Gastro-Öffnung: Vorarlberger ziehen Bilanz

Gastronomie
25.03.2021

Von: Daniel Nutz
Vorarlbergs Gastronomie hat offen. Teilweise – und unter strengen Auflagen. Doch was hat die Öffnung bisher gebracht, und welche Schlüsse sind für Restösterreich zu ziehen?
Mit Abstand die beste Lösung? Vorarlberg zeigt, wie man in einer Pandämie Betriebe offen lassen kann. Aber rechnet sich das überhaupt.
„Vorarlberg ist ein wichtiges erstes Signal für die Branche.“ Mike Pansi, Gastgeber und Branchensprecher

Die Öffnung zeichnet in Vor­arlberg zwei unterschiedliche Bilder. An einem normalen Tag kämen zwischen 300 bis 400 Gäste, erzählt Gerd Danner. Gleich am 15. März hat er sein Kaffeehaus mit Konditorei in Dornbirn aufgesperrt. Gerade acht Gäste habe er da gezählt. Viele musste er aber auch abweisen, weil sie keinen Test dabei hatten. Extra testen für einen Kaffee? So groß ist die Sehnsucht nach einem Mokka oder einem Cappuccino dann doch nicht! 

Besser erging es den Restaurants. Michael und Andrea Schwarzenbacher beschlossen, ihr Restaurant Mangold in Lochau vorerst nur wochenends zu öffnen. „Es läuft aber sehr gut. Für das erste Wochenende hatten wir täglich mittags und abends 150 Reservierungen und konnten sogar einige Anfragen gar nicht mehr annehmen.“ 

Auch Heidrun Engl mit ihrem „Bunta Lada“ in Hohenems ist zufrieden. Im Hybrid-Shop aus Gourmethandel und Gastronomie ist das Restaurant nur auf das Tagesgeschäft ausgerichtet. Trotzdem habe sie gehadert, ob sie überhaupt aufsperren soll, erzählt die Unternehmerin der ÖGZ (mehr Stimmen aus der Branche finden Sie auf Seite 5). Die erste Woche habe sich gelohnt: „Die meisten Gäste reservieren vorher und bringen einen Test mit. Das funktioniert ganz gut, auch weil es genug Testmöglichkeiten gibt.“ 

Einige halten nichts von Regeln

Mehr als 100.000 Testungen fanden in der Woche der Gastro-Öffnung in Vorarlberg statt. Ein Rekordwert, der mit zum Öffnungskonzept gehört. Das Ländle mit seinen nicht ganz 400.000 Einwohnern und der niedrigsten Corona-Inzidenz ganz Österreichs (ca. 60) wurde auserkoren, zu einem Testgebiet für ganz Österreich zu werden. Die Frage: Haben Öffnungen der Gastronomie einen signifikanten Einfluss auf die Ansteckungszahlen?  

Von normalen Öffnungen kann freilich keine Rede sein. Die Sperrstunde liegt bei 20 Uhr. Zwischen den Tischen ist ein Mindestabstand von zwei Metern vorgesehen. Es herrscht Maskenpflicht bis zum Tisch, und Zugang gibt es nur mit Tests, was von den Gastronomen zu kontrollieren ist. 

Die Gästezahlen waren vor allem in den Städten den Umständen entsprechend gut, und die Infek­tionszahlen bleiben jedenfalls auch nach der ersten Öffnungswoche stabil. Klarerweise lässt dies noch keinen Schluss auf einen Trend zu. Vereinzelt gab es Fälle, bei denen die Regeln nicht eingehalten wurden: Gastronomen, die den Zwei-Meter-Abstand zwischen den Tischen ignorierten, manche, die Tests nicht kontrollierten, oder Gäste, die sich nicht an die Vier-Personen-Regel pro Tisch halten wollten. Laut den Vorarlberger Behörden keine gravierenden Ausuferungen, aber Punkte, die man nun gezielt kon­trollieren will. 

Die Hälfte hat offen

Und wie sieht es betriebswirtschaftlich aus? Mit dem 15. März hatte gerade einmal jeder Dritte der 1.811 Gastronomiebetriebe geöffnet. Laut einer Umfrage der Vorarlberger Landesregierung sind einige nachgezogen, sodass mit dem ersten Wochenende wohl im städtischen Bereich 70 Prozent und insgesamt die Hälfte der Betriebe offen hatten. Aber reicht das? 

