Gastro-Großhandel im Wandel

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01.06.2023

Welche Präferenzen haben heimische Gastronomie-Unternehmen hinsichtlich ihrer Lebensmittel-Lieferanten? Eine Umfrage von Stratisfaction liefert Antworten.
Symbolfoto Handel Einkauf

Nicht nur in der Politik und in der Unterhaltungsbranche sind Publikums-Votings zurzeit en vogue. Beliebtheit bei den Kunden als Hauptmotiv für Kundentreue und damit für stabile Umsätze ist speziell in der Gastronomie der entscheidende Erfolgsfaktor. Und das gilt auch für den Wettlauf um die Kundengunst zwischen den vorgelagerten Lieferketten. Aus diesem Grund beauftragte die ÖGZ das renommierte Marktforschungsinstitut Stratisfaction, eine große Anzahl heimischer Gastronomie-Unternehmen nach den beliebtesten Lebensmittel-Lieferanten zu befragen. 

Geografische Verteilung: Ostlastig

Die aktuelle Teuerungsdiskussion sowie die Aufteilung der AGM-Standorte im vergangenen Jahr verleihen dieser Online-Umfrage, an der insgesamt 384 Betriebe teilnahmen, ihre besondere Brisanz und Aussagekraft. 

Um die Ergebnisse dieses Beliebtheits-Tests richtig in ein Gesamtbild des aktuellen Wettbewerbs im Gastro-Großhandel einzuordnen, muss man einen Blick auf die geografische Verteilung des Samples und die Betriebs­typen-Struktur der Umfrage-Respondenten werfen. Wie das Erhebungsdesign (siehe Kasten unten) ausweist, waren die Rücklaufquoten aus den Bundesländern Niederösterreich (32,2 %) und Wien (24,7 %) am höchsten, Gastronomiebetriebe in den westlichen Bundesländern (Tirol, Vorarlberg, Salzburg) hingegen sind in diesem Sample unterproportional vertreten. Kurz gesagt: Für den Wettbewerb in der Ostregion sind die Befragungsergebnisse wesentlich aussagekräftiger als für den Westen. 

Grafik zu C&C

Mehrere Bezugsquellen

Die 384 „Juroren“ unserer Beliebtheitswahl sind überwiegend der mittelständischen Individualgastronomie, sprich, den Betriebstypen Gasthaus, Restaurant, Hotel, Café, Heurigen zuzuordnen. Nicht so sehr im Fokus der Befragung standen Betriebe der Gemeinschaftsverpflegung (Betriebsküchen, Kantinen in Schulen, Spitäler, Seniorenheime etc.), Catering-Firmen, Ethno-­Lokale sowie die Fastfood-Ketten. 

28,2%  der Befragten entscheiden sich für Metro als ihren Lieblings-Lieferanten. Transgourmet belegt  mit  25,4% Zustimmungsrate Rang Zwei,  mit deutlichem Abstand  landet die Eurogast-Gruppe  auf  dem dritten Stockerlplatz (12,5%).

Weil aber unsere Gastwirte und Restaurant-Betreiber in der Regel dazu tendieren, beim Lebensmitteleinkauf auf mehrere Bezugsquellen zuzugreifen, wurde auch abgefragt, welche Gastro-Großhändler als Zweitlieferanten besondere Wertschätzung genießen. Auch dieses Ranking führt Metro an, allerdings – Überraschung! – belegt Kröswang in dieser Disziplin den zweiten Platz und reiht sich damit vor Transgourmet. Als Zweitlieferant, beliebter als in der Funktion des Hauptlieferanten, ist neben Kröswang auch das Familienunternehmen Kastner, heuer 195 Jahre jung. Im Gegensatz dazu konnten Eurogast (mit Kiennast als stärkstem Mitglied im Raum Wien/NÖ) und Wedl beim Beliebtheitstest, vergleichsweise weniger „Zweitstimmen“ einheimsen. Bei der Frage nach dem drittplatzierten Lieblings-Lieferanten lautet die Reihung Metro vor Transgourmet vor Kröswang. 

Grafik zu C&C
28,8 % der Befragten entscheiden sich für Metro als ihren Lieblingslieferanten. Transgourmet belegt mit 26,4 % Zustimmungsrate Rang zwei, auf Platz drei landet die Eurogast-Gruppe mit 12,9 %. Quelle: stratisfaction.at

AGM: ­Wettbewerbsbehörden ­bewiesen Augenmaß

Die Vielzahl der Nennungen beweist: Auch wenn mit AGM ein starker Lebensmittel-Großhändler aus dem Markt ausscheidet, kann praktisch jeder heimische Gastronomie-Betrieb, egal ob klein oder groß, weiterhin zwischen einer Vielzahl von Großhandelspartnern mit unterschiedlichen Leistungs-Profilen wählen. Und die meisten machen von dieser Wahlmöglichkeit reichlich Gebrauch. Die Voraussetzungen für einen funktionierenden Preis-, Qualitäts- und Service-Wettbewerb sind also gegeben. Man kann als um Objektivität bemühter Beobachter den Wettbewerbsbehörden (BWB und Kartellgericht) bescheinigen, mit den Auflagen für den Rewe-Metro-Deal Augenmaß bewiesen zu haben. 

