Take Away und Zustellung

Tischgedeck 2.0

Gastronomie
12.07.2023

Boomende Segmente wie Take-away und Lieferdienste erhöhen den Bedarf an Einweggeschirr. Im Dschungel aus Materialien und Abfallgesetzen ist nachhaltig zu wirtschaften schwierig.
Verpackungen

Spätestens mit der Covid-Pandemie und den diversen Lockdowns hat sich das Segment der Zustell- und Abholservices in der Gastronomie massiv und vor allem bleibend vergrößert. Ohnehin durch das von Millennials und Generation Z leidenschaftlich betriebene Cocooning fest etabliert, haben globale Zustelldienstleister wie Lieferando bzw. Foodora (vormals Mjam) die Entwicklung noch vorangetrieben. Die vielen, ebenfalls durch Corona bedingten Schließungen von Lokalen und die nachfolgende Teuerungswelle haben ihren Teil dazu beigetragen. 2023 isst man nicht mehr nur auswärts, sondern bestellt auswärts für daheim. 

Das ist nicht unbedingt eine bedrohliche Entwicklung für die Gasttronomie, verkauftes Essen ist verkauftes Essen. Der Aufwand für Provisionen an den Zustelldienstleister bzw. die Kosten für Verpackungsmaterial lassen sich bequem aufschlagen oder sogar durch Einsparungen beim Servicepersonal wettmachen, selbst die entgangenen Getränkeumsätze sind verkraftbar, wenn man gut kalkuliert und u. a. auch den Wegfall energie­intensiver Vorgänge wie Abwasch oder Klimatisierung einpreist. Jedoch: Es muss Verpackungsmaterial besorgt und eingelagert werden, und hier beginnt der spannende Teil. Denn sofern man nicht nur einfache, kostengünstige, leicht recycelbare und vor allem global akzeptierte Pizzakartons benötigt, sind Gastronomen und Hersteller gleichermaßen gefordert.   

Gäste wollen ansprechende und nachhaltige Präsentation

Es prallen punkto Anforderungen an eine Bowl, eine Burgerschachtel oder eine Kebap-Box völlig unterschiedliche, ja oft diametral entgegengesetzte Ansprüche und Anforderungen aufeinander. Der Kunde möchte ein Behältnis, das seine Speisen möglichst lange und geschmacksneutral warm hält, im Idealfall auch noch ein, zwei Tage im Kühlschrank überlebt und nicht zuletzt auch appetitlich aussieht. Und – vor allem für die eingangs erwähnten umweltbewussten Millennials und GenZ wichtig: Es soll möglichst wenig Umweltbelastung entstehen, schließlich will man das ohnehin schon durch Bequemlichkeit belastete Gewissen nicht auch noch mit einem unverhältnismäßigen CO₂-Abdruck überreizen.

Grundsätzlich ja alles machbar. Aber für die Hersteller beginnt hier eine komplexe Aufgabenstellung, denn nicht jeder verwendbare Werkstoff verfügt über die nötigen Produkteigenschaften (siehe Glossar unten). Recyelbar, aber nicht für den Ofen geeignet? Oje. Für den Ofen, aber nicht für den Tiefkühler gemacht? Schade. Hält alles aus, ist aber weder bio noch nachwachsend? Auch nicht. 

Ein Dilemma, denn auch wenn bestimmte Materialien oder Materialkombinationen alle technischen Eigenschaften erfüllen, kommt immer noch der Kostenfaktor dazu. Oder kleinere Ärgernisse wie Einschränkungen bei der Formgebung oder Bedruckung. Selbst einfachste Verpackungen wie der schon angesprochene simple Pizza­karton können schnell Grund für Kopfzerbrechen sein; man denke nur an die durch den Gaspreis bedingten irrwitzigen Preissprünge in der Papierindustrie oder die erst jüngst wieder geänderten Abfallrichtlinien. Konsumenten und Gastronomen sind durch dürftige Kommunikation des Gesetzgebers verunsichert: Darf die fettige Pizzaschachtel nun ins Altpapier oder nicht? Muss die beschichtete Schüsssel in den Gelben Sack oder doch in den Restmüll?

Innovation gefragt

Der Konsument hat also hohe Ansprüche an die Eigenschaften der Verpackung punkto Qualität, Ökologie und Präsentation, während der Gastronom auf Faktoren wie Preis, Handling und Lagerung achtet. Der Innovationsdruck liegt hier demzufolge ganz klar bei den Herstellern. Lange vorbei sind die Zeiten, als die Reste für daheim im Lokal schnöde in Alufolie verpackt wurden oder Schnitzel wie Dürüm gleichermaßen in eine Schaumstoff-Hülle passen mussten. Heute soll die Suppe in einen auslaufsicheren, aber recycelbaren Behälter, der Salat in eine Schüssel mit transparentem Deckel (wegen der Optik) und der Burger möglichst in einer der vom Fastfoodriesen gelernten Schachteln entsprechend verpackt werden. Idealerweise auch mit klar ersichtlicher Information, was wo entsorgt werden darf bzw. muss. Die Hersteller sind also nicht nur punkto Materialeigenschaften, sondern zunehmend auch in Designfragen und stellvertretendes Greenwashing für den Endkunden gefragt.

Nachhaltigkeit als Muss

Es ist nicht zu erwarten, dass sich in der zunehmend vernetzten, automatisierten und vor allem von Convenience dominierten Welt etwas an den Trends ändern wird, im Hinblick auf die rasend voranschreitende Plünderung des Planeten besteht aber höchster Handlungsbedarf. Die Gretchenfrage lautet daher: Ist die Bequemlichkeit es wert, auf Kosten unseres Planeten zu leben? Natürlich nicht! 

