Küche wie bei Mama

03.09.2014

Die Pumafalle ist ein klassisches Ausflugsgasthaus – mit einer Haube. Küchenchefin Gabi Gatscher bestimmt, wo’s langgeht.
„Mein Mann hat in der Küche nichts zu melden.  Dafür gschaftl ich aber überall im Haus rein.  Ein Mann hat ja kein Auge für die Dekoration.“ Gabi Gatscher, Wirtin Pumafalle

Gabi Gatscher schwankt. Auch nach 14 Jahren noch. So lange betreiben sie und ihr Mann Harald die Pumafalle in Trins im Tiroler Gschnitztal. „Würden Sie überhaupt hereinkommen, wenn Sie den Namen draußen lesen?“, fragt die 54-jährige Gastwirtin und Küchenchefin. Ohne eine Antwort abzuwarten, sinniert sie: „Auf der anderen Seite ist der Name so außergewöhnlich, dass er schon wieder interessant klingt.“ Ob nun der Name Pumafalle für ein Ausflugsgasthaus passend ist oder nicht – wir finden, er passt – ist er ein Mix aus Jägerlatein und einer „bsoffenen Gschicht“ der Vorbesitzer. Fünf gab es davon. Alle hielten nicht lange durch. Ein Lokal im Landschaftsschutzgebiet, das nur zu Fuß erreicht werden kann, deshalb auch nur tagsüber geöffnet hat und noch dazu in einem Tal liegt: Das nennt man nicht unbedingt günstige Voraussetzungen.

Kein Polster
Es läuft zwar gut, aber unterm Strich bleibt kaum was übrig. „Ein finanzieller Polster wäre schön. Wir können uns grad den Lehrling leisten“, sagt die Chefin geradeheraus. Die ersten vier Jahre ein einziger Überlebenskampf. „Wir mussten uns durchfretten.“ Zum einen hatte die Pumafalle aufgrund der Besitzerwechsel einen schlechten Ruf. „Man wusste als Gast hier nie, wie man dran war.“ Zum anderen froren eines Winters die Wasserleitungen ein. „Wir mussten zusperren, mein Mann hat als LKW-Fahrer und ich als Skilehrerin gearbeitet.“ Mitten in einem Landschaftsschutzgebiet lassen sich kaputte Wasserleitungen nicht einfach so mal reparieren. Da heißt es, sich bis zum Frühjahr in Geduld üben. Den Gerüchten, dass die neuen Inhaber „auch nur alle heiligen Zeiten geöffnet haben“, begegneten die Gatschers im Frühjahr mit einem Auftaufest. Von da an ging es langsam aufwärts. Wohl auch, weil man nicht auf Einsager aus dem Dorf gehört hat. „Tu dir eine Fritteuse rein“, schüttelt Gabi über die Unsinnigkeit dieses Vorschlages den Kopf. „Ich koche aus Leidenschaft. Ich kann den ganzen Tag über nichts anderes nachdenken. Bei mir wird aus der Pfanne gekocht.“

Kochen aus Leidenschaft
„Meine Oma hat gekocht, meine Mutter hat gekocht und auch ich. Mehr ist dazu nicht zu sagen.“ Vielleicht schon. Die Pumafalle ist mit einer Gault-Millau-Haube und einem À-la-carte-Stern ausgezeichnet. „Wir sind auch Genusswirt, Mitglied von Kulinarisches Erbe Österreich und Slowfood.“ Dem ÖGZ-Team zaubert Gabi innert weniger Minuten eine flaumige Polenta mit Selleriestücken, getrockneten Tomaten und Zwiebeln. Klingt einfach, schmeckt himmlisch. Ein Gast im Designer-Trainingsanzug betritt die Gaststube. Im Schlepptau ein Hündchen und pikiert über das Fahrverbot im Landschaftsschutzgebiet, welches selbstverständlich missachtet wurde. Für den Cockerspaniel wird Rindfleisch mit Kartoffeln oder Nudeln, ohne Gewürze, ohne Fette, ohne Salz verlangt. Wirtin Gabi zuckt nicht einmal mit der Wimper und sagt: „Ja, dann mache ich das“, und verschwindet in der Küche.
Ehemann Harald hat in der Küche nichts zu melden. Nur Lehrling Susi – sie kommt wie die Gatschers ebenfalls aus dem nahegelegenen Ort Gries am Brenner – darf ihr unter die Arme greifen und lernen.

