Gastronomie: Keine Angst vor der Insolvenz

Insolvenz
03.12.2020

So bedrohlich das Wort „Insolvenz“ auch klingen mag: Als Gastronom sollte man keine Angst davor haben. Es ist eine ehrliche Chance für einen Neubeginn. Und dafür muss man sich nicht schämen.
Eine Insolvenz ist lehrreich und bietet die Chance für eine Neuausrichtung.
"Man darf mit Ideen auch scheitern. Es ist nichts Anstößiges, keinen Erfolg zu haben": Anne Marie Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwältin
"Die Stigmatisierung „Insolvenz = Ende“ ist leider stark verankert": Karl-Heinz Götze, KSV 1870.

Insolvenzen gehören zum Kapitalismus wie der Salat zum Wiener Schnitzel. Wird ein Unternehmen zahlungsunfähig, so wird es im schlimmsten Fall filetiert, die Mitarbeiter auf die Straße gesetzt. Kein Wunder also, dass die Mehrheit der heimischen Unternehmer nervös wird, wenn sie an das Thema „Insolvenz“ denken oder vielleicht sogar anstreifen. Aber es gibt die Chance, das Ruder herumzureißen und damit nicht nur Arbeitsplätze, sondern das eigene unternehmerische Leben zu retten.

Es kommt – wie so oft im Leben – auf den richtigen Zeitpunkt an. Über eine Neuausrichtung seines Betriebs nachdenken sollte man nicht erst dann, wenn es zu spät ist. Betroffene Unternehmer verlieren zu oft aus den Augen, was eine Insolvenz eigentlich auch sein kann ­– abgesehen vom endgültigen Aus: ein Sanieren und Restrukturieren, um das Unternehmen fit für die Zukunft zu machen und es weiterführen zu können. Ein Hinauszögern senkt die Chancen auf Entschuldung und kann bestehende Vermögensschäden vergrößern. Das muss nicht sein. Zur Einordnung ein paar Begriffe, die wir hier erklären wollen:

Wie wird eine ­Insolvenz eröffnet?

Auf Antrag des zahlungsunfähigen Schuldners oder eines betroffenen Gläubigers wird vom zuständigen Insolvenzgericht ein Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Vermögens abgewiesen. Der Antrag auf Eröffnung wird vom Gericht mangels Vermögens abgewiesen, wenn das vorhandene Vermögen des Schuldners so gering ist, dass nicht einmal die anfallenden Verfahrenskosten gedeckt sind. Achtung: Legt der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens keinen Sanierungsplan vor, dann eröffnet das Insolvenzgericht einen "Konkurs mit Insolvenzverwalter". 

Welche Aufgaben hat ein Insolvenzverwalter?

Ein Insolvenzverwalter wird von einem Insolvenzgericht bestellt. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Rechtsanwälte. Die Rolle des Insolvenzverwalters ist neutral, er ist weder Vertreter des Schuldners, noch der Gläubiger. Wichtige Unterscheidung: Der Insolvenzverwalter heißt im Sanierungsverfahren "Sanierungsverwalter" und im Konkursverfahren "Masseverwalter". 

Was passiert mit den Arbeitnehmern?

Arbeitnehmer sind durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds abgesichert. Durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens werden bestehende Arbeitsverhältnisse nicht beendet.

Was sind die häufigsten ­Insolvenzursachen?

• Mangelnde betriebswirtschaftliche Kenntnisse
• Kalkulationsfehler
• mangelnde Marktbeobachtung
• fehlende Planungen
• geringe Eigenkapitalquote u. a.

Wie sinnvoll ist eine Betriebs­aufspaltung?

Idee: Eine Betriebsaufspaltung in zwei selbstständige Unternehmen, die eine gemeinsame wirtschaftliche Zielsetzung haben, könnte folgendermaßen aussehen: Unternehmen A behält beispielsweise das mobile Anlagevermögen. Das Unternehmen B ist das agierende Wirtschaftssubjekt, bei dem sich die unternehmerischen Risiken konzentrieren. Unternehmen A verpachtet die Wirtschaftsgüter an B. Im Fall einer Insolvenzeröffnung über das Vermögen von B fällt das genutzte Anlagevermögen nicht in die Insolvenzmasse.

