Gastro-Konzepte: Vorne Emotion, hinten System

Robotik
13.06.2019

Von: Thomas Askan Vierich
Jean-George Ploner sprach am 3. Brennpunkt Innovation der FH Salzburg, der den Schwerpunkt Gastronomie hatte, über Gastrokonzepte mit Zukunft.  
Keine Angst vor Robotern: Die produzieren im Spyce (Boston) günstige und schmackhafte Bowls.
Keine Angst vor Robotern: Die produzieren im Spyce (Boston) günstige und schmackhafte Bowls.
Jean-George Ploner von den Global F&B Heroes
So sieht das Spyce in Boston aus: im Hintergrund die Roboter in einer Reihe.

"Der konzeptionale Rahmen für ein Lokal muss Jahre halten“, sagt Gastroberater Jean-George Ploner von Global F&B Heroes. Aber er müsse flexibel sein: „Die Gastronomie muss sich auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einstellen.“ Und nicht auf die des Kochs oder Padrons. Und: „Mittelmaß funktioniert nicht mehr.“ Dafür wachse die Spitzengastronomie. Obwohl sie immer noch ein Renditeproblem hat: „Die Ein-Sterne-Gastronomie verdient Geld, ab zwei Sternen braucht man Sponsoren oder mehr als 30 Plätze.“ Umgelegt auf das österreichische Haubenprinzip: Ein bis zwei Hauben rechnen sich, alles, was drüber ist – und es könnten ja bald fünf Hauben sein –, hat ertragsmäßig ein Problem.

Gerne Vertrautes

Andererseits sind Sterne, Hauben, Gabeln und Punkte wichtig: „Sie geben Sicherheit.“ Und das suchen Gäste heute und in der Zukunft. Orientierung in einer reiz- und informationsüberfluteten Welt. Deshalb gehen sie auch gerne in Lokale, die sie schon kennen. Und sei es aus einer anderen Stadt, einem anderen Land. Auch deshalb funktioniert die Systemgastronomie à la Vapiano oder L’Osteria so gut. Da weiß man, was man bekommt. Daher auch der etwas überraschende Rat des Gastroexperten Ploner: „Einzelrestaurants sollten als Kette auftreten, weil das Sicherheit vermittelt.“ Sie sollten also aus aussehen oder wirken wie eine Kette. Das heißt vor allem: professionell!

Billiger oder besser?

Viele Gastronomen stellen sich die Frage im Wettbewerb mit den Nachbarn: Billiger oder besser? Ploner beantwortet diese Frage mit: „Billiger geht immer. Aber besser ist oft nicht viel teurer, aber eben besser.“ Der Preiskampf sei für den Einzelgastronomen tödlich. Auch hier ist die Systemgastronomie besser aufgestellt, weil sie effektiver agieren kann. Dann kommt noch dazu, dass die Marge in der Gastronomie im D-A-CH-Raum niedriger ist als in anderen Ländern. Deshalb kaufen momentan Investmentfonds in Deutschland kleinere Gastronomieketten – damit könne man noch reich werden in der Gastronomie.

Gut oder billig oder schnell?

Beim Service gibt es auch eine gute Frage: Gut oder billig oder schnell? Hier ist Ploners Antwort eindeutig: Alle drei sind möglich und erfolgversprechend. Aber nicht gleichzeitig. Er bringt den Vergleich mit einem Street-Food-Festival und dem Konzept des „Food-Trucks“. Hier trete immer das gleiche Problem auf: Wenn es gut läuft, ist eine lange Schlange vor dem Truck. Man wartet auf die Zubereitung, man wartet aufs Bezahlen. Alles dauert. Das mache jungen Leuten eher nichts aus, „die haben mehr Zeit als Geld“. Für alle anderen ist es ein Problem. 

Prepaid!

