Spröde Agave, weltweit geliebt

15.03.2018

Von: Roland Graf
In der globalisierten „Schnapswelt“ stellen Tequila und Mezcal Unikate dar: Nur Mexiko kann sie erzeugen, der Aufwand ist groß – und der Geschmack straft „Hirnpreller“-Klischees Lügen.
Mexikanische Farmer bei der Agavenernte
Mexikanische Farmer bei der Agavenernte

Viele hielten es für einen „Prominenten-Aufschlag“, als Hollywood-Star George Clooney und Rande Gerber ihre Tequila-Marke „Casamigos“ um eine knappe Milliarde Dollar verkaufen konnten. In Wahrheit spiegelt diese Wirtschaftsmeldung wider, wie wichtig Tequila geworden ist. Denn im Gegensatz zu Wodka, Whisky oder Gin, der von der Steiermark bis Tasmanien gebrannt werden kann, gibt es genau einen mexikanischen Bundesstaat, der den „echten“ Tequila – geschützt durch Herkunftsbezeichnung (Denominación de Origen) – destillieren darf: Jalisco. „100 % Agave“ am Etikett weist darauf hin, dass der gesamte Alkohol aus der Destillation der Agave tequilana stammt, auch als Blaue-Weber-Agave bekannt (nach dem Militärarzt und Botaniker Frédéric Weber im Stab des Habsburger-Kaisers Maximilian). Der für viele mit Kopfschmerzen konnotierte erste Tequila-Rausch verdankte sich mit großer Wahrscheinlichkeit aber keinem „Puro Agave“-Brand. Den Großteil des Weltmarktes stellen die „Mixtos“ dar, bei denen bis zu 49 % des vergärbaren Zuckers aus anderen, nicht immer hochwertigen Alkoholquellen stammen. 

Späte Agaven-Blüte 

Mindestens acht Jahre dauert es, bis zur ersten Knospe – und dann blüht die Agave nur einmal. Den „Stärkerucksack“ dieser Blüte bildet das Agavenherz, seiner Form nach „Ananas“ (Piña) genannt: Ausgangsprodukt für Tequila und Mezcal. Die lange Wartezeit auf die einzige Ernte führt zur Rohstoffknappheit, denn in den letzten Jahren trifft der Agaven-Brand einen Konsumentennerv. Vor allem der Mezcal mit seinen teils noch per Esel betriebenen Piña-Mühlen und Röst-Öfen für die „Herzen“ symbolisiert Ursprünglichkeit. Aromatisch in einer Bandbreite zwischen fruchtsüß und extrem rauchig, wird der als „Hipster-Schnaps“ bezeichnete Mexikaner vor allem in Bars als vielseitige Spirituose gefeiert: Freunde würziger Gins finden hier ebenso ihren Drink wie eingefleischte Fans rauchiger Single Malts. Eigentlich ist er die Mutter aller Tequilas, die sich nur durch die Einschränkung auf eine Agaven-Art (für Mezcal dürfen es z. B. auch Tobalá oder Espadin sein) und das Destillationsgebiet Jalisco unterscheiden. Allerdings auch durch die weit geringere Menge des Mezcal, der teils aus raren, wildwachsenden Agaven gewonnen wird. 
Der Höhenflug der Agaven-Destillate begann wie viele Bartrends in New York. Spezialisierte Bars und Restaurants wie das „Leyenda“ von Julie Reiner oder das aufgrund Mietstreitigkeiten heuer leider geschlossene „Mayahuel“ demonstrierten die Mixability der mexikanischen Brände. 
Ansprechpartner für viele europäische Agavenfans wurde die „Mezcaleria“ von Axel Huhn und Nils Dallmann, die als ehemalige Entwicklungshelfer in Mexiko seit über einem Jahrzehnt handwerklich hergestellte Einzelstücke importieren. Mit dem neuen „Clandestino“ am Wiener Stubenring, das Daniel Schober im Keller des südamerikanischen Hotspots „Mercado“ führt, hat nun auch die Hauptstadt ihren Agaven-Tempel.