Strategien gegen No-Shows

Gastronomie
02.06.2021

Von: Andreas Lorenz-Meyer
Die Tischreservierungen in der Gastronomie nehmen in Zeiten der Pandemie zu. Doch was tun, wenn die Gäste dann doch nicht kommen?
Hotellerie- und Gastronomieberaterin Alexandra Truppe

Endlich! Seit 19. Mai dürfen die Gäste wieder in den Innenräumen der Restaurants speisen, sofern sie geimpft, genesen oder getestet sind. Vier Erwachsene plus Kinder an einem Tisch sind erlaubt. Viele Gastronomen empfehlen ihren Gästen derzeit eine Tischre­servierung, wie die Gastroberaterin Alexandra Truppe beobachtet. Das habe zwei Gründe: „Zum einen können sie so die Vorbereitungen in Küche und Service leichter planen. Zum anderen lässt sich die Gästeregistrierung bereits vor Ankunft erledigen.“ Fragt sich nur, wie die Betriebe gegen No-Shows gewappnet sind? Bleiben Gäste ohne Absage fern, ist das ja nicht nur ein Ärgernis, sondern auch die Ursache für Umsatzverluste. Und die schmerzen gerade jetzt, in der Übergangsphase, besonders. 

Gebucht und nicht ­erschienen

Gerade seit der Öffnung beklagen sich viele Gastronomen, dass Gäste vorsichtshalber buchen, dann aber nicht oder nicht in der gebuchten Anzahl erscheinen. Wie groß ist das Problem, und wie soll man damit am besten umgehen? 
No-Shows passieren bei ihr momentan nicht öfter als vor der Pandemie, beobachtet Annemarie Gauster, Geschäftsführerin des Grazer Restaurants Dreizehn by Gauster. Das hat auch einen Grund. Für solche Fälle werden bei ihrem Reservierungsvorgang die Kreditkartendaten verlangt – allerdings nicht immer. Das Online-Reservierungstool Seatris ist aktuell so eingestellt, dass die Daten erst bei Reservierungen ab fünf Personen anzugeben sind, und das auch nur am Abend. „Wir verrechnen dann bei Nichterscheinen eine No-Show-Gebühr von 20 Euro pro Gast, nachdem wir die Kreditkartendaten vom Tool übermittelt bekommen haben. Diese sehen wir sonst nur verschlüsselt wegen des Datenschutzes.“ Es kam aber erst zwei- oder dreimal wirklich zur Verrechnung. Das Restaurant sah dann auch kulanterweise von einer Gebühr ab, da sich die Tische wiederbesetzen ließen. Würden sich No-Shows jetzt plötzlich häufen, wüsste Gauster allerdings sofort zu reagieren. „Dann verlangen wir die Kreditkartendaten schon bei kleineren Tischre­servierungen, etwa ab zwei Personen, zur Verrechnung.“ In diesem Fall müsste Gauster die Änderung an den Seatris-Support weitergeben, der das dann innerhalb weniger Stunden neu einstellt. 

Welcher wirtschaftliche Schaden entsteht, hängt stark von der Uhrzeit ab. „No-Shows zur Mittagszeit oder am frühen Abend bedeuten meist keinen Umsatzverlust, da wir diese Plätze oft an Laufkundschaft weitervererben“, so Gauster. Frei gebliebene Tische ab 19.30 Uhr und später lassen sich aber oft nicht mehr besetzen. „Dann haben wir einen Verlust von 30 bis 50 Euro pro Gast im Ganztagesschnitt. Abends eher 50 Euro.“ Solche No-Shows mit Umsatzverlust gibt es ein oder zweimal im Monat. Gauster konfrontiert die Gäste direkt mit ihrem Verhalten: „Wir rufen die No-Shows an und erklären den wirtschaftlichen Verlust durch solch rücksichtsloses Verhalten. Damit so etwas hoffentlich nicht mehr passiert.“ Meist antworten die Gäste, dass sie vergessen hätten zu stornieren oder dass etwas dazwischengekommen sei. Manche entschuldigen sich, andere sehen ihr Fehlverhalten nicht ein. Manchmal schickt Gauster auch eine E-Mail, darauf gab es noch nie eine Antwort.  

100 Euro No-Show-Gebühr

Im Restaurant Döllerer in Golling hat sich die Situation durch Corona zwar verändert, das betrifft aber nur Stornierungen. Gäste mit Reservierung sagen öfters ab. „Wir haben die Stornofrist bis 15. Juli auf 48 Stunden vor Anreise verkürzt“, erklärt Christl Döllerer. „Einige Gäste nutzen diesen Vorteil, etwa um schlechtem Wetter aus dem Weg zu gehen.“ Jedoch halten sich die Stornos in Grenzen. Es gibt zudem eine Warteliste, auf die sich zurückgreifen lässt. „Da aktuell sehr viele Gäste kurzfristig anfragen, haben wir keine Umsatzverluste.“ Von No-Shows ist das Restaurant fast gar nicht betroffen. Dennoch wurden Vorkehrungen getroffen: Gäste, die online reservieren und kein Zimmer haben, müssen ihre Kreditkartennummer hinterlegen und sich mit 100 Euro No-Show-Gebühr pro Person einverstanden erklären. Diesen Fall gab es bisher jedoch nie. Bei Gästen mit Zimmer wird es so gehandhabt: „Wir verrechnen da immer eine Anzahlung und nehmen für die Tischreservierung dann die Kreditkartennummer. Falls jemand kurzfristig absagen muss, sind wir sehr kulant und stellen meist für den Anzahlungsbetrag einen Gutschein aus. Mit dem kann der Gast uns ein andermal besuchen – und wir müssen kein Geld zurücküberweisen.“

