Wem gehört der Tourismus?

Tourismus
03.10.2019

 
Ein Blick hinter die Kulissen von zwei benachbarten Osttiroler Gemeinden zeigt auf, wie unterschiedlich sich die Besitzerstruktur im Tourismus entwickeln kann.  
Das Panorama von Sillian.

Die beiden Osttiroler Orte liegen nahe an der italienischen Staatsgrenze und nahe am Südtiroler Tourismus-Hotspot „Drei Zinnen“. Während das einstige Bergbauerndorf Obertilliach die touristische Entwicklung aus eigener Kraft stemmte, waren im nur knapp 20 Kilometer entfernten Sillian vorwiegend auswärtige Investoren am Werk.

Externe Investoren in Sillian

Die Marktgemeinde Sillian im Osttiroler Pustertal erlebte nach den goldenen 1970er-Jahren mit dem Bau des Thurntaler Liftes ihren zweiten touristischen Frühling. Gleichzeitig wurden mit der Eröffnung des Feriendorfs Heinfels und des Hotels Weitlanbrunn 300 neue Gästebetten geschaffen. 1993 folgte der Bau des Sporthotels Sillian und 2008 dessen Erweiterung auf 250 Betten.

Die Investoren stammen alle von außerhalb: Lift und Sporthotel wurden von der Zillertaler Schultz-Gruppe errichtet, das Feriendorf von einem Südtiroler und das Hotel Weitlanbrunn von einer Investorengruppe, mittlerweile befindet es sich in italienischer Hand. Die beiden größeren alteingesessenen einheimischen Hotels, der Schwarze Adler und die Post, mussten mangels Nachfolger von ihren Besitzern verkauft werden. Die Post steht schon seit Jahren leer, und der Schwarze Adler ist nun auch in auswärtiger Hand. Er wurde von einem Südtiroler gekauft und wird als Budget-Jugendhotel geführt. 
In Sillian gibt es lediglich eine Handvoll einheimischer Tourismusunternehmer und diese betreiben kleinere Hotels in der Größenordnung um die 30 Betten. Eine davon ist die ehemalige Obfrau des Tourismusverbandes, Michaela Strieder. Ihre Familie hat 2004 eine Million Euro investiert, um aus der Frühstückspension das heutige Hotel Perfler, ein modernes und mit Preisen ausgezeichnetes Drei-Sterne Hotel der neuen Generation, zu machen. Das blieb in jüngerer Vergangenheit die einzige ortsansässige Tourismusinvestition. 

Einheimische in Obertilliach

Ganz anders schaut die Situation in Obertilliach aus. Dort gibt es mittlerweile vier große Hotels, die von ortsansässigen Unternehmerfamilien betrieben werden. Aus dem alteingesessenen Gasthof Unterwöger der Familie Lugger wurde ein Hotel mit knapp 120 Betten, wobei der historische Charakter des Stammhauses sowohl innen als auch außen erhalten werden konnte. Es wurden behutsam neue Gebäude hinzugebaut oder Nachbargebäude renoviert und dann teilweise unterirdisch miteinander verbunden. In einer ähnlichen Größe präsentiert sich das Hotel Andreas, dessen Besitzer vor 30 Jahren mit einer kleinen Frühstückspension begonnen hat. Das Hotel Auer entwickelte sich in knapp 25 Jahren von einem Privatzimmervermieter in ein 90-Betten- Hotel, und schließlich wurde 2015 von der Obertilliacher Familie Scherer das Almfamily-Hotel errichtet und vergangenes Jahr auf insgesamt 140 Betten erweitert. 

Besser an einem Strang

Obertilliach hat auch ein kleines, feines Skigebiet, das 2014 runderneuert wurde. Die Anteile an der Liftgesellschaft halten ausschließlich Obertilliacher Familien, die beim Ausbau über eine Million an Eigenmitteln aufbringen konnten. Josef Lugger kann als Mastermind der Obertilliacher Tourismusentwicklung bezeichnet werden. Er ist Geschäftsführer der Bergbahnen und Seniorchef des Hotels Unterwöger, das er vor einigen Jahren an seinen Sohn übergeben hat. „Obertilliach hat bewusst und gezielt darauf hingearbeitet, im Tourismus den passenden Zuerwerb zur bestehenden Land- und Forstwirtschaft zu schaffen“, erklärt er. Hier im Ort habe man früh erkannt, dass man sich erneuern und investieren muss: in das Angebot für die Gäste, aber auch in Sachen Wirtschaftlichkeit. Es müsse beispielsweise auch das Verhältnis Bettenanzahl und Restaurants passen. In Obertilliach gibt es zwölf Lokale, die in unterschiedlichster Ausprägung ein qualititätsvolles Angebot für Urlaubsgäste bieten. „In Obertilliach ist man sich bewusst, dass der Tourismus die einzige Möglichkeit ist, die Abwanderung zu verhindern oder zumindest einzubremsen“, sagt Lugger. Denn neben den größeren Hotels haben auch so gut wie alle Pensionen und Privatzimmervermieter kräftig in die Qualität ihrer Unterkünfte investiert.

„Dieses Zusammenhalten und An-einem-Strang-Ziehen, wie es die Obertilliacher machen, ist uns in Sillian leider fremd“, meint Hotellière Michaela Strieder. „Außerdem ist man bei uns im Ort nicht besonders tourismusfreundlich. Es gibt bei uns eben doch zu viele andere Möglichkeiten, einen Beruf zu finden, und da bleibt der Tourismus auf der Strecke.“ 

Die fehlende Umfahrung und der damit verbundene Schwerverkehr durch den Ort seien immer eine große Hemmschwelle für die Entwicklung gewesen, meint der pensionierte Sillia-ner Tourismusdirektor Josef Schneider. „Vielleicht sind die Sillianer aber auch einfach nur mit dem zufrieden, was sie gerade haben!“, meint er und zuckt mit den Schultern. 

Text: Dieter Mayr-Hassler, Osttirol