Wirtschaftshilfen

"Brauchen ein Hilfs-Paket in der Schublade"

Tourismus
09.02.2022

Von: Daniel Nutz
Wirtschaftsforscher Oliver Fritz vom Wifo kennt die Tourismuszahlen wie kaum ein anderer. Wieso er optimistisch in die Zukunft blickt, er mehr Expertenwissen bei der Abstimmung der Hilfsmaßnahmen einfordert und ob eine Pleitewelle auch etwas Gutes hat, erklärte er uns im Interview.
Wirtschaftsforscher Oliver Fritz vom Wifo kennt die Tourismuszahlen wie kaum ein anderer.

Das Wifo verkündete in der aktuellen Aussendung, die Tourismuswirtschaft sei im Aufwind. Worauf begründet sich diese Hoffnung? Aus der Branche kam eher Murren, was Umsätze und Buchungen anbelangt.  
Oliver Fritz: Unser Optimismus, dass das Murren verfrüht war, hängt an zwei Faktoren. Erstens sind die Wochen nach Weihnachten sehr gut gelaufen. Das war nicht erwartbar, weil es viele Unsicherheiten gab und der Omikron-Peak noch vor der Tür stand. Trotzdem haben wir gesehen, dass Leute reisen wollen. Und wir merken auch: Die Gäste gewöhnen sich an das unsichere Umfeld. Zudem werten wir die Kreditkartendaten aus. Und hier fällt auf, dass die Jänner-Umsätze deutlich besser als erwartet waren. Was Februar und März betrifft, geht das auch in die richtige Richtung. Es bestehen natürlich noch Unsicherheiten, aber man merkt, dass Omi­kron weniger negativen Einfluss auf touristische Aktivitäten hat als die Varianten davor. Außerdem sollte es im März und April auch besser mit den Infektionszahlen werden. 

Haben die Hilfsmaßnahmen seit 2020 ihren Zweck erfüllt? 
Die Regierung musste zu Beginn der Pandemie schnell handeln und monetäre Hilfen an die Unternehmen bringen. Das ist gelungen, auch wenn das Unterstützungssystem nicht perfekt war und man stärker Experten einbinden hätte können. Man kann sagen: Es ist in einigen Bereichen wahrscheinlich zu Überförderungen gekommen, und es kam woanders wohl auch zu Unterförderungen. Ein absolut treffsicheres System in aller Schnelle aufzustellen ist aber auch sehr schwierig. Prinzipiell war das System schon in Ordnung.

Wie könnte man künftig Förderungen gezielter einsetzen?
Ich denke, jetzt muss man das System wissenschaftlich evaluieren und sich anschauen, wo zu viel und wo zu wenig ausgezahlt wurde, um für künftige Krisen gewappnet zu sein. Eine solche könnte ja schon im kommenden Herbst kommen. Man kann vielleicht den bürokratischen Aufwand verringern und die Gelder schneller an die Betriebe bringen. Ziel muss sein, dann nur mehr die Schublade öffnen zu müssen, und ein entsprechend angepasstes Hilfsmaßnahmenpaket herauszuholen. 

„Wir müssen weg von schwammigen Förderungen und hin zu dem, was die Branche wirklich braucht und gesellschaftlich erwünscht ist.“

Oliver Fritz, Wifo

Förderungen sollten auch strukturelle Effekte haben. Welche Maßnahmen sind denn sinnvoll, wenn man an den Nutzen der gesamten Volkswirtschaft denkt?
Der Fokus muss auf der ökologischen Transformation liegen. Die muss fix verankert werden. Treffsicher und zielsicherer zu fördern ist das Gebot der Stunde. Forderungen nach beispielsweise einer Beibehaltung der auf 5 Prozent reduzierten Mehrwertsteuer sind beispielsweise für mich nicht zielgerichtet, weil sie jene mit mehr Umsatz begünstigt und außerdem geltendem EU-Recht widerspricht. Wir müssen weg von schwammigen Förderungen und hin zu dem, was die Branche wirklich braucht und gesellschaftlich erwünscht ist.  Neben dem ökologischen Wandel geht es auch um das Thema Arbeitskräfte. Da geht es etwa um das Thema Kinderbetreuung, wo Angebote fehlen und wo das Fördersystem ansetzen sollte. 

Die vielbeschworene Pleitewelle wurde aufgrund der Verlängerung der Förderungen aufgeschoben. Wann kommt sie? 
Schwer zu sagen. Die Überbrückungskredite der ÖHT hatten Laufzeiten von drei bis fünf Jahren. Wenn diese auslaufen und das Unternehmen das Geld nicht zurückzahlen kann, geht es um eine Umschuldung mit der Hausbank. Hier könnte etwas passieren. Es wird davon abhängen, wie die Branche dann läuft, ob die Banken hier finanzieren. 

In der Gastronomie sind bereits sehr viele überschuldet. 
Klar, die mit wenig Eigenkapital sind am gefährdetsten. Die ganze Branche leidet unter zu wenig Eigenkapital – sowohl in der Gastronomie wie in der Hotellerie. 

Pleiten sollen nach dem Ökonomen Schumpeter auch eine reinigende Kraft haben, weil sich Innovation durchsetzt. Was könnte das Ergebnis einer Marktbereinigung in Gastronomie und Hotellerie sein?
Es ist zwar eine geflügelte Aussage:  Aber in jeder Krise steckt eine Chance! Eine Marktbereinigung ist sinnvoll, wenn Betriebe ausscheiden, die sich schon in guten Zeiten nicht wirklich über Wasser halten konnten. Der Tourismus wird sich nach der Pandemie ändern, jetzt besteht die Chance, sich diesen Änderungen anzupassen. Diese Anpassungen gab es auch in anderen Branchen wie Stahl- oder Autoindustrie.

Zur Person

Oliver Fritz forscht am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) über Strukturwandel und Regionalentwicklung und Tourismuswirtschaft.
Er ist zudem Geschäftsführer der International Input-Output Association.