s Day“) oder Cocktails dazu. Vor allem in Ländern ohne Weinkultur ist das eine gute Alternative.

Food-Pairing: Verkostungen müssen nicht zwangsläufig eine Sache der Bar sein. Alle gelagerten Spirituosen lassen sich z. B. mit Schokolade kombinieren. In Erinnerung bleiben aber auch „Pairings“ von Whisky und Käse, Rum und Zigarren (nur mehr „outdoor“ möglich), aber auch Brotsorten und Wodka.

Landkarte: Statt 30 Rums oder Whiskys unkommentiert zu listen, empfiehlt sich die Ordnung nach dem wesentlichen Geschmacksprofil (leicht, fruchtig, rauchig, etc.). Das geht verbal oder mit einer Geschmackslandkarte („flavor map“), auf der man auf einen Blick die Produkte in einem Koordinatensystem sieht. So weiß der Gast, was ihm auch noch schmecken könnte.