Träume werden wahr
„Wir haben immer von der Übernahme einer Alm geträumt. Da sitzen in Tirol die Bauern drauf, da hast du kaum Chancen“, erzählt Gabi Gatscher. Alm ist die Pumafalle zwar keine, aber Trins liegt immerhin auf 1.233 Meter Seehöhe. 2000 tat sich die Gelegenheit auf, das Ausflugslokal zu kaufen. Die Gatschers fackelten nicht lange, vor allem die damals 40-jährige Gabi sah ihren Lebenstraum verwirklicht. „Endlich konnte ich das umsetzen, was ich immer schon am liebsten getan habe: Kochen.“
Das Konzept, das die Quereinsteiger (er gelernter Tischler, sie Sekretärin, Skilehrerin, Kellnerin) der kleinen Jausenstation überstülpen wollten, war von Anfang an klar: „Regional, am liebsten Produkte von Bauern aus dem Tal.“ Ersteres ist dem Gastronomenpaar bisher gelungen, bei Letzterem hapert es ein wenig. „Das Gschnitztal hat so viel zu bieten, leider wird nicht an einem Strang gezogen.“

Das Gschnitztal lässt sich selbst für den gelernten Tiroler einfach nur mit idyllisch beschreiben. Man fährt auf der Brenner-Autobahn A13 bis zur Ausfahrt Matrei-Steinach und von dort in das Gschnitztal, ein Seitental des Wipptales. Zwischen Trins und Gschnitz liegt die Pumafalle. Zu Fuß ist die Jausenstation in einer halben Stunde erreichbar. Das Auto muss am wenige Kilometer entfernten Parkplatz abgestellt werden. Seit wenigen Wochen gibt es einen neuen Parkplatz, der ist nur ca. 10 Minuten Fußweg entfernt. „Wir sind ein klassisches Ausflugsgasthaus. Weil kein Abendgeschäft möglich ist, sind unsere Zielgruppen Familien und ältere Leute“, erklärt Gabi Gatscher. Also konzentriert sich das Geschäft auf das Wochenende.

Gehobene Küche auf der Alm
Die Karte, ein handgeschriebenes weißes Blatt, hübsch zusammengerollt, mit Silberdraht an einem Blumengesteck befestigt, ändert sich wöchentlich. Gekocht wird ausschließlich regional und saisonal. Auf der Tageskarte empfiehlt der Jung-Sommelier Harald Gatscher zum Auftakt ein Glas Schilchersekt aus der Steiermark. Als Vorspeisen werden frisches Hausbrot mit Liptauer und Jochschnittlauch, ein steirischer Rindfleischsalat mit Käferbohnen und Kernöl sowie gebackene Ziegenfrischkäsepralinen in der Kürbiskernkruste auf hauseigenen Gartensalat serviert. Die laufend wechselnden Brotsorten bäckt Harald Gatscher alle selbst. Neben einer Sellerie-Zitronensuppe gibt es auch eine Kasknödelsuppe. Die Kasknödel sind wie das auf der Karte angebotene Wiener Schnitzel vom Schwein ein Zugeständnis. „Meine Küche spielt sich jenseits der Kasknödelgrenze ab“, sagt Gabi Gatscher. „Kreativität und Kasknödel, das geht einfach nicht zusammen. Das ist mir zu fad. Ich traue mich aber die Kasknödel und das Wiener Schnitzel nicht wegtun von der Karte, sonst sagen die Leut, da gibt’s ja gar nix zum Essen. Garnelenspieße oder Wolfsbarsch gibt es bei mir trotzdem sicher nicht. Dafür Pilze und Schwammerln, Beeren und Kräuter oder den besten Graukäse weit und breit.“

