ÖFB-Koch: „Wir planen mit dem EM-Finale“

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07.05.2024

Von: Hannes Kropik
Exklusiv: Wie Küchenchef Fritz Grampelhuber bei der EM 2024 für Höchstleistungen des Nationalteams sorgen will.
ÖFB-Koch Grampelhuber

Als bodenständiger Wirt erkennt Fritz Grampelhuber genau, wie gut die Stimmung in seiner Gaststube ist. Und zwar zu Hause im urigen Weltkulturerbe-Wirtshaus Steegwirt in Bad Goisern genauso wie in seiner Zeit mit dem österreichischen Fußball-Nationalteam: „Die Burschen könnten ja gleich nach dem Abendessen aufstehen und auf ihre Zimmer verschwinden. Aber sie bleiben lieber noch gemeinsam sitzen und haben eine riesige Hetz‘ – wie bei einer Schullandwoche. Glaub mir, der Zusammenhalt in dieser Truppe ist unglaublich. Ich freu‘ mich auch jedes Mal, wenn ich wieder für sie alle kochen darf. Für mich spürt es sich immer an wie ein Nachhausekommen.“

Handwerk aus Leidenschaft

Die souveräne Qualifikation (und zuletzt fünf Siegen in Serie, unter anderem gegen EM-Gastgeber Deutschland) sorgt in ganz Fußball-Österreich für eine euphorische Vorfreude auf die am 14. Juni beginnende Europameisterschaft. ÖFB-Küchenchef Grampelhuber plant sogar bis zum Finale am 14. Juli – allerdings nicht aus reinem Optimismus, wie er lachend erzählt: „Ich habe meinen Menüplan schon im Jänner zusammengestellt. Wir wissen natürlich nicht, wie die Spiele ausgehen, aber wir können nicht vor Ort spontan reagieren und improvisieren. In der Küche müssen wir auf alles vorbereitet sein – auch auf große Erfolge.“ Nur für den Fall des EM-Titels steht sein Plan auf wackeligen Beinen: „Ich glaube, dann bräuchten wir nichts zu essen, sondern würden einfach nur feiern …“

Für den 40-jährigen Oberösterreicher, der das ÖFB-Nationalteam seit 2013 bekocht, ist es nach 2016 und 2021 bereits die dritte Europameisterschaft mit den Herren, 2022 betreute er auch die Damen-Auswahl bei der EM in England. Sein Handwerk hat er von der Pike auf gelernt. Nach der Matura an der Tourismusschulen Salzkammergut Bad Ischl, arbeitete er zuerst als Jungkoch im damals noch elterlichen Steegwirt, ehe er 2004 bis 2006 zu Karl und Rudolf Obauer nach Werfen wechselte; (weitere Stationen führten ihn in die Schweiz und nach Südtirol): „Für mich ist Kochen ein Handwerk, es geht um die Authentizität. Bevor ich einen Erdäpfelsalat aus dem Kübel serviere, stelle ich mich lieber zwei Stunden hin und bereite ihn selbst zu.“

EM-Spielplan

17. Juni (21:00 Uhr) 
Österreich : Frankreich 
Düsseldorf

21. Juni (18:00 Uhr) 
Österreich : Polen 
Berlin

25. Juni (18:00 Uhr) 
Österreich : Niederlande
Berlin

Gutes Essen, gute Laune

Als Koch des Nationalteams erfüllt sich Fritz Grampelhuber – über Umwege – seinen Kindheitstraum: „Ich habe im Nachwuchs beim SV Bad Goisern gekickt. Ich war ein richtig schneller Linksaußen und mein Ziel war das Nationalteam. Ich wäre aber sicher nicht gut genug für eine Fußballerkarriere gewesen und bereue es nicht, mich auf die Ausbildung konzentriert zu haben.“ Lachender Nachsatz: „Immerhin: Ich habe es ja tatsächlich ins Nationalteam geschafft …“

An Selbstvertrauen mangelt es Fritz Grampelhuber nicht: „Schau, wir haben uns im Steegwirt zwei Hauben erkocht. Wir wissen schon, was wir tun.“ Und so war auch die erste Begegnung mit ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick kein Grund zur Besorgnis: „Im Grunde sind wir ähnliche Typen: Wir wollen alles unter Kontrolle haben – aber wenn wir merken, dass unsere Leute ihre Arbeit gut machen, dann lassen wir sie werkeln. Als er das Nationalteam 2022 übernommen hat, hat er sich den Bereich Ernährung genau angeschaut. Ich habe ihm meine Philosophie und meine Ideen erklärt, und natürlich hat er mein Essen gekostet. Was soll ich sagen, es hat ihm geschmeckt.“

