Tourismusbranche: 2023 droht die Pleitewelle

07.10.2021

Von: Daniel Nutz
Dank staatlicher Hilfen sind Beherbergungsbetriebe und Gaststätten gut durch die Krise gekommen. Die Insolvenzen kommen vermutlich erst 2023. Die schwache Eigenkapitaldecke bleibt das Hauptproblem der ganzen Branche.
Ein zu viel an Schulden (englisch: debt) bedroht Gastronomie und Hotellerie.
Ein zu viel an Schulden (englisch: debt) bedroht Gastronomie und Hotellerie.
Die Daten der KMU-Forschung zeigen wirtschaftliche Kennzahlen vor der Krise.

Es war eine harte Zäsur, die Hotellerie und Gastronomie seit Ausbruch der Pandemie erfahren haben. Klar. Und auch der Ausblick ist neblig, weil sie keine Prognosen zulassen, sondern heuer nur in Szenarien (was wäre, wenn…) gedacht werden können.

Die größten Problemfelder sind derzeit zweifellos Umsatzrückgänge, Rückgänge in der Beschäftigung und der Arbeitskräftemangel. Dabei ergeben sich einige Paradoxe. Bekanntlich ging die Zahl der Insolvenzen in der Gastronomie und Beherbergung in den Pandemie-Jahren zurück. Der Grund ist längst bekannt: Der Staat hat über Hilfsmaßnahmen eingegriffen und so die Betriebe liquide und manche am Leben gehalten. Dabei war von Anfang an klar, dass schnelle Hilfe das Ziel sein muss und nicht möglichst hohe Treffsicherheit. Das führte zur schwer vermeidbaren Konsequenz, dass manche Betriebe sehr stark von den öffentlichen Zuwendungen profitierten. Laut Florian Zellmann von der Tourismusbank ÖHT könne man aber nicht von einer Überförderung sprechen: „Es stimmt, dass Österreich im Ländervergleich der EU sehr stark förderte, aber von einem Zuviel können wir nicht reden.“

Neue Tourismusförderung

Sein Unternehmen, die ÖHT, steht jedenfalls vor der Herausforderung, dass unbedingt neue Mittel hermüssen. Derzeit beträgt das Budget nur 19,23 Millionen Euro pro Jahr. Damit werden immerhin Investitionen von rund 720 Millio­nen Euro angestoßen. Für die im kommenden Jahr angedachte neue Tourismusförderung braucht es jedenfalls mehr Mittel, um die Herausforderungen einer ökosozialen Wende auch mit Energie zu versetzen. Nur ein Beispiel: 70 Prozent der heimischen Hotels heizen derzeit noch mit Öl. Hier braucht es dringend Anreize für einen Umstieg. 

Doch zurück zum Jetzt. Wie die KMU Forschung Austria aus ihrer Bilanzdatenbank hochrechnet, haben sich betriebswirtschaftliche Indikatoren wie die Eigenkapitalquote, Bankverschuldung oder Umsatzrendite im Zeitraum vor der Pandemie, von teils schlechtem Niveau ausgehend, verbessert (siehe Tabelle). Allerdings lassen sich derzeit noch keine seriösen Hochrechnungen der Bilanzen auf das Jahr 2020 anstellen. Was sich allerdings aus den vorhandenen Daten zeigt, ist ein relativ hoher Anteil der überschuldeten Unternehmen. In der Gastronomie sind das in etwa 20 Prozent und in der Beherbergung etwa 14 Prozent.   

Umsatz vor Pandemie

Interessant ist ein Blick auf die Break-even-Umsätze, also jene Umsätze, die erreicht werden müssen, um gewinnbringend zu sein. Der Mittelwert der Beherbergung und Gastronomie liegt bei 81 Prozent des Umsatzes von 2019 – also der Vor-Corona-Umsätze. Die schwächsten 25 Prozent der Unternehmen brauchen aber schon 90 Prozent des Umsatzes, um in die Gewinnzone zu kommen. Ein Viertel ist also unter Druck. 

Wolfgang Ziniel von der KMU ­Forschung bringt diese Entwicklung auf den Punkt. „Die Branche ist breiter geworden. Die Guten stehen besser da, aber den ertrags- und bilanzschwachen Unternehmen geht es noch schlechter.“ Mit einer Insolvenzwelle rechnet Ziniel ab dem Jahr 2023. Da könne es für bis zu 15 Prozent der Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe knapp werden. 

Ein Thema zur grundsätzlichen Absicherung des Standortes ist seit eh und je die Erhöhung der Eigenkapitalquote. Im Vier-Sterne-Hotelbereich liegt diese laut ÖHT bei 14 Prozent. Niedrige Eigenkapitalquoten im Tourismussektor sind allerdings auch kein österreichisches Spezifikum, sondern die gibt es auch in anderen Ländern. Hier wird es darum gehen, neue Wege (etwa über stille Beteiligungen) zu finden. Das ganze Thema Crowdinvesting sei in der Branche noch kaum angekommen, dabei wäre der Tourismus eigentlich prädestiniert dafür.