Was ist Ihnen Ihr Gast wert?
Das Stammgastpotenzial ist von ganz besonderer Bedeutung – das sollte auch jeder Mitarbeiter wissen, meint Hildegard Dorn-Petersen
Konjunkturelle Veränderungen, hybrides Verbraucherverhalten, politische Ereignisse und sogar Revolutionen, die alle Lebensbereiche und damit auch den Tourismus treffen, schaffen eine Situation, in der Marketing mehr bedeutet, als schöne Worte und schöne Bilder zu erfinden.
Kapital eines Betriebes
Ob Ski- oder Faschingsferien, viele Häuser erfreuen sich in dieser Zeit einer hohen Nachfrage von Stammgästen, die direkt, und manchmal auch schon direkt bei Abreise im Vorjahr, gebucht haben. Viele Gastgeber wissen gar nicht, welch kostbares Gut sie in Händen halten. Sie sollten es hegen und pflegen! Denn es kostet fünf- bis siebenmal mehr, neue Kunden zu akquirieren als bestehende zu halten. Darüber hinaus verfügen treue Gäste über die Zauberkraft, durch Mund-zu-Mund-Propaganda und Weiterempfehlungen problemlos und ohne hohe Marketingausgaben neue (Stamm)Gäste zu liefern.
Gerade in unserer schnelllebigen und immer mehr digitalisierten Welt schätzen es die Kunden, wenn Sie als Person und als Mensch ganz individuell wahrgenommen werden. Gab es im letzten Jahr etwas besonderes, etwa Familienzuwachs? Der Opa wird sich freuen, wenn wir gleich danach fragen. Oder ein schmerzender Rücken, den unser Masseur so gut auf die Reihe bekam? Die Frage nach dem Wohlergehen ist schon recht gut. Ein persönliches Kärtchen des Mitarbeiters mit der Mitteilung, dass er die nächsten Tage im Dienst ist und morgen noch einen Termin frei hätte, ist perfekt. Da braucht es keinen Champagner zur Begrüßung, da prickelt schon die Freude, einfach wieder da zu sein. In einer solchen Hochstimmung übersieht der Gast auch großzügig kleine Dinge, die mal schiefgehen. Ganz gleich, wer was verbockt hat: Schulen Sie Ihre Mitarbeiter, zuzuhören! Keine Rechtfertigung, keine Erklärung, aber aufmerksam zuhören und für die Meinungsäußerung bedanken. Wird dann das Gehörte nicht unter den Teppich gekehrt, sondern intern kommuniziert, gibt es die große Chance, den Gast zusätzlich zu überraschen.
Zukunftsorientiert, beständig
„Wer die Konsumenten ernst nimmt, wird nicht mehr an ihnen vorbeiproduzieren, wird Unzufriedenheiten schneller aufspüren und beseitigen können, wird sein Angebot effizienter optimieren können. Sinnlose und unausgereifte Neuerungen verkommen zur Ausnahme.“ Das sagt David Bosshart, Schweizer Konsumforscher und Leiter des Gottlieb-Duttweiler-Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft (GDI), Zürich. Veränderungen sind notwendig, denn Sie wollen sich ja schließlich dynamisch entwickeln und nicht stehen bleiben. Doch manchmal kann es gar nicht schaden, das „Neu machen“ sorgfältig abzuwägen – nicht alleine, im stillen Kämmerchen, sondern gemeinsam im Team. Warum nicht auch mal gemeinsam mit den Gästen in einer Kaminrunde?
Selbstverständlich kocht Ihre Küche frisch und saisonal. Doch aufgepasst: Stammgäste haben oft Ihre Leibspeise. Gerade, wenn es um Klassiker wie Tafelspitz oder Kaiserschmarrn geht, freuen sie sich oft schon 600 km lang auf ihren Favoriten. Da wäre es doch schade, ihn zu enttäuschen. Die Lösung reicht von einer Stammgastkarte“ bis hin zu einer festen Seite im à la carte mit einigen wirklichen Spezialitäten des Hauses. Dabei braucht es gar nicht viel Chichi. Ich erinnere mich noch an die frisch gemachten, herrlichen Kasnocken beim Hauserbauern hoch über Dorfgastein.
Der Chef hat schon als TV-Koch aufgekocht, stand aber werktags mittags selbst am Herd und bereitete eines seiner Traditionsgerichte zu. Stammgäste kommen in großer Zahl, die Weiterempfehlungsquote bei Holiday Check liegt bei 100 %.
Gäste wiedergewinnen
Stammgäste kann man übrigens auch wieder zurückgewinnen. Bleiben Sie aus, gibt es in einigen Fällen einen triftigen Grund. Die wenigsten Gäste, die nicht wieder kommen, bleiben nicht zu Hause. Sie suchen sich nur einfach ein anderes Reiseziel, manchmal auch einen anderen Gastgeber. Das Ausbleiben signalisiert: „Beim letzten Mal war ich nicht so ganz zufrieden wie sonst.“ Wie damit umgehen? Zunächst einmal rate ich: Pflegen Sie Ihre Statistik und Ihre Gasthistorie! Nichts ist schlimmer, als wenn Sie gar nicht merken, dass der Gast nicht zur üblichen Zeit gebucht hat. Er wird sich denken: „Ich werde überhaupt nicht vermisst“, und ist erst recht verschnupft. Da hilft dann auch keine Grußkarte zu Weihnachten. Zeigen Sie echte Gastgebermentalität und rufen Sie ihn doch einfach an! Wenn Sie ihn offen fragen und ihm aufmerksam zuhören, haben Sie eine neue Chance. Sollten Sie übrigens Ihr Restaurant gerade umgestalten und den Stammtisch verschieben wollen, überlegen Sie gut. Ich erinnere mich an die Erzählung einer alten Wirtin, die in ihrer Gaststube alles neu gemacht hat. Da musste der Stammtisch nach dem Willen des Innenarchitekten aus dem Weg und um die Ecke rücken.
Plötzlich wolle niemand mehr dort sitzen. Solche Stammtische stehen oft auf unsichtbaren Kraftplätzen, und sie haben magische Kräfte: Sie ziehen Stammgäste immer wieder an.
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