Entscheidend ist, dass sich die Küche nicht nur positiv auf die Laune während eines wochenlangen Turniers auswirkt, sondern die Leistungsfähigkeit am Platz fördert: „Was wir machen, ist für den Kopf der Spieler sehr wichtig. Sie freuen sich alle, dass sie beim Team Speisen auswählen können, die es bei ihren Klubs in Deutschland, Spanien, Frankreich oder Italien normalerweise nicht gibt.“ Und auch hier rennt der Schmäh: „Sie lieben meine faschierten Laberl. Nur der Marko Arnautovic kommt dann immer her zu mir und sagt: ‚Lass es! Faschierte Laberl macht nur meine Mutter. Sie soll dir endlich zeigen, wie man die richtig kocht …‘‘

Teamspirit in der Küche

Der ÖFB-Tross (der rund 55 Personen umfassen wird) residiert während der Europameisterschaft im noblen Schlosshotel Berlin by Patrick Hellmann residieren. Nur knappe 15 Autominuten vom Olympiastadion entfernt, in dem Österreich auf Polen und die Niederlande treffen wird. Fritz Grampelhuber (dessen Bruder Tamino das Team beim ersten Spiel gegen Frankreich in Düsseldorf kulinarisch betreuen wird) hat sich längst mit den Begebenheiten in dem 1911 im Renaissance-Stil errichteten Anwesen vertraut gemacht: „Ich war im Jänner das erste Mal dort. Mit dem Personal bin ich im regelmäßigen Austausch, ich habe ihnen auch schon ein paar Rezepte, zum Beispiel für meinen Chia-Pudding, geschickt, damit sie sich vorbereiten können.“

Fritz Grampelhuber greift während der EM auf die Hilfe des regulären, zehnköpfigen Küchenteams im Schlosshotel zurück: „Anders als Köche von anderen Nationalmannschaften beaufsichtige ich nicht nur die lokale Crew, sondern koche wirklich selbst mit.“ Und zwar nicht nur aus Freude an der Arbeit, sondern auch, um Teamspirit zu vermitteln: „Ich bin zwar für alles verantwortlich, aber ich trete nicht als der große Chef auf. Im Gegenteil: Wenn du dich selbst aktiv engagierst, bist du auch bei den Spielern viel beliebter.“

Stegwirt Arnautovic
Schwört auf die Fleischlaberl seiner Mutter: Marko Arnautović mit Tamino (li.) und Fritz Grampelhuber in der Küche.

Besondere Belohnungen

Frühstück, Mittag- und Abendessen werden als Buffets organisiert, „die alle Stückerl spielen“. Besondere Vorlieben gilt es nicht zu beachten: „Es gibt weder Allergien noch Nahrungsunverträglichkeiten in unserer Truppe. Und wir haben auch nur einen Vegetarier im Betreuerstab, aber für den muss ich nicht extra kochen. Die Auswahl an fleischfreien Alternativen, Salaten und Gemüse ist groß genug für alle.“ 

Die warmen Hauptspeisen präsentiert Grampelhuber jeweils in acht bis zehn Chafing Dish; auf dem umfangreichen Menüplan stehen diverse Suppen, kurzgebratenes Fleisch, Fisch, viel Gemüse, Pizza und verschiedene Pasta-Variationen, hin und wieder Sushi und Carpaccios. „Mittags vor einem Spiel muss es immer eine Hühnersuppe sein. Und am Abend vor jedem Spiel gibt es unter anderem eine Paradeiser-Ingwer-Suppe, Rindsfilet, Lachsfilet, Risotto und Rosmarin-Erdäpfel und – wenn die Qualität passt – Scampi vom Grill.“

Wenn die Spieler nach einem schweren Match ins Hotel zurückkehren und der Hunger besonders groß ist, wartet hin und wieder ein Snack auf sie, der jetzt auf den ersten Blick erstaunen mag: Käsekrainer. „Aber, um genau zu sein: Gams-Käsekrainer! Die stellen wir in Goisern selbst her. Wildfleisch ist sehr bekömmlich und selbstverständlich verwende ich nicht den fettesten Käse. Der Vorteil bei solchen Produkten – wie auch dem selbstgemachten Ketchup – ist, dass wir die Inhaltsstoffe selbst bestimmen können.“

Kompromissloser Genuss

Denn natürlich achtet Grampelhuber – in Absprache mit Ernährungsberatern – darauf, dass alle Speisen leicht bekömmlich sind. Zum Beispiel das Backhendl, das speziell wegen Christoph Baumgartner (RB Leipzig) als besonderer Leckerbissen am ersten Tag einer Teamzusammenkunft auf dem Speiseplan stehen muss: „Wir backen das nicht in Schweinefett heraus, sondern bereiten es im Konvektomaten zu, und statt den üblichen Semmelbröseln verwenden wir japanisches Pankomehl.“ 

Auch die bei den Spielern so beliebten Eis-Palatschinken erfüllen einen Zweck, der über die fast schon kindliche Freude an süßen Desserts hinausgeht: „Wir reden hier nicht von zuckerintensiven Eissorten, sondern zum Beispiel von Zitronensorbet. Wichtig ist aber, und das ist mit dem Ernährungsberater abgesprochen, dass diese Palatschinken sehr gute Eiweiß-Quellen darstellen.“

