Gebt mir den Flow: Wie viel und welcher Tourismus ist noch möglich

26.11.2020

Von: Thomas Askan Vierich
Die Österreich Werbung macht sich Gedanken über den Wintertourismus, arbeitet gemeinsam mit Destinationen und Experten neue Rahmenbedingungen aus und gibt konkrete Hilfestellungen für Gastgeber. Kohl & Partner raten Hoteliers zum schrittweisen Aufsperren. (aktualisiert und ergänzt 26.11.)

Die ÖW hat eine „tiefenpsychologische“ Studie in Auftrag gegeben. Die Meinungsforscher befragten Skiurlauber in Deutschland, den Niederlanden und Österreich. 

1. Die Befragten haben immer noch große Lust auf Winterurlaub, sind aber stark verunsichert ob der Coronalage.

2. Sie leiden unter einer „Ohnmachtserfahrung“,können die Krise nicht kontrollieren, ständig ändern sich die Rahmenbedingungen, Ansteckung lauert überall. Daraus entspringt ein großes Bedürfnis nach Freiheit bei gleichzeitiger Kontrolle, nach Selbstbestimmung.

3. Skifahren trifft diese Sehnsucht. Draußensein ist sicherer. Skifahren ermöglicht die Erfahrung des „Flows“: Der Tagesablauf im Winterurlaub ist (anders als im Sommer) klar geregelt: man frühstückt und fährt auf den Berg. Dort erfährt man Körperlichkeit (Anstrengung, Wetter), man spürt sich wieder. Das ist gerade im Winter eine sehr sinnliche Erfahrung, der Kontrast zwischen Kalt und Heiß ist aufregend. Schnee symbolisiert eine Neugeburt, die Möglichkeit eines Resets. Besonders ausgeprägt, wenn man als Erster eine neue Spur ziehen kann.

 4. Vorbehalte und Befürchtungen: Momentan befinden sich Urlauber im Zustand des „aktiven Abwartens“: Wie entwickeln sich die Infektionszahlen, die Reisewarnungen, gibt es (wieder) einen Lockdown? Diese Befürchtungen werden größer, je weiter der Urlaubsort entfernt liegt. Komme ich wieder zurück? Wie sind die Regelungen in den Ländern, die ich durchqueren muss?

5. Die Reisenden haben konkrete Fragen zum Ablauf vor Ort: Schlangen vor den Liften, Transport in geschlossenen Gondeln, wie läuft der Urlaubsalltag in den Hütten und Hotels ab? Hier müssen klare Regeln herrschen, an die sich alle halten.

6. Die Leute wollen also Informationen. Destinationen und Beherbergungsbetriebe müssen möglichst frühzeitig und transparent kommunizieren, was vor Ort wie geht und was nicht. Ein Urlaub mit lauter Verboten ermöglicht keinen Flow.

 7. Familien suchen Angebote zur Kinderbetreuung, Fun-Urlauber suchen abendliche Alternativen zum Apres-Ski und wollen nicht zu illegalen Partys verführt werden. Ältere machen sich Sorgen um Ansteckung und suchen Genuss- und Verwöhnungsangebote trotz Corona.

Welche Maßnahmen sollten Destinationen setzen?

Grundsätzlich: Menschen akzeptieren Maßnahmen, wenn sie transparent und fair sind und von allen eingehalten werden.

Kritische Nadelöhre muss man regeln: Reduzierung der Fahrgastzahlen; Abstände in Warteschlangen; Warteschlangen dürfen nicht zu lang werden; flexible Beginnzeiten bei den Skischulen; Heizpilze, damit man sich auch draußen aufhalten kann; markierte Laufwege zu den Toiletten; Angebot von Lunchpaketen (gilt auch für Hotels); fixe Sitzplätze im Hotel; Alternativen zum Büffet; Maskenpflicht auf den Gängen für alle; Timeslots beim Frühstück und im Wellnessbereich; Wellness muss möglich sein.

Besonders wichtig sind tagesaktuelle Informationen im Skigebiet über die Auslastung der Hütten, Wartezeiten an den Liften und über die Gesamtauslastung des Skigebiets. Diese Infos kann man über Apps, die Website und Screens an den Touchpoints ausspielen.

