Kräftige Feinmechanik: Der Zauber der Weißwein-Reserven

ÖGZ-Verkostung
13.10.2020

Von: Roland Graf
ÖGZ-Verkostung: Nicht, dass man sich vom spritzigen Veltliner oder Welsch ganz verabschieden müsste. Aber mit dem beginnenden Herbst lebt der Gast auch beim Wein die Maxime „mollig ist schön“

Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es“ – ähnlich wie der heilige Augustinus bei der Definition der Zeit ratlos war, wird man es manchmal bei „Reserve-Wein“.

Denn dass es sich um schwere, im Holzfass ausgebaute Abfüllungen handelt, ist keineswegs richtig. Von Amts wegen kann jeder Qualitätswein mit Jahresangabe und mit mindestens 13 % vol. um die Bezeichnung ansuchen. Und hier zeigt sich ein fast schon musealer Ansatz des heimischen Weinrechts: Denn an den 13 % kratzt in Zeichen der Klimaerwärmung mittlerweile schon nahezu jeder Weißwein. Aber halt! Denn auch in rechtlicher Hinsicht sind die meisten dieser intensiven Weine schon „Über-Erfüller“. 

Denn das Weingesetz erlaubt die Einreichung zur staatlichen Prüfnummer ab dem 15. März des Folgejahres nach der Lese. Das ist zwar später als viele Rotweine – für den Zweigelt „DAC Neusiedler See“ liegt der Termin z. B. bei 1. Februar –, allerdings zeigen vor dem Sommer kaum Weingüter ihre „Reserven“ her. Simpel gesagt, hatten diese Weine daher mehr Zeit zur Reifung – eine Kennzeichnung, die sie auch mit der 2017 eingeführten „Reserve“ im Sektbereich teilen. Dort darf der Verkauf „nicht vor dem 22. Oktober des zweiten auf die Ernte folgenden Jahres“ erfolgen.

Weniger Ungestüm

Die bestens verbundenen Aromen sind es, die für die Gastronomie deutlich mehr Möglichkeiten ergeben als junge „Springinkerln“. Mit einem entsprechend größeren Glas und vor allem nicht zu kalt serviert, spielen die heimischen Paradesorten Veltliner und Riesling ebenso ihre Finesse aus wie der Chardonnay. Bei ihm kann auch Holzeinsatz einen Langstreckenläufer nach burgundischem Modell formen. Denn wer nur an Alkohol und Röstaromen denkt bei der „Reserve“, kennt offenbar die Feinmechanik einer perfekten Abstimmung aus Reife und Finesse nicht. Gerade zu den „molligen“ Speisen der heimischen Küche – man denke nicht nur an paprizierte Saucen, sondern auch an Fleckerln, Knödeln und Nockerln – sind die unaufgeregten weißen Reserven ein Hit.

Dem immer stärker gepflegten Herkunftsgedanken kommen die weißen Reserven ebenfalls entgegen. Sind die Primäraromen und ihr Ungestüm einmal zurückgegangen, schimmert das „Terroir“ klar durch. Dann hat der Sommelier die Wahl, ob er z. B. vom Veltliner lieber klirrende Mineralik oder wärmende Löss-Stilistik zeigen möchte. In diesem Sinne löst die „Reserve“ sogar die militärische Konnotation ein: als Geheimwaffe im Genussarsenal. Einen Rundgang darin unternahm die ÖGZ für Sie – auf drei Seiten schildert das Kostquartett seine Favoriten und mögliche Essensbegleiter.

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