Tourismus und Landwirtschaft: Freund oder Feind?

04.11.2021

Von: Daniel Nutz
Viel hat sich in den vergangenen Jahren in Sachen Kooperation von Landwirtschaft und Tourismus getan. ­Kulinarik wird immer wichtiger. Trotzdem ist noch einiges zu tun
Keine Streithähne. Gute, natürliche und authentische Produkte und Tourismus verschmelzen.

So ganz friktionsfrei ist das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Tourismus immer noch nicht. Das merkt man etwa am Titel eines Symposiums, das der Club Tourismus iAm Oktober in Wien abhielt. „Tourismus & Landwirtschaft – eine Symbiose oder Widersacher“, lautete der Titel. Dabei liegt die Antwort auf die Frage ja eigentlich faktisch vor. 

Urlaub am Bauernhof

Dass die positiven Effekte, die Tourismus und Landwirtschaft füreinander bieten, die negativen überwiegen, wird beispielsweise in einer Studie des Europäischen Instituts für Regionalentwicklung (Eurac) ausgewiesen. Peter Laimer von der Statistik Austria zeigt das am Beispiel Urlaub am Bauernhof. Das Projekt gibt es nunmehr seit 30 Jahren. Heute bietet Urlaub am Bauernhof die größte touristische Angebotsgruppe Österreichs. 

Ein aufstrebender Zweig ist daneben die Kulinarik. Leo Bauernberger von SalzburgerLand Tourismus streicht die Bedeutung für seine Region eindeutig hervor. „Natur ist zum Haupturlaubsmotiv geworden“, sagt Bauernberger. Er unterstreicht die touristische Bedeutung von bewirtschafteten Almen. „Sie ermöglichen erst touristische Natur­erlebnisse.“ Das Salzburger Land ist zweifelsfrei einer der Vorreiter in Sachen inszenierter Kulinarik. Der Bauernherbst, der Almsommer oder die Via Culinaria sind bekannte Initiativen. Die gibt es natürlich auch in anderen Bundesländern. Und hier profitieren sowohl Hersteller als auch die Gastronomie und Beherbergung, wie etwa das Steirische Vulkanland zeigt, wo von Schinken über Schokolade bis zur Whiskey-Destillerie bereits museal inszeniert wird. Für viele steirische Betriebe, insbesondere für die Direktvermarkter, sind authentische Produkte zu einem wichtigen betrieblichen Standbein bis hin zum Haupterwerb geworden. Die Kulinarik gewinnt touristisch in Österreich an Bedeutung. Das ist gut und wichtig, weil letztlich durch Qualitätsprodukte mit Geschichten dahinter auch bessere Preise durchsetzbar werden. 

Kulinarische Erlebniswelten

Klaus-Peter Fritz, seines Zeichens Tourismusforscher mit Gastronomie-Schwerpunkt an der FH Wien, sieht das ganze Thema Food-Experience als touristisches Zugpferd der Zukunft. Was meint er damit? Er sieht eine dringende Notwendigkeit in der Verknüpfung des Destina­tionserlebnisses mit dem kulinarischen Erlebnis. Die Geschichte des Produzenten und der Geschmack des Produktes führen gemeinsam mit den Bildern der Landschaft und den Menschen vor Ort zu einer einmaligen Erinnerung. Eines der besten Beispiele des Landes: die Schokoladenmanufaktur samt Museum und Tierpark von Josef Zotter in der Südoststeiermark. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse müssen also mehr Teil der gesamten Customer-Experience werden. 

Motivierte Mitarbeiter

Wichtig! Letztlich zahlt das auch nach innen ein, wie Klaus-Peter Fritz betont. Betriebe, die ein nachhaltiges Wirtschaften authentisch rüberbringen, kommen nicht nur bei den Gästen besser an, sie haben auch die motivierteren Mitarbeiter.

Alles gut? Noch nicht ganz. Geschätzt gibt es in ganz Österreich rund 300 kulinarische Initiativen. Diese bestmöglich vernetzen will das Netzwerk Kulinarik. Der Fokus liegt auf Qualitäts- und Herkunftssicherung. Manufakturen, Erzeuger, aber auch die Gastronomie können sich im Rahmen der AMA-Genussregionen zertifizieren lassen. Das alles sind kleine Schritte in Richtung eines großen Ziels. Ganze neunmal kommt Landwirtschaft im Masterplan Tourismus vor. Laut Landwirtschaftsministerium soll Österreich die Kulinarik-Destination Nummer eins der Welt (!) werden. Nach Regionen in Italien oder Frankreich muss man sich wohl noch strecken – der Abstand wurde aber in den vergangenen Jahren durchaus geringer.