Auch wenn Metro den Löwenanteil zugesprochen erhielt, Eurogast, Transgourmet und Kastner sind bei der AGM-Aufteilung auch nicht leer ausgegangen. Bleibt aus der Sicht regionaler Mitbewerber die schiefe Optik, dass nach der AGM-Aufteilung Metro jetzt in Wiener Neustadt und in St. Pölten jeweils über zwei Gastro-Großhandels-Standorte verfügt. Abholmarkt und Zustell-Logistikzentrum als getrennte Betriebe zu führen böte sich da als Option an.

Gastro-Großhandel punktet gegenüber ­Direktvermarktung

Knifflige Frage für viele Gastro­nomen: Erledige ich meinen Food-Einkauf im Gastro-GH (Abholung und Zustellung), wo ich alles aus einer Hand bekomme, oder doch lieber direkt beim Lebensmittel-Produzenten, wie das im Getränkesektor häufig der Fall ist? Das Ergebnis ist für den Gastro-­Großhandel als Absatzmittler zwischen Produktion und Gastronomie äußerst erfreulich:
Laut unserer Umfrage lassen sich zwischen 20 und 30 % der C&C-Kunden aus der Gastronomie von ihrem Großhandelspartner auch beliefern. Daneben gibt es jene Gastronomen, die sich definitiv für eine der beiden Einkaufsoptionen entscheiden, die ihnen der Gastro-GH bietet. 20 % lassen sich den kompletten Food-Bedarf zustellen, 9,5 % hingegen setzen zu 100 % auf Selbstabholung und outen sich so als C&C-Puristen. 

Als beliebteste Zustellfrequenz gilt die einmalige Belieferung pro Woche (25,5 % Zustimmung), 
18,8 % wollen mehrmals pro Woche Lebensmittel zugestellt bekommen, da geht es vor allem um Versorgung mit frischen und ultra­frischen Lebensmittel
„C&C-Großhändler werden bevorzugt, Liefer-(= Zustell-)Groß­händler haben noch großes Wachstumspotenzial“: So lautet der zusammenfassende, auf den ersten Blick überraschende Befund der Umfrage. Dazu einige firmenspezifische Details: Jene Gastronomen, die den betreffenden Großhändler zu ihrem Lieblingslieferanten kürten, gaben folgende Zustellanteile bekannt:

  • Metro bevorzugt: 32 % nannten eine Lieferquote von 25 %, nur 16 % eine von 100 %.
  • AGM bevorzugt: Starke Polarisierung. 33 % gaben eine Zustellquote von 33 % an, ein weiteres Drittel hingegen meldete 75 % Zustellanteil:
  • Transgourmet bevorzugt: 38 % von ihnen gaben an, dass sie sich 25 % ihres Food-Einkaufs bei ihrem Lieblings-Großhändler von diesem zustellen lassen. 
  • Auch loyale Kastner- und Wedl-Kunden weisen hohe Lieferanteile aus.
Grafik zu C&C

Andere Zustellanteile bei Gastro Data

Wir wechseln von der Kunden- zur Lieferantenperspektive. Seit Jahren meldet der Gastro-GH steigende Umsatzanteile des Zustellgeschäfts, und eine entsprechend rückläufige Entwicklung bei der Abholung aus den C&C-Märkten. Dazu die brandaktuellen Zahlen von Gastro Data: Der Zustellanteil im heimischen Gastro-GH lag in den ersten drei Monaten 2023 bereits bei über ­75 %. Somit sank die C&C-Abholquote unter die 25-Prozent-Marke. 

Dass Gastro Data, was das Verhältnis von Abholung und Zustellung betrifft, zu ganz anderen Ergebnissen kommt als unsere Umfrage, hat vor allem erhebungstechnische Gründe. In den Umsatzmeldungen des Gastro-GH sind auch die Lieferungen an die Betriebe der Gemeinschaftsverpflegung enthalten, Gastronomie-Betriebe, die in viel höherem Maße auf Zustellung setzen als die Individualgastronomie und speziell in Wien für einen überproportional hohen Anteil des Branchenumsatzes aufkommen. Angesichts dieses Umstandes darf man sich nicht wundern, dass unsere Studie dem C&C-Geschäft einen deutlich höheren Stellenwert beimisst, als die Gastro-Data-Analyse. 

