ÖGZ Porträt

Die Leute werden eingekocht

Hotel
19.10.2023

Von: Harald Koisser
Das Landhotel Yspertal ist zum Drehpunkt der Nachhaltigkeitsszene geworden. Die Küche spielt dabei eine große Rolle.
Landhotel Yspertal

Bei uns müssen die Gäste aufessen“, grinst Diethold Schaar, Haupt-Eigentümer des Landhotel Yspertal, einem kleinen Seminarhotel mit großer Reputation. Das Essen trägt maßgeblich zum guten Ruf bei. Da wird nichts weggeschmissen. Was vom letzten Abendessen übriggeblieben ist, wird den Gästen am nächsten Mittag noch einmal vorgesetzt. „Wir haben immer einen besonderen Chafing-Dish, der ist betitelt mit ‚Der Rest vom Fest‘“, so der Hotellier, „und der wird erstaunlicherweise wirklich immer leer gemacht.“ 

Es gibt Leute, die das „andere“ Gericht vom letzten Abend ohnehin auch probieren wollten, oder sich freuen, das noch einmal kosten zu können. Resteverwertung gehört zum Nimbus eines nachhaltig geführten Hotels und die Gäste lieben es offenbar. 

Diethold Schaar
Diethold Schaar: Trinkt nicht nur den guten Wein, sondern serviert auch das 'Rest vom Fest' im Landhotel Yspertal.

Was Gäste spüren

„Wir ködern die Gäste auch“, verrät Schaar und ein Gast zeigt, was damit gemeint ist: „Ich bin ja eigentlich ein Fleischesser, aber jetzt hab‘ ich den Mangoldstrudel probiert und die Gemüsetarte und ich muss sagen: unglaublich.“ 

Das Landhotel Yspertal hat nichts mit Haubenküche am Hut. Die Gerichte sind schlicht und leicht verständlich. Darum stehen auch andauernd Leute in der Küche und wollen Rezepte haben, weil sie spüren: das könnte ich auch. „Speisen zubereiten können alle“, sagt Schaar, „wir aber kochen. Und das spüren die Gäste.“

Wenn es um die Küche geht, muss man eigentlich Elisabeth Haslinger fragen, Co-Geschäftsführerin, Miteigentümerin und Chefköchin. Sie wohnt in der Nähe auf einem Meierhof, wo ein befreundetes Paar Landwirtschaft betreibt. Dort kommt das Gemüse her. Bio, versteht sich. „Ich habe mich in der Küche hier verwirklicht“, lacht sie, „jemand anderer hätte mich hinausgeschmissen, aber Diethold hat mir einfach wohlwollend zugeschaut.“ Mit grandiosem Effekt. Das Landhotel Yspertal ist ein Seminarhotel, wo „Essen eine große Rolle spielt“ (Haslinger). Am Essen zeigt sich die Haltung.
Die Haltung ist es, die dem Landhotel im südlichen Waldviertel Erfolg beschert hat. Das kleine Haus lebt Nachhaltigkeit pur und eben darum ist es zu einem Hotspot der Nachhaltigkeitsszene geworden. Hier geben sich die Gemeinwohlökonomie, NGOs, die Pioneers of Change, die Grünen und die Caritas die Türklinke in die Hand. Auch das Land Niederösterreich, das Non-Profitcenter der WU, die TU, die FHs in Oberösterreich und natürlich die BOKU gehören zu den Gästen. „Es kommt hier immer wieder zum zufälligen Zusammentreffen von Leuten aus der Szene, die sich eh schon kennen oder sich schon immer kennenlernen wollten“, sagt Schaar, und sein Geheimnis ist: „Man muss eine Vision haben und sie dann leben.“ 

Viele der 37 Zimmer sind in der Corona-Zeit umgebaut worden. Es haben Queen-Size-Betten Einzug gehalten, sodass die Zimmer als luxuriöse Einzelzimmer, aber bei Bedarf auch noch als Doppelzimmer verkauft werden können. „Man soll ja angeblich aus der Krise heraus investieren“ (Schaar). Mit dem Effekt, dass nach sechs Monaten Umbau in den restlichen sechs Monaten der Umsatz eines gesamten Jahres eingespielt wurde. Der Boom hat angehalten bis heute. Die Buchungslage ist von 4000 auf 6000 Nächtigungen pro Jahr gestiegen. Jetzt bekommt der große Seminarraum eine Deckenkühlung. Die Wäsche wird im Hotel gewaschen, weil den Hausherren stört, dass hübsche, bunte Biobaumwolle bei den Mietwäschefirmen nicht im Programm ist. 