Stoßzeiten müsse man effizient ausnutzen, denn hier verdiene oder verliere man das Geld. Das gelte nicht nur für Food-Trucks. Ploners Lösung (die auch schon bei Food-Trucks eingesetzt wird): Prepaid! Vorher online bestellen und vorher bezahlen. Das könne man auch elegant machen. Zum Beispiel mit einem VIP-System wie vor einem Club: Wer bezahlt hat, darf lässig an der Warteschlange vorbei. In der „Data Kitchen“, der Werkskantine von SAP in Berlin, kann und muss man über eine App sein Essen bestellen und muss vorbezahlen. Das mache den Service sehr präzis und spare Wartezeiten. Wichtig im Mittagsgeschäft.

Breakfast all day

Effizienz ist nicht alles. Es geht auch um Flexibilität. Das gelte auch und vor allem in der Hotelleriegastronomie. „Frühstück bis zehn ist vollkommen out!“ Aber leider noch häufig üblich. Höchstens am Wochenende wird gnadenhalber auf 10.30 Uhr oder 11 Uhr verlängert. Küchenöffnungszeiten mittags und abends passen eigentlich auch nicht mehr in unsere Zeit – sind aber dank Mitarbeitermangels oder aus Tradition für Einzelunternehmen und Familienbetriebe fast unvermeidlich. Auch Schließzeiten am Wochenende. Hier ist die Systemgastronomie mit einem Mitarbeiterpool ebenso im Vorteil. 

Keine Angst vor Robotern

Ploner ist durchaus ein Anhänger der Robotik in der Küche. Er erzählt von einem Restaurant in Boston. Im Spyce werden Gerichte von Robotern zubereitet. Von einem ganzen Bataillon von Robotern, direkt vor den Augen der Gäste. Die Roboter bauen Bowls zusammen, die gerade sehr angesagte Form eines Eintopfs: preiswert und gesund. Die Arbeit der Roboter macht das Essen nicht weniger gesund, aber preiswerter. Wichtig: „Das Finishing müssen Menschen machen, vor den Augen der Gäste!“ So eine Bowl kostet 7,50 Dollar. Und die Roboter sind eine zusätzliche Attraktion. Spyce hat gerade viele Millionen Risikokapital bekommen.

Digitalisierung hilft

„Ein Roboter braucht keine Zigarettenpause und arbeitet 24 Stunden – ohne Zuschläge.“ Ploner ist auch ein Anhänger der Digitalisierung in der Gastronomie: Zum Beispiel mit einer digitalen Kasse, eingebunden in ein PMS. Dann braucht auch die Buchhaltung nicht mehr auf dem Papier ablaufen, und man kann jederzeit alle möglichen Infos über Planung oder Reporting abrufen. „Die Digitalisierung macht uns das Leben dauerhaft leichter. Es braucht allerdings drei Monate, bis alles funktioniert. Auch bei der Digitalisierung funktioniert nichts auf Anhieb. Das ist wie bei einem neuen Mitarbeiter.“ 
Künstliche Intelligenz weiß zum Beispiel anhand einer Vielzahl von Daten, wann wie viele Gäste kommen werden. Da gebe es tolle Tools: Kitro aus der Schweiz für eine bessere Abfallwirtschaft; Zensors beobachtet und analysiert über Kameras den Traffic im Lokal; FoodAI liefert über Visual Recognition eine Qualitätskontrolle bei der Essensausgabe.

Dispergierer und Destillierer

Auch die Küchentechnik schreitet munter voran. Vakumierer, Big Green Egg, Pacojet und Theromix gehören quasi schon zur Standardausrüstung. Sven Elverfeld schwört auf einen Dispergierer zum Aufschäumen, Sebastian Frank setzt einen Destillierer ein und Kevin von Holt einen Dialoggarer. Die Frage stelle sich nicht, ob man das alles wirklich braucht. Wenn man in einer bestimmten Liga mitspielen möchte, muss man zeigen, dass man innovativ ist. Aber nicht nur in der Oberliga: „Man muss oft sagen können: Ja, haben wir, ja, machen wir.“ Die Wünsche der Gäste werden immer individueller. Da muss man schon Mandelmilch und glutenfreie Produkte parat haben – ohne zusätzliche Wartezeit. „Der Gast erwartet 30 Prozent Neues und 70 Prozent Vertrautes.“ Vielleicht nicht beim Kirchenwirt. Auf Haubenniveau auf alle Fälle.