Heruntergebrochen auf die einzelnen Großhandelsfirmen ist die Relation von Zustell- und Abholgeschäft jedenfalls sehr verschieden. Auf 100 % Zustellung setzen Kühl- und TK-Spezialist Kröswang und Eurogast-Großhändler Kiennast. Kastners Gastrodienst erreichte 2022 einen Anteil von 62,2 %,
Tendenz stark steigend. Kastners Abholmärkte kamen auf einen Anteil von 37,8 %. Spitzenreiter bei der Gastro-Zustellung ist nach allgemeiner Experteneinschätzung Transgourmet, am unteren Ende lag, was die Zustellquote betrifft, bislang die Metro, das „C&C-Urgestein“. 

Metro hat Aufholbedarf in der Zustellung

Weil aber die sieben übernommenen AGM-Märkte durch die Bank hohe Zustellquoten aufweisen, rechnet sich Thomas Rudelt, Metro-Geschäftsführer für Einkauf und Supply Chain, für heuer eine Verdreifachung (!) des Zustellgeschäfts aus. Damit dieses ambitio­nierte Ziel erreicht wird, müssen nicht nur die „übernommenen“ AGM-Zustellkunden bei der Stange bleiben, die Metro muss auch im Großraum Wien, wo ja keine AGM-Übernahme stattfand, das Zustellgeschäft der Großmärkte in Vösendorf, Simmering und Langenzersdorf ordentlich ausbauen. 

Sortimentsspezialist, eine Nische

Die Fokussierung auf einzelne Warengruppen hat sich als taugliches Rezept für mittelgroße Gastrogroßhändler erwiesen, um gegenüber den umsatzstärkeren, breit sortierten Branchenriesen zu reüssieren. Dazu förderte die Umfrage folgende warengruppenspezifische Details zutage:
• Bei Fleisch und Wurst weist, keineswegs überraschend, Wiesbauer Gourmet, die Großhandelssparte des renommierten Wurstproduzenten, mit 51 % den höchsten Bedarfsdeckungsanteil bei Fleischwaren auf. Dahinter folgen Wedl (45 % Bedarfsdeckung), Kröswang (35 %) und Metro mit 27,6 %.
• Im Bedarfsdeckungs-Ranking bei Tiefkühl- und Convenience-Lebensmitteln führt Wedl mit 60 %, gefolgt von Kröswang mit 53 %. Ähnliches gilt für Frisch- und TK-Fisch. 
• Bei der Beschaffung von Obst und Gemüse ist man ebenfalls als Wedl-Kunde gut aufgehoben (39,3 % Bedarfsdeckung), knapp dahinter folgt Transgourmet mit 37,8 %. 

Die Bedarfsdeckungsquote gilt in der Marktforschung als Indikator für die Kundenloyalität. Eine Aussage über die Marktbedeutung des jeweiligen Großhandelshauses in der betreffenden Warengruppe lässt sich freilich erst dann treffen, wenn man die Bedarfsdeckung zum Umsatzvolumen und damit zum Marktanteil der Firma in den betreffenden Kategorien in Beziehung setzt.

Preis-Leistungs-Verhältnis

Gerade in Zeiten, da der hitzige öffentliche Disput über die Preissteigerungen bei Lebensmitteln Österreichs Gastronomen und ihren Lieferanten schlaflose Nächte bereitet, avanciert das Preis-Leistungsverhältnis zum zentralen Entscheidungskriterium bei der Wahl des Lieferanten. Und in dieser Königsdisziplin schneidet Kröswang mit der Zeugnisnote 1,7 (Zustimmungswert auf einer fünfstufigen Skala) am besten ab. 

In den Fächern „Kundenzufriedenheit“ und „Weiterempfehlungs-Bereitschaft“ belegt Kröswang den zweiten Rang hinter dem Spezialisten Wiesbauer Gourmet. Signifikante Unterschiede in der Gesamtwahrnehmung der beiden um die Marktführung kämpfenden B2B-Großunternehmen Metro und Transgourmet sind dabei nicht auszumachen. Also heißt es: Ärmel aufkrempeln und weiterkämpfen im Bemühen um die Gunst von König Gastwirt. Die hohe Volatilität der heimischen Individualgastronomie, landläufig auch als „Rosinenpicker-Mentalität“ bezeichnet, wird durch die Umfrage einmal mehr bestätigt. Bei der Kundenbindung zählt der Vertrauensaufbau durch Information. Flugblätter und Newsletter als beliebteste Informationsquellen können dazu einen wertvollen Beitrag leisten. Auch das hat die Umfrage ergeben.