In der Kommunikation und Werbung sollten winterliche Traumwelten projiziert werden. Das Skifahren sollte zentral sein. Denn zum Schneeschuhwandern, Rodeln oder Winterwandern kommt niemand. Das können (und sollen) nur Zusatzangebote sein. Die Coronamaßnahmen sollten nicht im Vordergrund stehen, dürfen aber auf keinen Fall ausgeblendet werden.

Was können Gastgeber tun?

Erich Liegl von Kohl & Partner macht sich Gedanken über bewusst reduzierte Kapazitäten: „Hier könnten Hoteliers von Kollegen aus der Gastronomie an Standorten mit schwankenden Frequenzen lernen, die je nach Geschäftsgang Räume öffnen oder schließen und den Mitarbeiter-Einsatz entsprechend anpassen und das oft ganz kurzfristig.“

So könnte es im heurigen Winter durchaus Sinn machen, die Zimmer- und damit Gäste-Kapazitäten zu Beginn zu reduzieren und erst sukzessive mit Anziehen der Nachfrage zu erweitern. Den Schlüssel dazu bilden die Bereitschaftskosten und hier vor allem die Mitarbeiterkosten für zusätzliche Saison-MitarbeiterInnen. Die betriebswirtschaftliche Chance liegt in der Reduktion der sprungfixen Kosten (Anzahl der Saison-MitarbeiterInnen), das Risiko u.a. in der Sorge, kurzfristig zusätzliche MitarbeiterInnen zu bekommen bzw. langjährig treue Saisoniers dadurch zu verlieren.

Das äußerst kurzfristige Buchungsverhalten führt heuer zu großen Planungsunsicherheiten in den Betrieben und macht eine solche für MitarbeiterInnen sicher unpopuläre Strategie überlegenswert. Die Rechenaufgabe lautet, wie viele Gäste können durch das Basis-Team entsprechend den Qualitäts-Versprechen der Betriebe betreut werden und ab wie vielen Gästen (belegten Zimmern) benötigt man in Küche, Service, Housekeeping, usw. jeweils eine/n Mitarbeiter/in mehr?

Virtuelles Hausbankerl

Reinhard Lanner (CDO der ÖW) stellte eine virtuelle Möglichkeit für Gastgeber vor, schon vor Reiseantritt mit ihren (Stamm-)Gästen zu kommunizieren: Das virtuelle Hausbankerl. „Im direkten Gespräch kann man viele Unsicherheiten beseitigen“, sagt er. Gastgeber könnten ihren Stammkunden eine Urlaubsbox nach Hause schicken oder die Flasche Wein, von der sie wissen, dass der Gast sie das letzte Mal mehrfach bestellt hatte. Sie können Gäste Einblicke hinter die Kulissen bieten, z.B. erklärt der Chefkoch, wie er seine berühmten Salzburger Nockerln zubereitet. Technisch sind solche virtuellen Konferenzen kein Problem.

Die ÖW stellt fixfertige Checklisten für Gastgeber zur Verfügung: #virtuellesHausbankerl; www.austriatourism.com/hausbankerl

Unter #öeglobal und www.austriatourismus.com/oew-global gibt es alle wichtigen Daten zur Coronalage in den Herkunftsländern, Reisewarnungen und alles rund um Corona – tagsaktuell und kostenlos.

Unter #austriacares bekommt man mittlerweile rund 300 Content-Pieces zu Hygieneregeln und Sicherheitsbestimmungen in der Destination, die man an seine Gste kommunizieren kann. Wie man diese Infos auf seiner Website einbindet, auch dafür gibt es einen Leitfaden unter www.austriatourism.com

An die Zukunft denken!

Im Übrigen setzt die Österreich Werbung die zusätzlichen 9 Millionen Euro aus dem Coronafonds für Werbekampagnen nicht nur für den unsicheren Wintertourismus, sondern auch für den „Sonnenschilauf“ im Februar und März 2021 zu Verfügung, eine Zeit, in der vor allem die Holländer bevorzugt kommmen. Und auch an einer „Sommeroffensive 2021“ wird schon gebastelt.