Serie "Local Heroes"

Die Langsamkeit ist sein Antrieb

Serie
29.03.2022

Von: Dieter Mayr-Hassler
Eckart Mandler machte einst aus einer gut gehenden Gaststätte einen Kräutergarten. Verrückt? Keineswegs! Heute will er Kärnten zur führenden Slow-Food-Destination machen.
„Ich habe gespürt, dass die Zeiten für klassische Landgasthäuser immer härter werden:“ Eckart Mandler

Von seinem Büro aus kann man durch eine große Glasfront über die Dächer von Lienz bis zu den Dolomiten blicken. Hinter dem Stehschreibtisch steht Eckart Mandler und macht das, was er seit Jahrzehnten erfolgreich tut: Er organisiert, bringt Projekte auf Schiene. Der drahtig-sportliche Mittsechziger checkt ein paar Sachen am Telefon, dann legt er den Hörer zur Seite und setzt ein Lächeln auf. Jetzt schenkt er uns seine Aufmerksamkeit.

Wer Mandler schon länger kennt, sieht vor seinem geistigen Auge noch den jungen Oberkärntner Ausflugsgastronomen, der wie vor nunmehr fast 40 Jahren hinter seiner Theke steht und Bier für seine Gäste zapft. Er war aber immer mehr als nur Gastwirt und Hotelier. Manche nennen ihn zu Recht einen Tourismuspionier. Er hat den zum Modewort gewordenen Begriff der Entschleunigung schon gelebt, als die meisten von uns darunter noch eine 70-km/h-Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Freilandstraße verstanden. Heute ist er Kärntens Slow-Food-Pionier.

Der Ursprung

Alles begann auf einem kleinen Bauernhof im Kärntner Bergdorf Irschen. Seine Eltern betrieben dort das weitum bekannte und beliebte Ausflugs-Lokal „Irschner Dachl“. In den Sommerwochenenden war dort kaum ein Platz zu ergattern. Als Mandler 1991 seinen Betrieb in das erste Natur- und Kräuterhotel umbaute und sich komplett dem Tagesgeschäft abwandte, hinterließ er nicht nur viele traurige Kaffeehaus-Stammgäste, sondern erntete auch in der Branche nur Kopfschütteln und Unverständnis. Rückblickend glaubt Mandler, dass er Schritt für Schritt in die Materie reingewachsen ist und er damals erkannt hat, dass im nachhaltigen Tourismus für die strukturschwächeren Regionen die Zukunft liegt. Dort sei die Natur das wahre Kapital, das erlebbar gemacht werden muss. „Ich war zwar damals wohl noch etwas zu früh dran, aber ich habe gespürt, dass die Zeiten für klassische Landgasthäuser immer härter werden und ohne Urlaubsgäste ein langfristiges wirtschaftliches Überleben schwierig wird“, blickt Mandler zurück.

Für seine Heimatgemeinde entwickelte er das Konzept „Kräuterdorf Irschen“, bei dem sein Naturhotel als Leitbetrieb fungierte. Das Hotel wurde 2011 zwar verkauft, aber das Kräuterdorf Irschen mit seinem Kräuterstadl und seinen Aktivitäten ist ein fester Bestandteil der heimischen Tourismusszene geworden und in quasi jedem Kärnten-Reiseführer ein Fixpunkt. Hätte sich Mandler prozentuell am PR-Wert der von ihm ausgelösten Presseveröffentlichungen zahlen lassen, wäre er heute wohl Millionär. 

 Aber sein Wirken ging weit über die Grenzen seiner Heimatgemeinde hinaus. Er war Geschäftsführer des regionalen Tourismusverbandes Outdoorpark Oberkärnten, Mitbegründer der Angebotsgruppe „Österreichs Wanderdörfer“, Mitentwickler des Österreichischen Wandergütesiegels, Ideengeber und Mitentwickler des internationalen Weitwanderweges Alpe-Adria-Trail (2010) und zahlreicher anderer Leitwanderwege und auch Gründer und Manager der internationalen Hotelkooperation Wanderhotels in Europa.

Slow Food ist eine bunte Welt aus Produzenten und kulinarischen Verarbeitern.
Slow Food ist eine bunte Welt aus Produzenten und kulinarischen Verarbeitern.  

