Geld & Finanzen

„Die Überbrückungsfinanzierung sehen wir kritisch“

Geld & Finanzen
19.04.2022

Von: Daniel Nutz
Die Prodinger Tourismusberatung hat durch ihre Tätigkeit als Wirtschaftsprüferin Einblicke in die Branche. Die Geschäftsführer Thomas Reisenzahn und Marco Riederer erklären, warum Betriebsaufgaben erleichtert werden sollen, der Ausblick für den Sommer gut ist und wie jetzt mit der Teuerung umzugehen ist
Thomas Reisenzahn und Marco Riederer führen die Prodinger Tourismusberatung.
Thomas Reisenzahn und Marco Riederer führen die Prodinger Tourismusberatung. 

Mit Auslaufen der Überbrückungskredite stehen viele Betriebe vor einem Finanzierungsproblem. Es wird wohl einige Pleiten geben, außer die Darlehen werden teils in Zuschüsse umgewandelt. Wie ist hier eure Meinung?
Thomas Reisenzahn: Die Überbrückungsfinanzierung haben wir immer sehr kritisch gesehen. Wenn ein Betrieb eine solche im Frühjahr 2020 gebraucht hat, dann ist es diesem schon vor der Pandemie nicht gut gegangen. Wir hören auch die Rufe, diese Unternehmen jetzt zu retten. Andererseits sehen wir in der Hotellerie, dass eigentlich nicht überlebensfähige Unternehmen am Markt bleiben und die Preise kaputtmachen. 

Sie schlagen eine steuerliche Begünstigung der Betriebsaufgabe vor. 
Marco Riederer: Um eine Strukturbereinigung zu erzielen, schlagen wir eine steuerfreie Betriebsaufgabe, befristet bis Ende 2023, vor. 
Thomas Reisenzahn: Eine weitere Idee wäre, dass Investoren zunächst Betten vom Markt wegkaufen müssen, bevor sie neue errichten. Solche Regeln gibt es in manchen europäischen Ländern, und die fahren ganz gut damit.  

Bis Ende des Jahres flossen drei Milliarden Euro an Zuschüssen, 1,5 Milliarden durch Kurzarbeit und rund eine Milliarde an Haftungen an die Tourismusbetriebe. War das Geld gut investiert?
Thomas Reisenzahn: Die  Kurzarbeit ist in einer Dienstleistungsbranche sicherlich eine gute Maßnahme. Vieles anderes ist situativ passiert. 
Marco Riederer: Es wurde viel spontan beschlossen und da fehlte folglich auch die Zielrichtung. Da herrschte oft das Gießkannenprinzip.  

Liquidität war schon vor der Pandemie ein heikles Thema. Wie sieht die Lage jetzt aus? 
Thomas Reisenzahn: Für den Sommer bekommen wir aus der Ferienhotellerie ganz gutes Feedback. Das Ende des Winters verlief sehr gut. Diese Einschätzung ist darum wichtig, weil im Winter meist Überschüsse erwirtschaftet werden, die dann über das Jahr helfen. Es wird sich von Fall zu Fall weisen, ob das über das Jahr ausreicht. Man merkt aber jetzt auch schon den Anstieg der Rohstoff- und Energiepreise, das wirkt sich auf den Cashflow aus.

Die angesprochene Teuerung macht vielen zu schaffen. Muss man einfach die Preis­anstiege weitergeben, oder gibt es eine Alternative?
Thomas Reisenzahn: Wir haben doch in den 1970er-Jahren bei der Ölkrise das Energiesparen gelernt. Das vermisse ich derzeit. Es geht mir gerade sehr darum, Alternativen zu finden und den Standard beizubehalten. Über die ESG-Richtlinien der Banken kommen jetzt neue Bewertungskennzahlen, die nachhaltige Invest­ments fördern. Gleiches gilt für die Förderungen. Bei unseren Kunden ist das ein relevantes Thema geworden. Die Gäste fordern grünes Wirtschaften auch immer stärker ein. Das ist auch gut so.
Marco Riederer: Man muss sich die Kostenblöcke anschauen. Wo gibt es Optimierungspotenzial? Letztlich empfehlen wir aber auch die Strategie, dass höhere Preise vor höherer Auslastung kommen sollen.  Gerade in Zeiten, in denen kaum Fachkräfte zu bekommen sind, ist das der bessere Ansatz. Das Credo der Zukunft sollte allgemein lauten: Qualität vor Quantität. 
Thomas Reisenzahn: Die Dienstleistung wird teurer werden. Wenn ich den Kaffee selber hole, wird er künftig um einiges billiger sein, als wenn ich ihn bringen lasse.