Und sind Genuss und Belohnung gleichermaßen, weiß Fritz Grampelhuber, der – ursprünglich zur Verwunderung von Teamchef Rangnick – einen besonders beliebten Nachtisch eingeführt hat: Nutella-Palatschinken. „Es muss aber wirklich Nutella sein! Bei einem Auswärtsspiel in Polen musste ich improvisieren, weil mir der dortige Küchenchef erst beim Zubereiten erklärt hat, dass es bei ihnen gar kein Nutella gibt.“ Die alternativ verwendete Nougatcreme kam bei den Spielern nicht gut an: „Marko Arnautovic hat mich böse angeschaut: ‚Was ist los mit dir? Was soll das? Das ist kein Nutella!‘ Seither lasse ich mir vorab vom lokalen Küchenchef zur Sicherheit ein Foto von seinen Nutella-Vorräten schicken …“

Die heilige Suppe

Internationale Untersuchungen gehen davon aus, dass ein Profifußballer pro Spiel zwischen 1500 und 2000 Kalorien verbrennt, an einem Matchtag selbst insgesamt sogar rund 4000 Kalorien. Was das für den ÖFB-Küchenchef bedeutet: „Die Kicker müssen essen, essen, essen!“ Um die Kohlenhydrat­speicher direkt nach dem Spiel schnell aufzufüllen, kredenzt Fritz Grampelhuber noch in der Kabine eine Erdäpfelsuppe: „Früher gab es zu diesem Zweck einfach ein ­Erdäpfelpüree, aber das ist nach einem anstrengenden Match wirklich schwer hinunterzubekommen …“

Die Suppe bereitet Grampelhuber vor dem Spiel vor, und sie wird im Mannschaftbus ins Stadion mitgenommen. Und dort in echter Teamarbeit auf einer Induktionsplatte finalisiert, die extra dafür in der Kabine aufgestellt wird: „Wenn ich selbst im Hotel bleibe und ein spätes Abendessen für die Mannschaft vorbereite, übernimmt oft einer der Masseure meinen Part. Er freut sich immer sehr, wenn er – wie er selbst sagt – ‚die heilige Suppe‘ aufwärmen und an die Spieler in Coffee-to-go-Bechern verteilen darf.“

Stürmerstar als Vorbild

Generell merkt Fritz Grampelhuber, dass Ernährung für die Hochleistungssportler längst mehr ist als bloß ein – wichtiger – Baustein für ihre Gesundheit und Fitness: „Es ist in den vergangenen Jahren ein extrem wichtiges Thema für sie geworden. Viele von den Burschen kochen daheim mittlerweile selbst. Und zwar auf richtig hohem Niveau!“ 

Besonders von Stürmer Michael Gregoritsch (FC Freiburg) zeigt sich der Küchenprofi beeindruckt: „Er schickt mir praktisch jeden Tag Fotos von dem, was er wieder gekocht hat und stellt immer wieder ganz gezielte Fragen, wie er bestimmte Speisen noch verfeinern könnte. Ganz ehrlich: Es gibt in Österreich einige Köche, die von ihm eine ganze Menge lernen könnte.“

Auch Mittelfeldmotor Xaver Schlager (RB Leipzig) ist nicht nur ein sehr bewusster Esser, der am Tag vor einem Spiel auf glutenhaltige Speisen verzichtet, sondern ein höchst interessierter Gesprächspartner: „Mit dem Xaver kannst du dich stundenlang übers Kochen unterhalten. Und dabei eine riesige Hetz haben. Er kennt sich extrem gut aus in der Küche und erklärt mir gern, warum meine Hühnersuppe nicht so gut ist wie die von seiner Großmutter.“ Und schon wieder rennt der Schmäh, die Stimmung passt. 

Österreichs Teamfußballer sind bereit für die Europameisterschaft.

Daheim im Steegwirt

Fritz und Tamino Grampelhuber
Fritz und Tamino Grampelhuber.

So ganz genau lässt sich die Familiengeschichte der Grampelhubers und des Steegwirts nicht mehr nachvollziehen. Tatsache ist aber, dass das denkmalgeschützte Haus am Hallstädtersee 1571 erbaut wurde – und seither in Familienbesitz ist: „Mein Bruder Tamino und ich haben den Betrieb nach dem bisher letzten Umbau 2018 von unserem Vater übernommen und gemeinsam eine GmbH gegründet. Wir sind uns nicht sicher, schätzen aber, dass wir den Steegwirt ungefähr in 20. Generation führen.“ Die umfangreiche Karte ist gekennzeichnet vom Bekenntnis zur ganzheitlichen Küche und beinhalte gratinierte Paprikakutteln ebenso wie ein Rahmbeuschel, die selbstgemachten Gams-Kas-Krainer und den Steegwirt-Klassiker, das „Bratl in der Rein“, eine Trilogie von der Gustino-Sau mit Stöckelkraut und Knödel. Gault & Millau verleihen dem Steegwirt (13/20 Punkten) zwei Hauben.
www.steegwirt.at