Das sind die größten Fehler in der Hotelentwicklung
Zwischen überflüssigen Tablets, nicht intuitiven Lichtschaltern und Sterneklassifizierungen diskutieren Youri Sawerschel von Creative Supply und Christian N. Walter von der PKF hospitality group über die größten Fehler in der Hotelentwicklung.

Der wohl gravierendste Fehler in der Hotelentwicklung? Laut Christian N. Walter von der PKF hospitality group ist es, sich zuerst mit Designfragen zu beschäftigen – Lobbygröße, Farbschema, Ausstattung – bevor überhaupt klar ist, für wen das Hotel gedacht ist. Youri Sawerschel von der Design-Agentur Creative Supply ergänzt: „Zu viel Geld wird für Räume ausgegeben, die niemand braucht.“ Beide Experten plädieren dafür, Hotelkonzepte stringent vom zukünftigen Gast her zu entwickeln.
Ein weiterer häufig übersehener Aspekt: die Probeschlaf-Nacht im Musterzimmer. „Viele Entwickler schlafen nie selbst in ihrem Mock-up Room“, kritisiert Walter. Dabei ließen sich so grundlegende Probleme wie nicht funktionierende Lichtschalter oder unpraktische Raumaufteilungen frühzeitig erkennen – und vermeiden.
Kreativität braucht Grenzen
Oft wird behauptet, Machbarkeitsstudien würden kreative Konzepte einschränken. Walter widerspricht entschieden: „Feasibility Studies fordern Kreativität heraus. Sie setzen den Rahmen, innerhalb dessen innovative Ideen erst richtig entstehen können.“ Kreative Entwicklung sei ohne klare wirtschaftliche Parameter meist ineffizient – oder teuer.
Der Concierge der Zukunft
Künstliche Intelligenz hält auch in der Gästebetreuung Einzug. Für Walter bleibt der menschliche Concierge jedoch unersetzlich – zumindest vorerst: „Die Relevanz der Empfehlung ist entscheidend. Und die ist oft besser, wenn sie von einem Menschen kommt.“ Sawerschel hingegen sieht in der KI großes Potenzial: „Sie kann mehr leisten, schneller reagieren und umfassendere Empfehlungen bieten – selbst wenn dabei ein wenig Menschlichkeit verloren geht.“
Einigkeit herrscht beim Thema Sterneklassifikation: Beide Experten halten das traditionelle Bewertungssystem für überholt. „Fünf Sterne suggerieren Luxus, ohne zu erklären, was das eigentlich bedeutet“, so Walter. Viel aussagekräftiger seien Bewertungen, Empfehlungen oder starke Markenpositionierungen. Ein gut entwickeltes Hotelkonzept sei wesentlich aussagekräftiger als eine Kategorie. Walter bringt es auf den Punkt: „Ein Fünf-Sterne-Hotel sagt wenig über die Schlafqualität aus. Und am Ende will der Gast vor allem gut schlafen.“
Investieren mit Augenmaß
Beim Thema Investitionen scheiden sich die Geister. Während Walter vor Unterinvestitionen warnt – besonders im Hinblick auf die Marktpositionierung beim Start – plädiert Sawerschel für einen pragmatischeren, wachstumsorientierten Ansatz: „Lieber ein MVP bauen, dann testen, lernen und ausbauen.“ Konsens besteht jedoch darin, dass ein sinnvoll geplanter Auftakt entscheidend ist – ob laut mit Party oder leise mit Soft Opening.
Ein anderes Spannungsfeld: Nachhaltigkeit. Beide sind sich einig, dass sie langfristig wirtschaftlich sinnvoll ist. Doch Sawerschel relativiert: „Sustainability allein verkauft nicht.“ Nachhaltige Maßnahmen sollten kein Marketingtrick sein, sondern Überzeugung und Strategie widerspiegeln.
Was wird in Zukunft Luxus sein? Zeit, Raum und – bemerkenswert oft erwähnt – „verbundene Erfahrungen“. Für Walter geht es um „Connectedness“ – zu sich selbst, zur Umgebung, zur echten Welt. Sawerschel sieht in der menschlichen Intention hinter einem Angebot das entscheidende Differenzierungsmerkmal. Luxus werde zunehmend über den Sinn und das Warum definiert – nicht mehr nur über Materialität.
Mehr zum Thema: Hotels für Menschen – Michael Widmann im InterviewMarkenbildung als Renditefaktor
Die Bedeutung einer starken Hotelmarke ist unbestritten – auch wirtschaftlich. „Wenn man es richtig macht, kann eine Marke eine Prämie im Umsatz erzielen“, betont Sawerschel. Walter verweist auf den erfolgreichen Verkauf der Marke 25hours, der exemplarisch zeige, welchen ROI gut aufgebaute Marken heute erzielen können.
Doch auch hier mahnt er zur Differenzierung: „Ein neues Logo macht noch keine Marke.“ Erst wenn Design, Service und Kommunikation schlüssig verzahnt sind, entsteht ein echtes Markenerlebnis – und damit der viel zitierte Mehrwert.

Wer zerstört das Konzept zuerst?
Wer gefährdet gute Hotelkonzepte am meisten? Für Walter sind es häufig die Gäste selbst – wenn sie nicht zur angestrebten Zielgruppe passen. Sawerschel nennt hingegen die Betreiber: „Sie übernehmen ein Konzept, ohne dessen DNA zu verstehen oder umzusetzen.“ Beide sehen die Lösung in einer engmaschigen Konzeptbegleitung bis zur operativen Umsetzung – idealerweise durch ein dauerhaftes „Brand Watch“-System.
Auch das viel beschworene „Community“-Narrativ in der Hotellerie sehen beide kritisch. „Die meisten Projekte scheitern daran, echte lokale Gemeinschaften in Hotelkonzepte zu integrieren“, meint Sawerschel. Viel zu oft verkomme die Idee zur Dekoration – und damit zur leeren Worthülse.
Zu den Personen
Christian N. Walter ist Global CEO der PKF hospitality group, einem international tätigen Beratungsunternehmen für Hotelinvestitionen. Mit über 20 Jahren Branchenerfahrung begleitet er Hotelentwicklungen weltweit – von Strategie bis Umsetzung. Die PKF hospitality group ist auf Standortanalysen, Machbarkeitsstudien und Transaktionsberatung spezialisiert.
Youri Sawerschel ist Gründer von Creative Supply, einer Agentur für Markenentwicklung und Experience Design mit Sitz in Zürich. Er berät Unternehmen im Hospitality-, Bildungs- und Lifestyle-Bereich – mit dem Fokus auf ganzheitliche Markenstrategien, Storytelling und Kundenerlebnis.