Kulinarik

Exklusiv: So testet der Guide Michelin in Österreich

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29.02.2024

Ralf Flinkenflügel ist Inspektor beim Guide Michelin. Im Interview mit der ÖGZ verrät er, wie und von wem Österreichs Betriebe unter die Lupe genommen werden.
Ralf Flinkenflügel

Erkannt werden will er nicht, daher dürfen wir Herrn Flinkenflügel nur von hinten zeigen.

Ralf Flinkenflügel ist ein Phantom. Meist speist er allein, aber immer inkognito. Als Inspektor für den Guide Michelin hat Flinkenflügel einen Job, von dem viele möglicherweise träumen. Aber wer hinter die Kulissen blickt, wird es sich wohl überlegen, ob dieser Beruf so erstrebenswert ist.

Flinkenflügels Arbeitstage sind prall gefüllt mit Restaurantbesuchen. Da ist alles dabei, vom hochklassigen Restaurant bis hin zum Bistro. Wie er in einem Interview mit der Zeit verraten hat, kommt er pro Jahr auf etwa 160 Besuche. Seine Einsätze sind von akribischer Vorbereitung und dem ständigen Bemühen geprägt, nicht erkannt zu werden, was von der Nutzung falscher Namen bis hin zu Barzahlungen reicht, um keine Spuren zu hinterlassen.

Wie werden Restaurants bewertet?

Der Bewertung eines Restaurants liegt mehr als nur das Essen selbst zugrunde; es ist eine komplexe Aufgabe. Die Auswahl der Gerichte folgt dem Ziel, die Fähigkeiten der Küche herauszufordern und die Qualität der Zutaten zu prüfen. Dabei bleibt er stets neugierig und offen, um jede Speise objektiv zu bewerten.

Im Interview mit der ÖGZ verrät Flinkenflügel, der auch Direktor des Guide Michelin D-A-CH ist, was einen guten Inspektor ausmacht und wie die Vielzahl an Restaurants in Österreich getestet werden.

Lesen Sie einen ausführlichen Bericht dazu in der nächsten Ausgabe der ÖGZ (Erscheintermin: 8. März 2024).

ÖGZ: Herr Flinkenflügel, die heimische Gastronomie freut sich über die Rückkehr des Guide Michelin. Wie sieht der Auswahlprozess für Inspektoren in Österreich aus? Was sind die Schlüsselqualifikationen, die Sie bei potenziellen Kandidaten suchen?

Ralf Flinkenflügel: Wie bei unserer Restaurantauswahl gehen wir auch bei der Auswahl unserer Inspektor*innen nach strengen einheitlichen Kriterien vor. All unsere Tester*innen sind festangestellt und verfügen über eine fundierte Ausbildung in internationaler Spitzengastronomie und -hotellerie. Wir arbeiten ausschließlich mit Fachleuten zusammen, die umfangreiches, gastronomisches Wissen mitbringen und darüber hinaus eine offene Einstellung gegenüber den verschiedenen Küchen haben. Neben den fachlichen Kenntnissen müssen sie natürlich auch eine gewisse Reisebereitschaft mitbringen, da die meisten Inspektor*innen bis zu 28 Wochen im Jahr unterwegs sind – und das mehr oder weniger alleine.

Die Österreich-Ausgabe des GM soll 2025 erscheinen. Wie schaffen Sie es, in dieser kurzen Zeit Restaurants auszuwählen und zu testen?

Mit der Wiederaufnahme Österreichs haben wir uns ein ambitioniertes Projekt vorgenommen: Das Gebiet unserer Inspektor*innen vergrößert sich nicht nur, sondern bringt auch einige spannende Herausforderungen mit sich. So haben beispielsweise gerade die Restaurants in Skigebieten meist nur saisonale Öffnungszeiten. Das müssen wir natürlich berücksichtigen, um eine vollständige Auswahl präsentieren zu können. Hinzu kommt, dass wir auch neue Inspektor*innen einstellen, um diese neuen Aufgabenbereiche angemessen abzudecken. Aus diesem Grund haben wir entschieden, die erste (neue) Selektion für Österreich erst im Januar 2025 vorzustellen.

Wie bereiten Sie Ihre Inspektoren auf ihre Rolle vor?

Wie bereits erwähnt gelten für alle Inspektor*innen strenge Kriterien. Ich persönlich habe beispielsweise eine Hotelfachschule besucht und eine Ausbildung zum Koch und Hotelfachmann gemacht und war insgesamt über zehn Jahre in der Gastronomiebranche tätig, bevor ich zu Michelin kam. Ganz unbedarft habe ich mich damals dann beworben und wenig später saß ich dann für mein erstes Gespräch in einem Sterne-Restaurant.

Noch heute treffen wir uns übrigens mit den Bewerber*innen in einem Restaurant und erwarten im Anschluss einen Bericht von den Kandidat*innen. So können wir sehen, wie sie Gerichte wahrnehmen, über welche Produktkenntnisse sie verfügen und ob sie ein Gefühl für gutes Essen haben.

Wird der GM Österreich ein Büro in Österreich eröffnen? Oder wird Österreich von Deutschland aus „mitbetreut“?

Die internationale Zentrale des Guide Michelin befindet sich in Paris. Von dort werden die über 40 verschiedenen Destinationen weltweit betreut.

Unsere Hochrechnung für Österreich 2025: 3 Sterne: 2 bis 3 Betriebe. Halten Sie unsere Hochrechnung für realistisch?

Es ist in diesem Stadium noch zu früh, um realistische Hochrechnungen anzustellen. Was ich sagen kann ist, dass Österreich kulinarisch gesehen ein sehr spannendes Land ist und mein Team und ich uns freuen - auch über Salzburg und Wien hinaus - noch tiefer in seine Facetten einzutauchen.

Als jemand, der tief in die kulinarische Szene eingetaucht ist, könnten Sie uns eine Anekdote oder eine besondere Herausforderung erzählen, die einen Einblick in das Leben eines Michelin-Testers gibt?

In den vielen Jahren beim Guide Michelin erlebt man schon so einiges. Von ausgefallenen Locations, über einzigartige Menüs bis hin zu wahrlichen Geschmacksexplosionen.

Aber natürlich gibt es auch hier die ein oder andere Herausforderung, mit der man konfrontiert wird. Eine der größten Herausforderungen bzw. Überwindungen für unsere Tester*innen ist vermutlich die Vielfalt an Küchenstilen. Hier ist das Stichwort: Offenheit. Nur wenn man sich auf die unterschiedlichen Geschmäcker, Zubereitungsformen und Küchenstile einlässt, kann man wirklich eine qualitative Auswahl für die Leser*innen ermöglichen.