Per Videotelefonie sprach die ÖGZ mit Mike Pansi, seines Zeichens Spitzenkoch, VKÖ-Präsident und auch noch Gastro-Spartenobmann im Ländle. Sein Fine-Dining-Restaurant, die Kochmeisterei in Hohenems, hält er geschlossen. „Weil bei uns die Gäste um frühestens 18.30 Uhr kommen und meist erst nach Mitternacht gehen. Aufgrund der Sperrstunde um 20 Uhr ergibt das für uns keinen Sinn“, sagt er. So wie Pansi geht es im Ländle einigen. Das Geschäft findet vielerorts abends statt. 

Wichtiges Signal für die Branche

Dennoch, eine Öffnung ist besser als geschlossen zu haben. „Vorarlberg war ein wichtiges erstes Signal für die Branche. Erstmals seit vier Monaten konnte ein zunächst kleiner, inzwischen wachsender Teil der Gastronomiebetriebe wieder Gastgeber sein.“ Pansi selbst zählte am 15. März auch zu den Ersten, die ihren Fuß in ein Restaurant setzten. Er hätte so richtig Lust auf ein Schnitzel aus einer Gasthausküche gehabt, erzählt er. 

Die Vorarlberger Gastro-Öffnung soll Mut machen und ein Gefühl von Normalität verbreiten. Bei allen mehr oder minder erfolgreichen Unternehmenshilfen, kaum jemand wird Gastronom, um seinen Betrieb geschlossen zu halten. „Sehr gerne werden wir uns wieder aktiv am Bruttoinlandsprodukt beteiligen! Zuversichtlich gehen wir davon aus, dass wir ein erfolgreiches Ostergeschäft vor uns haben, und unsere Vorfreude ist kaum zu überbieten“, schreiben beispielsweise die in Sulz im Bezirk Feldkirch beheimateten Gastgeber Helmut und Silvia Benner der ÖGZ. 

Eines ist klar: Den richtigen Rebound der Branche werden wir erst mit einer Durchimpfung der Bevölkerung erleben. Die Nachholeffekte, wie es Ökonomen nennen, oder die Lust auf das Bier und Schnitzel im Lokal, wie der Volksmund sagt, sind vorhanden. Es lässt sich nur kühn spekulieren, wann diese mit weniger gravierenden Einschränkungen konsumiert werden können. Vertraut man den Impf- und Beschaffungsplänen, könnte dies im Sommer der Fall sein. 

Aussicht in ganz Österreich

Dies ist auch die Hoffnung, die die Bundesregierung verbreitet. Geht alles gut, wird es sich ausgehen. Doch was tun wir in den Monaten bis dahin? Mike Pansi hofft auf weitere Öffnungsschritte mit Lockerungen. Konkret wünscht er sich die Ausweitung der Ausgangssperre und damit der Betriebszeiten bis 23 Uhr, die Reduktion des Abstands „Kopf zu Kopf“ auf einen Meter sowie die Akzeptanz und einfachere Handhabung der sogenannten „Selbsttests“ in der Gastronomie. Auch die 900 Beherbergungs- und 520 Sport- und Freizeitbetriebe Vorarlbergs sollen in die Testregion aufgenommen werden. 
Ob sich die Gesundheitsverantwortlichen darauf einlassen, ist fraglich. Zweifelhaft ist auch, wann sich die Erkenntnisse aus Vor­arlberg auf Rest-Österreich umlegen lassen. Bei Inzidenzen jenseits der 300 Fälle pro 100.000 Einwohner und Woche in Salzburg oder Ostösterreich haben selbst die optimistischen Landeshauptleute ihren Ruf nach Öffnungsschritten auf lautlos gestellt. Was ist der Ausblick? Die nächsten Wochen werden die entscheidenden, könnte man den immer wiederkehrenden Sager des Gesundheitsministers zitieren. 

Mehr zum Thema: 
Lage in der Schweiz: 40 Prozent der Betriebe vor Konkurs