Wein-Herbst: Gans gut oder wilde Mischung?

06.10.2017

Von: Roland Graf
Welcher Wein passt zu Wild und Gansl? Die ÖGZ-Kosterrunde hat es ausprobiert und festgestellt: Es gibt viel mehr als die traditionellen Begleiter!
Nach getaner Verkosterarbeit: Jason Turner, Sylvie Hütter, Reinhard Bachmayer, Franz Seidl, ÖGZ-Autor Roland Graf und Thomas Seidl.

Gibt es den Ganslwein überhaupt? Was für eine Frage! Wenn man nach der traditionellen Kost zu Martini (11. November) geht, liegt der Fall jedenfalls klar: Der „Staubige“, also Jungwein des aktuellen Jahrgangs, muss zum Federvieh aufgetischt werden. Doch bei allem Verständnis fürs Brauchtum war sich die ÖGZ-Kosterrunde im Gasthaus Seidl schnell einig, dass jugendliche Noten wie Primärfrucht und Säure zu wenig sind, um mit dem knusprigen Braten aromatisch Schritt zu halten. Ein viel wichtigerer Parameter stellt der analytisch schwer zu messende „Körper“ des Weines dar. Denn der kräftige Eigengeschmack der Gans, kombiniert mit krosser Haut und ausgebratener Fettschicht, kann mit Leichtgewichten nichts anfangen.

Nicht zu viel Holz

Naheliegenderweise stammen viele Jungweine, die im November „fertig“ sind, aus früh geernteten weißen Sorten. Und tatsächlich muss es kein Rotwein zum Braten sein. Erstens ist auch die Gans grundsätzlich Geflügel und somit ein Kandidat für Weißwein-Begleitung. Zweitens schlägt – wenn entsprechender Körper, zarter Holzeinsatz und vielleicht etwas Restzucker zusammenkommen – z. B. ein Chardonnay so manchen primärfruchtigen Roten! Vor allem bei modernen Zubereitungsarten, die asiatisch inspirierte Aromen mit Gänsefleisch kombinieren (etwa Frühlingsrollen mit Gänseklein oder dem Einsatz von Wok, Paprika und Sojasauce), können körperreiche Weißweine perfekt mitspielen.

Hier bringen sowohl Kokos-, als auch Vanillenoten aus der Holzlagerung einen Extrakick, sofern die Tropenfrucht und der leichte Restzucker nicht überlagert werden. Interessanterweise aber scheint das Pendel teilweise in die andere Richtung auszuschlagen: Dann nämlich, wenn „Körper“ als eine mathematische Funktion der im Holzfass verbrachten Zeit interpretiert wird. Gerade Röstaromen passen zur (daran auch nicht gerade armen) knusprigen Gänsekeule nicht so recht. 

Als ideal erweisen sich vielfach rote und weiße Weine der mittleren Gewichtsklasse aus dem großen Holzfass, die noch genug Säure mitbringen. Sie erfrischen Gaumen und kommen dem voluminösen Braten wie ein flüssiges Präzisionsinstrument bei. Abgesehen davon, dass diese Reserve-Weine auch kalkulatorisch im Offenausschank Spielraum geben – und definitiv länger auf der Karte stehen können als der Jungwein 2017.

Wild & Preiselbeere

Neben dem Gansl, das Philipp Barosch im Wiener „Gasthaus Seidl“ für unseren Praxistest auftischte, wurden der Jury auch zwei Wild-Gerichte gereicht. Weil die Anforderungen an die glas- oder flaschenweisen Empfehlungen zu den Wildwochen gänzlich anders geartet sind als beim deftigen Gänseschmaus. Vor allem geht es beim an sich eher fettarmen Wildbret um eine saftige Begleitung. Weniger die Säure ist hier das Desiderat für ein perfektes Pairing, sondern eine Qualität, die man früher gerne mit „samtig“ umschrieben hat. 

Würze im Wein darf hingegen durchaus sein, schließlich finden sich starke Aromen, an die man hier anschließen kann, in allen klassischen Zubereitungen und Beilagen: Wacholder und Piment, aber auch Nelke und Zimt aus Saucen und im Rotkraut, dazu natürlich Lorbeer und vor allem die Preiselbeeren, deren leichte Bitterkeit durchaus als Maßstab für einen guten Rotwein zu Hase, Fasan, Hirsch und Wildschwein gelten kann. Vor allem gilt es bei diesen Begleitern auch immer die wichtigste „Paarungsregel“ der Gastronomie zu beachten: Welche Komponente am Teller ist aromatisch am stärksten? Kommt eine Wurzelrahmsauce ins Spiel, können erdige Töne eines ansonsten vielleicht passenden Weins schon zu viel des Guten sein.

Ähnliches gilt für fruchtsatte Noten, etwa eines Merlots, wenn Rotkraut mit Orangen und süße Maroni als Beilagen vorgesehen sind. Saftige Frucht, leichter Gerbstoff und Würze bringen Blaufränkisch und Zweigelt in reiferen Jahren. Insofern steht einer österreichischen Begleitung zum heimischen Wild nichts im Wege.

Hirsch gern würziger

Ein Geheimtipp, der sich auch in der ÖGZ-Verkostung sehr bewährte, besteht im Anbieten von Cuvées mit internationalen Sorten. Cabernet Sauvignon oder Syrah ergänzen mit ihren sortenspezifischen Würznoten die fruchtsatten heimischen Varianten sehr gut. Eine interessante Frage stand am Schluss des ÖGZ-Weinquartetts: Gibt es einen „herbstlichen Allrounder“, der mit Wild – in unserem Falle testeten wir mit Ragout und Hirsch-Carpaccio – und dem Gansl zugleich eine gute Geschmacksehe eingeht? Vorsichtig lässt sich dies für die würzigen Sorten St. Laurent – ohnehin viel zu wenig eingesetzt – und den Cabernet Sauvignon beantworten.

Umseitig finden sie jene Weine, die für die ÖGZ-Koster zu Gans und Wild die beste Figur machten, natürlich wie immer mit Preisen und Bezugsquellen!