Elisabeth Haslinger
Landhotel Yspertal: Wo Nachhaltigkeit nicht nur auf dem Teller serviert, sondern gelebt wird. Elisabeth Haslinger (oben), die Seele der Küche, bringt frisches Bio-Gemüse direkt aus ihrem Meierhof auf den Tisch.

Werdegang

Diethold Schaar war in jungen Jahren Journalist bei der Kronen Zeitung und im trend-profil-Verlag, hat dann das Gastro-Magazin gekauft und geleitet und schließlich den Aufbau der Online-Medien beim Kurier übernommen. Während er noch die Kurier-Webseite als Chefredakteur beaufsichtigte, hat er mit Partner Klaus Rebernigg das Kloster Pernegg gepachtet und daraus ein großes und mittlerweile bekanntes Fastenzentrum gemacht. In Pernegg wurden Fastenwochen und Seminarräume angeboten und der Platz wurde langsam eng. Die Nachfrage war gestiegen. Also hat sich das Unternehmer-Duo nach einem zusätzlichen Haus für Seminare umgesehen und war im Yspertal fündig geworden. Da die Häuser einen doch recht unterschiedlichen Flair hatten, wurden sie nach dem Kauf wieder getrennt. Diethold Schaar übernahm als Eigentümer das Landhotel Yspertal. „Das hat mich schon an meine Grenzen gebracht“, gesteht der Hotellier, „ich habe am Anfang alles verkauft, was ich hatte, um das Haus hier zu halten. Bis auf die vorletzte Lebensversicherung.“ Ein frisch übernommenes Haus birgt eben so manche Überraschung. Es war unternehmerisch ausgezehrt. 

Großartige Substanz (das Haus ist um die 500 Jahre alt), aber renovierungsbedürftig. Die Österreichische Hotel- und Tourismusbank hat ihm schließlich Luft verschafft. Schaar konnte sein Nachhaltigkeitskonzept endlich umsetzen. Eine PV-Anlage wurde angeschafft und eine rein ökologische Dämmung mit Stroh umgesetzt. Der Sterne- oder Haubenklassifizierung entzieht sich das Hotel bewusst. Ebenso den ­klassischen Finanzsystemen. Ein Vermögenspool soll Geld für Investitionen bringen. Es ist „ein Finanzierungsmodell auf Augenhöhe mit den Anleihezeichnern“, so Schaar. Leute, die ihr Geld „lieber uns geben als es auf der Bank liegen lassen wollen, sind hier gut aufgehoben. Das Geld wird von einer Treuhänderin verwaltet und wir sichern das grundbücherlich ab. Wir kennen auch alle Teilnehmer am Vermögenspool persönlich.“ Nicht nur das Essen im Landhotel ist wie zuhause. Auch die Finanzgebahrung ist familiär. Mit selbst organisierten Wirtschaftsgesprächen oder „Tage der Zukunft“ hat das Haus anfangs Eigeninitiative gezeigt, und „irgendwann waren alle da.“ 

Landhotel Yspertal
Hotelaufenthalt meets tiefgründige Lebensfragen: Wohin mit dem Huhn?!

Catering

„Ich möchte, dass die Gesinnung des Hauses gewahrt bleibt“, sagt Haslinger. Das Landhotel Yspertal beginnt nun mit einem Cateringangebot. „Natürlich ist das einmal regional gedacht“, sagt die Chefköchin, „aber ich habe früher auch schon Catering gemacht und da bin ich auch von hier nach Wien gefahren.“ Diethold Schaar ergänzt: „Wir kochen die Leute eben ein.“