Gemeinsam stärker: Das war der OÖ Tourismustag 2025
Mit über 600 Teilnehmenden, visionären Diskussionen und konkreten Initiativen zeigt Oberösterreich, wie Tourismus als gestaltende Kraft von Lebensräumen wirken kann.

In der Scalaria in St. Wolfgang haben sich Touristiker:innen, Gastgeber:innen, Kulinarikschaffende und Mobilitätsexpert:innen zum oberösterreichischen Leitevent der Branche betroffen. Von Anfang an war klar: Es geht um mehr als reine Angebotskommunikation. Unter dem Motto „Connecting the Dots“ sollten neue Verbindungen geschaffen werden, wie Andreas Winkelhofer, Geschäftsführer des OÖ Tourismus, betonte – zwischen Regionen, Betrieben, Politik und Partnern außerhalb der Branche.
„Wir sind bereits seit Jahren unterwegs, doch dieser Tag ist eine Gelegenheit, die Strategie 2030 spürbar und erlebbar zu machen“, betont etwa Robert Seber, Vorsitzender des Strategieboards Oberösterreich Tourismus, im Rahmen des Eröffnungsevents. Sein Appell: Die Zukunft wird kollaborativ gestaltet – durch Unternehmer:innen, Politik, Kammern und die Landesorganisation gleichermaßen.
Kulinarik als Identität
Was macht eine Region unverwechselbar? In der Session „Geschmack schafft Identität“ im Ledererhaus im Hotel Seevilla lautete die Antwort eindeutig: ihre kulinarische Handschrift. In der bis auf den letzten Platz gefüllten Location wurde Kulinarik nicht als dekoratives Beiwerk verstanden, sondern als zentrales Element touristischer Profilierung. Die Diskussionsrunde zeigte, wie tief Genuss, Landwirtschaft, Gastlichkeit und regionale Entwicklung miteinander verwoben sind – und wie aus der Küche ein Schlüssel zur touristischen Differenzierung wird.
„Dänemark hatte vor zwanzig Jahren nichts als Smørrebrød – heute reisen Menschen wegen der Kulinarik dorthin. Wir in Österreich haben so viel mehr, reden aber zu wenig darüber“, eröffnete Astrid Steharnig-Staudinger (Österreich Werbung) die Diskussion und forderte mehr Selbstbewusstsein im kulinarischen Storytelling. Kulinarik sei für 49 Prozent der Reisenden ein ausschlaggebendes Motiv – und damit ein unterschätzter Marktfaktor.
Oberösterreich hat das erkannt. Mit der Strategie „Hungrig auf echt“ verfolgt das Land einen klaren Kurs: Genussland, Landwirtschaftskammer, Tourismusorganisation und Gastronomie agieren zunehmend vernetzt. „Sterne und Stuben strahlen bei uns nicht gegeneinander, sondern gemeinsam“, so Andreas Winkelhofer, Geschäftsführer von Oberösterreich Tourismus. In der Fläche zeige sich, dass Kulinarik gerade in Nebensaisonen ein wirkungsvolles Reisemotiv sei, auch jenseits klassischer Gourmetdestinationen.
Wie so etwas konkret aussehen kann, zeigte Wolfgang Gröller, Hotelier und Gastgeber, am Beispiel seines mehrfach ausgezeichneten Hauses. „Wir machen Kulinarik nicht nur erlebbar, wir machen sie mit-erlebbar“, erklärte er. Gäste nehmen an Workshops teil, lernen Produzent:innen kennen, erleben Wein- und Spirituosenkultur – eingebettet in ein modernes Wirtshauskonzept mit regionalem Fokus und internationaler Offenheit.
Ein starker Akzent wurde auch auf die Rolle der Ausbildung und Wirtshauskultur gelegt. Unterstrichen wurde auch die Relevanz traditioneller Gastronomiebetriebe als Rückgrat der touristischen Qualität: „Wirtshausküche ist heute High-Level. Wir bilden in einer der drei Weltküchen aus – und das muss wieder ins Bewusstsein“, so die klare Botschaft.
Klemens will die kleine Schnecke
Besondere Aufmerksamkeit erhielt die Slow-Food-Bewegung, die zunehmend als Modell für genussorientierten, nachhaltigen Tourismus gilt. Christina Kottnig, Co-Vorsitzende von Slow Food Österreich, betonte: „Genuss braucht Verantwortung, gegenüber Produzent:innen, Gästen und Ressourcen.“ Die geplante Zertifizierung von Slow-Food-Reiseregionen in Oberösterreich, beginnend mit dem Mühlviertel, soll das Bewusstsein für biodiverse, handwerklich erzeugte Lebensmittel stärken und neue Gästegruppen ansprechen. Der anwesende Sternekoch Klemens Gold („Rau”) meldete sich sofort als Interessent für eine Aufnahme in die Slow-Food-Gemeinschaft („Ich will die kleine Schnecke“ – in Anspielung auf das Logo der Marke).
