Management

Macht abgeben, nicht die Kontrolle verlieren

Flache Hierarchien, konsequente Feedbackkultur und sinnstiftende Kommunikation: Hotelberater Michael Anfang erklärt im ÖGZ-Podcast-Interview, warum moderne Führung mit Verlässlichkeit zu tun hat.

Moderne Führung (in der Hotellerie) ist relativ simpel: Menschen arbeiten für Sinn und für Führungskräfte, denen sie vertrauen. Michael Anfang, Teamleader der Hotel-Beratung Anfang.Team, hat die Entwicklung der Branche von der „typischen Chefposition“ mit rauem Ton bis zur heutigen Sinn- und Zufriedenheitsorientierung selbst erlebt: „Heute, glaube ich, geht es schon sehr stark um Erfüllung und Wohlbefinden.“ Was triviale Worte sein könnten, unterfüttert Anfang mit Organisationspraxis: Ziele jenseits von Umsatz und Nächtigungen definieren, Mitarbeiterzufriedenheit ernst nehmen und sie als Motor für die Gästezufriedenheit verstehen.

Anfangs Führungsverständnis fußt auf Konstanz und Berechenbarkeit im Umgang: Dazu gehöre auch ein häufiges Feedback, wie er im Podcast „Tourismus To Go“ ausführt. Nur so entstehen Lerneffekte, in beide Richtungen. Wer hingegen je nach Tagesform mal tröstet, mal wütend reagiert, fördert Vertuschung statt Vertrauen. Das ist ein Punkt, der vielen Häusern bekannt vorkommen dürfte: Wenn nur noch „Feuerwehreinsätze“ wahrgenommen werden, gehen die stillen, täglichen Verbesserungen unter, und damit ein zentraler Hebel für Servicequalität.

Führungskräfte machen sich operativ überflüssig, indem sie Teams so stark machen, dass sie selbst entscheiden und verbessern: Michael Anfang. (C) Anfang.Team
Führungskräfte machen sich operativ überflüssig, indem sie Teams so stark machen, dass sie selbst entscheiden und verbessern: Michael Anfang. (C) Anfang.Team

Mitarbeitende dürfen entscheiden

Aus dieser Logik ergibt sich eine klare Meeting- und Entscheidungsdisziplin: Verantwortlichkeiten benennen, To-dos festhalten, kurze Feedbackschleifen etablieren. Anfangs Team lebt das und koppelt es mit dem Anspruch, dass Mitarbeitende möglichst viel selbst entscheiden können. „Insofern darf bei uns im Prinzip jeder alles entscheiden.“ Für Hotels bedeutet das: Schichten, Stationen und Schnittstellen (Front Office, Housekeeping, F&B, Spa, Technik) so organisieren, dass Kompetenzen vor Ort genutzt werden und nicht im Backoffice versanden.

Denn, so Michael Anfang: „Menschen treten in Unternehmen ein. Sie verlassen ihre Vorgesetzten. Deshalb braucht es, um Ihr Team zufrieden und engagiert zu halten, vor allem eines: großartige Führungskräfte und viel Motivation – nicht Gratis-Mittagessen oder Yoga-Kurse! Wie Gallup feststellt: „Führungskräfte sind für mindestens 70% der Unterschiede in den Mitarbeiter-Engagement-Werten verantwortlich.“ Und großartige Führungskräfte werden nicht einfach geboren – sie entwickeln kontinuierlich ihre eigenen Fähigkeiten und die ihrer Mitarbeiter weiter.

Empowerment im Hotelbetrieb

Ein vielzitiertes Schlagwort, das in der täglichen Praxis häufig scheitert, ist „Empowerment“. Anfang beschreibt zwei Voraussetzungen, damit Eigenverantwortung wirklich greift. Erstens braucht es Klarheit über den Entscheidungsrahmen: Mitarbeitende müssen wissen, „was würde die Chefin, der Chef in so einer Situation entscheiden“. Zweitens braucht es eine verlässliche Reaktion auf unvollkommene Entscheidungen: hinterfragen, statt abkanzeln. Ziel guter Führung sei, sich „mittelfristig überflüssig“ zu machen, operativ, nicht strategisch. Zeit entsteht dann für Initiativen, die vielen Gästen und Abteilungen nutzen.

Gerade in Häusern mit hoher Taktung zeigt sich, ob diese Prinzipien gelebt werden: Dürfen die Rezeption oder der Night-Manager Upgrades bzw. Kulanzlösungen bis zu einer definierten Schwelle freigeben? Kann die Hausdame Material, Tools oder Schichtänderungen entscheiden, ohne Rückfrage-Kaskaden? Anfangs Antwort: Ja, wenn der Entscheidungsrahmen klar ist und die Reaktion der Führung berechenbar bleibt.

Ein zweiter Praxishebel ist die bewusste Sinnvermittlung. Anfang berichtet, dass eine anonyme Teamumfrage zunächst „überraschend negativ“ ausfiel, weniger, weil die Arbeit nicht geschätzt wurde, sondern weil der Sinn zu wenig sichtbar war. Sein Learning: Sinn und Werte nicht voraussetzen, sondern diskutieren. „Überzeugen und nicht überreden“, und das nicht in einem Halbstunden-Meeting abhaken. Für Hoteliers heißt das: Regelmäßig über den Beitrag des Hauses zum Ort, zur Region und zur Wertschöpfung sprechen und Ziele nicht nur in Euro, sondern auch in Gäste- und Mitarbeiterzufriedenheit messen. Konsequent wird Sinn erst, wenn er im Alltag ankommt.

Drei konkrete To-dos für Hoteliers

Erstens: Entscheidungsrahmen niederschreiben. Welche Kulanz-, Upgrade-, Beschwerde- und Einkaufsentscheidungen dürfen Bereichsleiterinnen, Schichtführer und Rezeptionisten selbst treffen? Definieren Sie Betragsgrenzen („Summe X“) und dokumentieren Sie Eskalationswege.

Zweitens: Feedback ritualisieren. Statt Ad-hoc-Lob und Krisen-Kritik: Kurze, regelmäßige Check-ins je Abteilung (maximal zehn Minuten), ein gemeinsames Weekly mit klaren To-dos und ein monatlicher „Service-Debrief“, in dem gute Ideen aus allen Bereichen sichtbar werden. Grundlage: die von Anfang geforderte Konstanz in der Reaktion.

Drittens: Sinn sichtbar machen. Legen Sie Ziele auch in Gäste- und Mitarbeiterzufriedenheit fest, kommunizieren Sie diese in der Teamkantine, nicht nur im Büro – und erklären Sie, welchen Beitrag jede Rolle leistet.

Am Ende bleibt ein Satz, der in Zeiten von Fachkräftemangel und Effizienzdruck überrascht: Gute Führung macht sich operativ „überflüssig“, damit mehr Zeit bleibt, das Haus strategisch weiterzuentwickeln. Fehlerfreie Prozesse und selbstbewusste Teams sind kein Kontrollverlust, sondern die Basis für Wachstum. Wer Führung so denkt, vermeidet viele der klassischen Führungsfehler.

Hier geht es zur Podcastfolge mit Michael Anfang: Folge 37.
www.gast.at/podcast-tourismus

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