Die Gastronomie hat hier einige Chancen. Sie kann die Speerspitze in der Bewegung hin zu grünerem, nachhaltigerem Konsum sein. Die Kundschaft wird immer sensibler für Umweltfragen und schätzt Unternehmen, die ihren Beitrag leisten, um die Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren. Diese Anforderungen werden wiederum von der Gastronomie eins zu eins an die Verpackungsindustrie weitergeben. Doch es gibt Herausforderungen. Nachhaltige Materialien sind oft teurer in der Anschaffung, was vor allem für kleinere Restaurants und Imbissbuden eine echte Schwierigkeit bei der Kalkulation darstellen kann. Darüber hinaus sind einige nachhaltige Verpackungsmaterialien in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Viele Hersteller haben daher bereits begonnen, nachhaltige und hochwertige Verpackungslösungen zu akzeptablen Konditio­nen (sprich: gleich günstig wie herkömmliches Material) anzubieten. Denn ähnlich wie bei Bio-Produkten sorgt erst ein vernünftiges Preisband für Akzeptanz am Markt. 

Innovation voranzutreiben und faire Bedingungen für alle Seiten zu schaffen kann jedoch nur als gemeinsame Anstrengung funktionieren. Es sind daher nicht nur die Verpackungshersteller, sondern auch die Gastronomen gefordert, nachhaltiges Material bewusst zu verwenden und zu fördern. Dem Planeten zuliebe.

GLOSSAR: Die gängigsten Materialien und ihre Eigenschaften

PET – POLYETHYLEN

  • Grad Celsius -17° bis +80°    Mikrowelle geeignet Nein    Ofen geeignet Nein
  • Tiefkühl geeignet Ja    Öl-, fettbeständig Ja    Bio-Material Nein
  • Recycelbares Material Ja    Öl-Basis Ja    Nachwachsend Nein

PP – POLYPROPYLENE

  • Grad Celsius -10° bis +120°    Mikrowelle geeignet Ja    Ofen geeignet Nein
  • Tiefkühl geeignet Ja    Öl-, fettbeständig Ja    Bio-Material Nein
  • Recycelbares Material Ja    Öl-Basis Ja    Nachwachsend Nein

PVC – POLYVINYL CHLORIDE

  • Grad Celsius -20° bis +60°    Mikrowelle geeignet Nein    Ofen geeignet Nein
  • Tiefkühl geeignet Ja    Öl-, fettbeständig Ja    Bio-Material Nein
  • Recycelbares Material Ja    Öl-Basis Ja    Nachwachsend Nein

PC – POLYCARBONATE

  • Grad Celsius -10° bis +100°    Mikrowelle geeignet Nein    Ofen geeignet Nein
  • Tiefkühl geeignet Ja    Öl-, fettbeständig Ja    Bio-Material Nein
  • Recycelbares Material Ja    Öl-Basis Ja    Nachwachsend Nein

WOOD – HOLZ

  • Grad Celsius -18° bis +200°    Mikrowelle geeignet Ja    Ofen geeignet Ja
  • Tiefkühl geeignet Ja    Öl-, fettbeständig Ja    Bio-Material Ja
  • Recycelbares Material Ja    Öl-Basis Nein    Nachwachsend Ja

BAMBUS – BAMBUS

  • Grad Celsius -5° bis +70°    Mikrowelle geeignet Nein    Ofen geeignet Nein
  • Tiefkühl geeignet Nein    Öl-, fettbeständig Ja    Bio-Material Ja
  • Recycelbares Material Ja    Öl-Basis Nein    Nachwachsend Ja

PALM – PALMBLATT

  • Grad Celsius -18° bis +180°    Mikrowelle geeignet Ja    Ofen geeignet Ja
  • Tiefkühl geeignet Nein    Öl-, fettbeständig Ja    Bio-Material Ja
  • Recycelbares Material Ja    Öl-Basis Nein    Nachwachsend Ja

ALU – ALUMINIUM

  • Grad Celsius -40° bis +280°    Mikrowelle geeignet Nein    Ofen geeignet Ja
  • Tiefkühl geeignet Ja    Öl-, fettbeständig Ja    Bio-Material Nein
  • Recycelbares Material Ja    Öl-Basis Nein    Nachwachsend Nein

KARTON – KARTON

  • Grad Celsius -40° bis +90°    Mikrowelle geeignet Ja    Ofen geeignet Ja
  • Tiefkühl geeignet Nein    Öl-, fettbeständig Ja    Bio-Material Ja
  • Recycelbares Material Ja    Öl-Basis Nein    Nachwachsend Ja

BAGASSE – ZUCKERROHR

  • Grad Celsius -18° bis +150°    Mikrowelle geeignet Ja    Ofen geeignet Ja
  • Tiefkühl geeignet Nein    Öl-, fettbeständig Ja    Bio-Material Ja
  • Recycelbares MaterialJa    Öl-Basis Nein    Nachwachsend Ja

GLAS – GLAS

  • Grad Celsius -30° bis +100°    Mikrowelle geeignet Ja    Ofen geeignet Nein
  • Tiefkühl geeignet Ja    Öl-, fettbeständig Ja    Bio-Material Nein
  • Recycelbares Material Ja    Öl-Basis Nein    Nachwachsend Nein

Quelle: Halek