Verkostung: Sag nie ­„Kaktus-Schnaps“!

12.03.2020

Von: Roland Graf
Ungewöhnlich im globalen Spirituosen-Markt: Die Qualität bei den ­Agaven-Bränden steigt. Tequila und Mezcal füllen nun die Cocktailgläser

Glaubt man den Erzählungen, dann hat wohl jeder in seiner Jugend Lehrgeld bei der in Filmen so cool bestellten Mexiko-Spirituose gezahlt. Diesem Klischee widerspricht die Wiener Bar-Legende Heinz Kaiser („Dino’s Apothecary Bar“), indem er es zurechtrückt: „Es gibt keine schlechten Erfahrungen mit Tequila, sondern nur Erfahrungen mit schlechtem Tequila.“ Und diesbezüglich hat sich in den letzten Jahren eine Trendwende ergeben, die fernab vom einzigen Erzeugerland Mexiko noch zu wenig beachtet wurde: Tequila ist quasi „sauberer“ geworden. Denn generell entscheidet bei der Produktion der Anteil an Agave über die Bezeichnung. Nur bei einem „puro Agave“ oder „100 % Agave“ kann man sich sicher sein, dass nichts beigemengt wurde. Denn bei einem „Mixto“ wird unter anderem auch Zucker anderer Pflanzen genutzt. 
Die wenig schmeichelhafte Bezeichnung für diese bis zu 49 % Maische aus Mais oder Zuckerrohr beinhaltende Gruppe lautet „Agavodka“, denn der billige Stärkeanteil sorgt natürlich für recht neutrale Destillate. Lange prägten diese gemischten Brände das Image der Spirituose, noch 2000 betrug das Verhältnis der 100 %-Agaven-Tequilas zu den „mixtos“ 1:7. Im Vorjahr hingegen lag man bei den knapp 300 Millionen Litern Jahresproduktion bei einem Verhältnis von 3:2 – für die hochwertigeren Brände. 

Mezcal als Hüter des Echten

Die Nachfrage in den USA, mit 200 Millionen Litern bei weitem der größte Konsument, hat diese Entwicklung eingeleitet. Vorbild war auch der „wilde“ Cousin des Tequila, der Mezcal, der eigentlich seine Mutter ist.
Denn ursprünglich hießen alle Agavenbrände Mezcal, ehe sich in der Stadt Tequila und dem Bundesstaat Jalisco die Bezeichnung Tequila durchsetzte. Schon damals war der Export in die USA schuld, denn hier erfuhr die Spirituose ihren ersten Boom, der ein paar Jahrzehnte später in der „Frozen Margarita“ und dem „Tequila Sunrise“ gipfelte. Auch wenn die traditionellste Mez-
cal-Herstellung („ancestral“), bei der Agaven mit Steinmühlen zerkleinert und in Tonöfen gekocht werden, ein Minderheitenprogramm ist, prägte sie die Vorstellungen der US-Tequila-Investoren, deren bekanntester George Clooney ist. 
Geht es hingegen nach dem Pro-Kopf-Verbrauch an Tequila in Österreich, gibt es beliebtere Spirituosen.

Austro-Durst auf Reifes

Doch es geht im Falle des Agaven-Destillats um die Details. Von den 62.639 Litern Tequila, die sich die Alpenrepublik schmecken ließ, sind die gelagerten Qualitäten Añejo (14,7 %) und Reposado 
(26,22 %) mittlerweile dem ungelagerten „Blanco“ dicht auf den Fersen. Übersetzt aus dem mexikanischen Schnaps-Alphabet bedeutet das. Alles unter acht Wochen Lagerung (in diesem Fall meist im Edelstahltank) wäre Blanco Tequila. Die vorgeschriebene Mindestlagerung in Eichenfässern prägt hingegen die Qualitäten Reposado (Reife bis maximal ein Jahr), Añejo (zwischen einem und drei Jahre) und den relativ neuen Extra Añejo (seit 2006 für Tequilas über drei Jahre Fassreife).  
International zieht der Trend zur Agave bereits andere Getränkekategorien mit. Soeben hat die Berliner Tonic-Schmiede Thomas Henry ihr neues „Pink Grapefruit“ vorgestellt. Es soll als moderne Variante der „Paloma“ mit Limettensaft und Reposado Tequila im Sommer erfrischen. Bereits 2018 hat sich die Partnerschaft von Pa-
trón-Tequila und der britischen Marke „Fevertree“ ergeben – das „Citrus Tonic Water“ sollte explizit zum Silver Tequila der zu Bacardi gehörenden Agavenbrenner passen. Denn nicht wenige sehen im Tequila-Highball das nächste Trendgetränk nach Gin&Tonic.

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