Erste Destination weltweit

Seit 2018 ist er nun Projektleiter für Slow Food Travel in Kärnten. Die Slow-Food-Bewegung entstand bereits in den späten 1980er-Jahren im benachbarten Italien. Mit Slow Food Travel fand die Bewegung schließlich Einzug in den Tourismus. Seit 2015 hat Österreich mit dem „Köstlichsten Eck Kärntens“ im Kärntner Lesach- und Gailtal die weltweit erste Slow-Food-Travel-Destination. Dabei hat eine geschlossene Region das Thema komplett übernommen. „Es ist ebenso ein kulinarisches wie touristisches Leuchtturmprojekt“, schwärmt Mandler. Mit dem bekannten „Edelgreißler“ Herwig Ertl aus Kötschach hat die Region auch das Glück, den perfekten Netzwerker zu haben. Ertls Netzwerk an regionalen Produzenten, Lieferanten und Partnern und seine Einstellung zur kleinstrukturierten Wirtschaft boten die perfekte Grundlage für die erste Slow-Food-Travel-Destina­tion, erklärt Mandler. Es folgte die Einstimmung der gesamten Region­
auf das Thema, samt Handbuch und Leitlinien. Immerhin gilt es ja die Grundsätze der Slow-Food-Bewegung hochzuhalten, die vor allem auf regionale Lebensmittel von Bauern setzt, die nachhaltig und weitestgehend nach biologischen Vorgaben produzieren. Vereinfacht erklärt gilt die Faustregel: „Was verfügbar ist, ist auszunutzen“, für die Gastronomie umgemünzt heißt das, alles aus der Region nehmen, was da ist, den Rest darf man sich dann anderswo besorgen. Durch die nun professionelle Vernetzung der Region wird dieser „Rest“ aber von Jahr zu Jahr kleiner, freut sich Eckart Mandler.

Was sind die Ziele der Slow Food-Bewegung?

Eines der wichtigsten Ziele der Slow-Food-Bewegung ist es, bestehende Existenzen auf den Bauernhöfen zu erhalten. Hier gibt es auch neue Modelle wie „Solidarische Landwirtschaft“, bei denen die Konsumenten einen Fixbetrag an die Bauern bezahlen, egal, wie die Ernte ausfällt, und damit einen Teil des Risikos übernehmen. Oder die Landwirte bilden Produktionsgemeinschaften und suchen sich Partner in der Gastronomie, die mit einer Abnahmegarantie für die nötige wirtschaftliche Absicherung sorgen. 

Für die Tourismusregion versuchte man greifbare Erlebnisse zu entwickeln, bei denen der Gast die Regionalität und die Ursprünglichkeit der Produkte spüren kann. Bei den Erlebnisprogrammen, die sowohl in den Gasthäusern als auch in den bäuerlichen Betrieben stattfinden, können und sollen die Gäste aktiv mitarbeiten. Er wird gemäht, geerntet, produziert und gekocht. „Alles, was man selbst mit den eigenen Händen geschaffen hat, bleibt einem ewig in Erinnerung, das kann man durch reines Zuschauenlassen nie erzielen“, erklärt Mandler.
Die steigende Beliebtheit der Themen Entschleunigung, sanfter Tourismus und natürliche Lebensmittel zeigen, dass der Pionier Madler schon früh auf das richtige Pferd gesetzt hat. Jetzt ist Slow Food bei den Gästen schon fast im Mainstream angekommen. Zum Gustieren gibt es übrigens den „Slow Food Kärnten Guide“ mit Restaurants, Buschenschanken, Hofläden und Almhütten, der gerade erst neu erschienen ist.

Slow Food Guide

Der Slow Food Guide 2022 ist ein kulinarischer Reiseführer der Kärntner Alpen-Adria-Küche. Die Betriebe unterziehen sich einer strengen Kontrolle von Qualität und Herkunft und werden zusätzlich von einer Jury sowie einem Redaktionsteam unter die Lupe genommen. Über 90 Restaurants und mehr als 30 Buschenschanken und Almhütten wurden mit Slow-Food-Schnecken ausgezeichnet. 123 Gastgeber wurden bewertet, 23 davon zum ersten Mal. Außerdem konnten 31 Betriebe besser als 2021 bewertet werden. Aufsteiger des Jahres ist das Restaurant Moritz in Grafenstein von Anja-Margaretha Moritz und Roman Pichler.