Lästig, aber gehört dazu

Manche Restaurants kommen ganz ohne Gebühren aus. In den Betrieben der Soulkitchen-Gruppe müssen Gäste ihre Kreditkartendaten beim Reservieren nicht angeben und bei Nichterscheinen nichts zahlen. Soulkitchen-Gründer und -Inhaber Heiner Raschhofer sieht das Thema gelassen: „Manchmal kommt es vor, dass eine Gruppe mit weniger Personen als angekündigt erscheint – das ist dann schon etwas lästig. Aber insgesamt haben wir eine geringe Zahl No-Shows.“ Umsatzverluste, die wehtun, gibt es nur bei große Gruppen. „Eine 20er-Reservierung ist schwer aufzufüllen.“ Aber solche No-Shows gibt es selten, was auch daran liegt, dass der Besuch großer Gruppen eine längere Planung braucht. „Wir stehen im Vorfeld in intensivem Kontakt mit den Gästen.“ Was auch eine gewisse Absicherung gegen No-Shows bedeutet: Gäste müssen beim Reservieren ihre Telefonnummer hinterlegen. „Das ist ein psychologischer Moment, der Verbindlichkeit schafft“, so Raschhofer. Einen positiven Effekt hätten zudem die Online-Reservierungen selbst, deren Anteil zugenommen hat. „Die Gäste müssen da einiges an Daten angeben – auch dadurch wird die Reservierung verbindlicher.“ Ein Vorteil ist die Größe der Soulkitchen-Lokale. „Da können wir flexibel auf jede Situation reagieren und intern umschichten.“ Erscheinen Gäste mit reserviertem Tisch nicht und rufen auch nicht an, dass sie später kommen, wird ihr Tisch nach 15 oder 20 Minuten an Walk-ins vergeben. Erscheinen die Gäste mit der Reservierung dann doch noch, entschuldigt sich das Personal und erklärt die Situation. Es findet sich meist sofort ein Ersatztisch, denn ein bestimmter Prozentsatz der Tische wird immer für Walk-ins freigehalten. Corona hat gefühlt keine Änderungen beim Thema No-Shows gebracht, meint Raschhofer. Wenn überhaupt, sorgen die jetzigen Öffnungen dafür, dass Gäste Reservierungen noch disziplinierter wahrnehmen. „Die Leute freuen sich, wieder Essen gehen zu können.“ 

Tipps der Expertin Alexandra Truppe

Die österreichische Hotellerie- und Gastronomieberaterin Alexandra Truppe unterstützt Betriebe bei der Um- oder Neupositionierung, in Sachen Finanzierung, Businessplan sowie Erfolgscontrolling. Im Interview erklärt sie, warum Ticketing als Maßnahme gegen No-Shows oft nicht infrage kommt. 

Wie sollten Restaurants am besten mit No-Shows umgehen? 
Alexandra Truppe: Ich empfehle einen allgemeinen Hinweis bei der Online-Reservierung. Zusätzlich sollten Betriebe ihre Gäste am Tag der Reservierung kontaktieren, um die Reservierung nochmals zu bestätigen – das macht den Gästen die Verbindlichkeit der Reservierung klar. Dieses Vorgehen bedeutet zwar einen gewissen organisatorischen und zeitlichen Mehraufwand. Aber besonders bei größeren Tischreservierungen sollten Gastronomen es so machen – andernfalls bleiben sie auf erheblichen Kosten sitzen. 

Was muss das Reservierungstool in Bezug auf No-Shows mitbringen?
Die Reservierungserinnerung per E-Mail oder SMS ist sehr hilfreich und nimmt den Betrieben organisatorischen und zeitlichen Mehraufwand ab. Parallel dazu helfen Reservierungssysteme über ihre Analysefunktionen festzustellen, wann genau es vermehrt zu nicht wahrgenommenen Reservierungen kommt. Als Maßnahme könnten die Betriebe an den besagten Tagen mehr Reservierungen annehmen.

Ist Ticketing eine gute Idee? Wenn ja, für welche Art Betriebe?
Ticketing sehe ich als probates Mittel im Veranstaltungsbereich, aber auch für Gastronomiebetriebe. Es erleichtert die administrative Abwicklung und hilft bei der Zutrittsorganisation. Im klassischen Gastronomiebetrieb mit À-la-carte- Bereich scheint mir dieses Mittel aber weit über das Ziel hinauszuschießen. 

Nehmen No-Show-Fees zu? 
Gastronomen üben ihren Beruf nicht aus, um reich zu werden. Sie sind Gastgeber aus Leidenschaft. Wegen dieser Leidenschaft fällt es vielen schwer, No-Show-Fees zu verrechnen. Ganz besonders dann, wenn das nicht die ganze Branche mitträgt. Die Gastronomen sorgen sich, dass Ticketing deswegen zu einem Wettbewerbsnachteil führen könnte – gerade in der jetzigen Zeit nehmen dieses Risiko wenige in Kauf.