Zwischen „Agentur-Gin“ und ­Melasse-Importen

Gastronomie
20.02.2020

Von: Roland Graf
„Klare Gedanken“ macht sich das gleichnamige Schnaps-Symposium in Öhling. Zum Auftakt wurde das Handwerk des Brennens und das Schattendasein heimischer Destillate an der Bar hinterfragt.
Cocktails mit österreichischen Schnäpsen
Es wurde auch viel verkostet.

Eigentlich sei Handwerk im Spirituosen-Bereich durchaus gefragt, eröffnete Helmut Adam vom Bar-Fachmagazin „Mixology“ das erste Spirituosen-Symposion in Öhling bei Amstetten. Allerdings werde es meist lediglich als Bildquelle und Marketing-Gag missbraucht: als „Craft-Washing“.

Der Wodka-Marktführer der USA (Tito’s) schreibe selbst bei einem Output von 60 Millionen Flaschen nach wie vor „Handmade“ auf seine Etiketten. Auch die diversen „Agentur-Gins“ mit einem angeblich „gefundenem Rezept auf Omas Dachboden“ fallen in diese Kategorie. 

Habe Flasche, suche Gin!

„Immer wieder bekommen wir Anfragen, wer denn einen Gin brennen könnte – Flasche und Konzept wären schon vorhanden“, bestätigte Theo Ligthart vom Freimeister Kollektiv die Sicht der Spirituose als Investitionsobjekt. Allerdings habe gerade der Boom des Gins in den letzten Jahren beim Konsumenten das Bewusstsein für Inhaltsstoffe und Regionalität gefördert: „Denn für viele Brenner, die zutiefst betrübt waren, weil ihre Obstbrände nicht ankamen, war der Gin auch wirtschaftlich ein Rettungsanker“, so der Berliner Gründer einer Vertriebsplattform für handwerkliche Destillateure. 

Ligthart verwies vor allem auf die Schwierigkeit, „Craft“ bzw. „Handwerk“ im digitalen Zeitalter überhaupt zu definieren. „Eine Brennerei-Steuerung mittels Handy ist da für mich noch kein Widerspruch“, so Ligthart, der aber auch traditionelle Beispiele – in Ton und Kalebassen erzeugten Mezcal – aus dem Freimeister-Portfolio anführte. „Craft“ sei keine Auszeichnung, sondern eine Grundvoraussetzung, präzisierte er in Öhling, ehe es an die Verkostung der ersten Destillate ging.

Dem pflichteten die anwesenden Brenner, Barkeeper und Journalisten bei, wenngleich die Sorge hinsichtlich der neuen EU-weiten Spirituosenverordnung (sie erlaubt nach heutigem Stand bis zu 20 Gramm/Liter Zuckerzusatz in Bränden) in der Diskussion zu merken war. Vor allem, dass ehrliche Brenner ihre Erzeugnisse dabei nicht als „zuckerfrei“ kennzeichnen dürfen, stieß sauer auf. Diskussionen wie diese will der von Bio-Brenner Josef Farthofer in seinem alten Presshaus beherbergte Branchen-Treff „Klare Gedanken“ auch in den Folgejahren führen. 

Hausherr Farthofer zeigte erste Ergebnisse seiner Getreidebrände aus Sorten wie Braugerste, Nackthafer oder Weizen. Als einer der ganz wenigen Brenner baut er nicht nur die Getreide selbst an, sondern erzeugt auch das Malz für diese Austro-Whiskies selbst – ein europaweit äußerst rares Vorgehen. 

Vom Feld in die Flasche

Mehr regionale Rohstoffe für Bar-Spirituosen und nicht nur für die Obstbrände hatte zuvor der Autor dieser Zeilen, ÖGZ-Getränkefachmann Roland Graf, in seinem Tagungsbeitrag eingefordert: „Was bitte ist regional an einem Austro-Rum aus pakistanischer oder indonesischer Melasse?“ 

Neben den Schwierigkeiten des Rohstoffbezugs in kleinen Mengen („Melasse-Großhändler handeln in Containern und reservieren sicher nicht das Beste für Austro-Brenner“) stellte sich auch die Frage nach dem Klimaschutz. Doch spätestens im „Nachlauf“ des Symposions waren derlei provokante Beiträge vergessen: Lukas Werle von der Wiener Bar Bruder servierte da seine Cocktail-Kreation mit Austro-Whisky und Kirschpaprika. Nicht einmal die Einlegeflüssigkeit wurde verschwendet und landete im Rührglas. Und was soll man sagen? Dieser „Hazy Image“ war regional UND köstlich!