Konsequent regional
Graukäse, Bauernbutter, Schwein, Rind und Wild und Eier stammen von Lieferanten im Umkreis von weniger als 50 Kilometern, Salate, Gemüse und Kräuter aus dem eigenen Garten. Schwammerl suchen und Beeren pflücken die Gatschers selbst. „Ich bin ehrgeizig und pingelig. Deshalb muss auch beim Anrichten alles passen. Das muss für das Auge einfach perfekt sein.“ Bevorzugt dekoriert die Köchin ihre Gerichte wie Zweierlei vom Kalbskopf mit Krenpüree und Senfeis, Entrecote mit Parmesanpolenta, Lachsforellenfilet auf Fenchelgemüse mit Petersilkartoffeln oder das Schweinsbratl von der Naviser Alm mit Kartoffelknödeln und Speckkrautsalat mit Blüten, Blättern und Kräutern. Für eine Jausenstation auch eher ungewöhnlich: Es stehen auf der aktuellen Wochenkarte mit frischen Bandnudeln mit Zucchini, Tomaten und Basilikum, Mangold- Schafskäsequiche mit Kräutersauce und Salatgarnitur sowie Kartoffelteigtaschen mit Stockfischfülle auf Kohlrabigemüse gleich drei vegetarische Gerichte zur Auswahl. In die selbstgemachten Kuchen und Desserts kommen – um die Lieferanten beim Namen zu nennen – Eier vom Gallerhof in Gschnitz und vom Klauserhof in Trins. „Ich stimme dem nicht zu, dass der Gast nicht merkt, welche Eier im Kuchen verwendet wurden. Ein Großmarkt-Goggei kommt mir nicht ins Haus, auch wenn wir von einem Preisunterschied von mehr als 15 Cent reden“, stellt Gabi Gatscher klar.
Zur Herstellung von Eis und Parfaits hat sich die Küchenchefin eine eigene Eismaschine angeschafft, eine Nudelmaschine zählt ebenfalls zur vor wenigen Jahren komplett neu eingebauten kleinen Küche. Gekocht wird streng nach Rezept. Da gibt es kein ein bisserl hiervon und ein bisserl davon. Dafür aber praktische Weiterbildung. Die Gastwirtin hat Kochkurse bei Drei-Hauben-Koch Martin Sieberer, bei Hans Haas im Tantris in München und beim Südtiroler Sternekoch Herbert Hintner vom Restaurant zur Rose in Eppan absolviert. „Zudem gehen mein Mann und ich sehr gerne auswärts essen. Ich schaue mir an, was die anderen machen und beziehe daraus Inspiration. Ich wende die Zutaten dann vielleicht anders an oder richte den Teller anders her. Wird zum Beispiel Feta verwendet, nehme ich unseren Ziegenkäse von der Alm, wird Spinat verwendet, greife ich auf Kräuter von der Wiese zurück.“

Die Chefin regiert
In der Pumafalle hat die Dame des Hauses die Hosen an. „Mein Mann hat in der Küche überhaupt nichts zu melden“, posaunt Gabi hinaus. „Dafür gschaftl ich aber überall im Haus rein. Ein Mann hat ja kein Auge für die Dekoration.“ Das macht den Mann zwar „narrisch“, aber nicht so narrisch, dass es die Ehe erschüttern könnte. Nach dem gemeinsamen Hauptschul-Besuch ist das Paar inzwischen 30 Jahre verheiratet und Eltern von zwei erwachsenen Kindern. Dass Gabi sich überall einmischt, trägt Harald mit Fassung. Als Jungsommelier kümmert er sich um die gut sortierten österreichischen Weine, die Bar, den Ausschank, bäckt Brot und stellt selbstgeräucherte Kaminwurzen und Schinken- und Bauchspeck her.

Im Gegensatz zu seiner quirligen Frau wirkt der 54-Jährige deutlich zurückhaltender, aber nicht weniger humorvoll und direkt. Als der Gast im Trainingsanzug die Sonderwünschen für den Hund äußert und dem Hausherrn erklärt, wie die Panier und Millimeterdicke eines Wiener Schnitzels zu sein hat, sagt er treffend: „Der kennt sich aus.“

Lernt man das Gastronomenpaar ein wenig näher und vor allem die „Mama-Qualitäten“ der Chefin kennen, ist es eigentlich egal, wenn die Pumafalle bloß Jausenstation hieße. Ein derartiges Schild prangt von den knusprig braunen Holzwänden der Außenfassade. Name und Optik stimmen einfach. Kommt man an der Pumafalle vorbei, erweckt sie das Gefühl, etwas zu versäumen, würde man nicht das Hexenhäuschen, gelegen inmitten saftiger Blumenwiesen, gesäumt von majestätischen Wäldern und Bergen im Hintergrund, zumindest betreten.

Risiko Haube?
Das dürften sich auch die Tester vom Gault Millau gedacht haben. „Ich habe mich einfach getraut, die Haube zu beantragen. Beim ersten Mal hat es noch nicht geklappt“, erzählt Gabi. Seit 2011 führt die Pumafalle eine Haube mit 13 Punkten. Dass die Pumafalle eine Haube bekäme, hat sie nie angezweifelt. Jetzt ist sie einfach nur stolz.

Info
Gasthaus & Ferien-
wohnung Pumafalle
6125 Trins
T 05275/53 23
www.pumafalle.at