Ein weiterer Beweis für die Qualität in der Fläche: Die Initiative „Wie’s im Viertel schmeckt“, die im Innviertel regionale Produzent:innen, Direktvermarkter:innen und Gastronomen verbindet, samt gemeinsamer Logistik. Ähnliche Modelle bestehen für die Bierkultur (Bierregion Innviertel), für Kulinarik-Marketing (Montag-Festival in St. Wolfgang) und sogar für Teeanbau, wie Klemens Gold (RAU – nature based cuisine) eindrucksvoll schilderte.
Was alle Beiträge verband: das Zusammenspiel aus kulinarischer Authentizität, wirtschaftlichem Weitblick und regionaler Wertschöpfung. „Wir haben das Know-how, die Betriebe, die Produkte – jetzt müssen wir sie nur klug vernetzen und sichtbar machen“, so das Fazit mehrerer Diskussionsteilnehmer:innen.
Die Botschaft ist klar: Oberösterreichs Kulinarik ist kein stilles Kapital mehr, sie wird vielmehr zur strategischen Ressource im Wettbewerb um Gäste, Talente und Identität.
Mobilität weiterdenken
Wie Gäste reisen – und wie sie sich vor Ort bewegen – prägt die Attraktivität von Destinationen maßgeblich. Das wurde in einer anderen Session im Weissen Rössl deutlich. Unter dem Titel „Mehr als Anreise: Mobilität als Brücke zwischen Gast, Raum und Erlebnis“ diskutieren Expert:innen aus Verkehrsverbund, Beratung, Regionalentwicklung und Tourismus die Herausforderungen einer nachhaltigen Mobilitätswende.
„Der öffentliche Verkehr ist heute nicht mehr Nebensache. In vielen Regionen wird er zum buchungsrelevanten Faktor“, so ein Statement. Dennoch sah die Runde Verbesserungsbedarf, besonders bei der „letzten Meile“. Angebote wie Mikro-ÖV, On-Demand-Shuttles oder Carsharing müssten stärker ausgebaut werden.
Corinna Polz vom Tourismusverband Pyhrn-Priel – Bad Hall – Steyr zeigt, wie das in der Praxis funktionieren kann: Mit der „Pyhrn-Priel AktivCard“ wird Mobilität als Teil des Urlaubserlebnisses integriert. Die Kombination aus Rad und Wanderung („Bike & Hike“) entlastet Hotspots und ermöglicht sanfte Erschließung.
Christian Grünbart (Hotel Aviva) setzt betriebliche Akzente: Neben Shuttles und E-Mobilität setzt sein Haus auf Ride-Sharing-Plattformen unter Gästen, mit großem Zuspruch. Für Mitarbeitende bietet er E-Dienstautos und eine Viertagewoche: „Wir sparen so über 2.000 Kilometer Anreise im Monat – das ist gelebte Nachhaltigkeit.“
Die Österreich Werbung lieferte dazu fundierte Marktdaten: In urbanen Räumen wächst der Anteil öffentlicher Anreisen, besonders bei jungen Zielgruppen. Doch zwischen Anspruch und Verhalten („Behaviour Gap“) klafft noch eine Lücke. „Es braucht Angebote, die nicht belehren, sondern überzeugen“, so Nachhaltigkeitsexpertin Katrin Erben.
Tourismus als Lebensraumgestalter
Beide Sessions zeigen: Zukunftsfähiger Tourismus beginnt nicht mit Hochglanzbildern, sondern mit strukturellen Weichenstellungen. Kulinarik und Mobilität werden als Gestaltungsräume verstanden, nicht als Serviceelemente. Kooperation ist dabei kein Schlagwort, sondern Bedingung. Die Rolle der Tourismusorganisationen wandelt sich: Weg vom reinen Destinationsmarketing, hin zum Entwicklungshelfer für Regionen, Betriebe und Themen. Dies verlangt neue Rollenbilder, auch in Sachen Mobilitätsmanagement oder Kulinarikentwicklung.
Ein Teilnehmer bringt es auf den Punkt: „Wir müssen raus aus der Komfortzone, aber nicht rein in den Verzicht – sondern in neue Erlebnisse.“ Dafür braucht es Mut, Geduld – und die Bereitschaft, Prozesse gemeinsam zu gestalten.