Das sagt Expertin Anne Marie Kosesnik-Wehrle: Splittet man ein Unternehmen auf zwei Rechtssubjekte auf und geht ein Teil rasch in Konkurs, kann es zur Konkursanfechtung kommen. Vermögensverschiebungen, die vorher stattgefunden haben, können vor den Gläubigern im Konkurs für unwirksam erklärt werden. Die Betreibergesellschaft sollte zumindest über zwei Jahre gut gehen, um das gröbste Anfechtungsproblem aus der Welt zu schaffen.

Warum werden Insolvenzen oftmals so spät angemeldet?

Eine Frage, die sich aufdrängt: Warum warten so viele Unternehmer so lange? Dabei scheint es sich um ein europäisches Phänomen zu handeln. Die Stigmatisierung „Insolvenz = Ende“ ist offenbar stark verankert. Dabei befinden sich österreichische Unternehmen in der glücklichen Lage, im Fall der Fälle auf ein sehr gut funktionierendes System zurückgreifen zu können.

Wie steht Österreich im internationalen Vergleich da?

Zum Vergleich: Deutschland liegt bei den erfolgreichen Sanierungen bei einem Wert von knapp zehn Prozent, hierzulande sind es rund 30 Prozent. Österreich muss nicht nur in Europa, sondern auch weltweit keinen Vergleich scheuen. „In Österreich sind im Bereich der Unternehmenssanierung sehr viele professionelle Leute am Werk“, sagt Karl-Heinz Götze vom Kreditschutzverband (KSV 1870). Ob Masseverwalter, Gerichte, Schuldner- und Gläubigervertreter – sie alle machen einen Top-Job.

Zudem gebe es eine Institution wie den KSV in Deutschland gar nicht. „Ein Gläubigerschutzverband wie der KSV versucht die Interessen von Gläubigern und Schuldnern unter einen Hut zu bringen. Und dieses Zusammenspiel funktioniert in Österreich sehr gut“, so Götze. Was ebenso mitspielt: Eine Insolvenz kann hierzulande innerhalb von drei bis fünf Monaten abgewickelt werden. „In Deutschland kann das Jahre dauern“, betont der KSV-Experte. Eine Insolvenz ist durch viele Unsicherheiten gekennzeichnet. Daher ist eine möglichst rasche Abwicklung grundsätzlich ratsam. 

Wie kann ich einer Insolvenz vorbeugen?

Ein Instrument zur Vorbeugung gibt es in Österreich – theoretisch – mit dem Unternehmensreorganisationsgesetz von 1997. Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, Unternehmen bereits vor Eintritt der materiellen Insolvenz (Zahlungsunfähigkeit; Überschuldung) zu reorganisieren. Die Idee dahinter: Unternehmen beantragen das Verfahren, obwohl sie noch gar nicht insolvent sind. Allerdings konnte es sich in der Praxis nicht durchsetzen, sodass es „totes Recht“ geblieben ist. Allerdings bietet das geltende österreichische Recht auch eine andere Möglichkeit – allerdings eingeschränkt auf den Antrag eines Sanierungsverfahrens.

Wann soll ich Insolvenz anmelden?

Auf europäischer Ebene gibt es – analog zum Reorganisationsverfahren – Bestrebungen, ein ähnliches Instrument einzuführen bzw. das Insolvenzrecht weiterzuentwickeln. Das ist allerdings noch Zukunftsmusik, sagt Anne Marie Kosesnik-Wehrle. Sie ist Partnerin bei Kosesnik-Wehrle & Langer und u. a. auf das Insolvenzrecht spezialisiert. In ihrer beruflichen Praxis hat sie auch mit Unternehmern zu tun, die auf dem Wege des Sanierungsverfahrens ihre Betriebe retten wollen.

Machen sich Unternehmer bereits in der Gründungsphase Gedanken über mögliche stürmische Zeiten? Sollten sie es tun? „Wir sehen Probleme erst, wenn sie auftauchen. Ich nehme aber an, dass während der Gründung selten daran gedacht wird“, so der Befund von Anne Marie Kosesnik-Wehrle. Gründer verschwenden demnach selten einen Gedanken an eine mögliche Pleite. Hat man mit einer Geschäftsidee keinen Erfolg, so gibt es die Tendenz, das zu verheimlichen. „Man sollte sich ins Bewusstsein rufen, dass man mit Ideen auch scheitern darf. Es ist nichts Anstößiges, keinen Erfolg zu haben. Wir würden nicht weiterkommen, wenn wir Ideen nicht auch probieren würden“, betont die Anwältin. Die Insolvenz ist also auch eine Chance, denn sie kann Innovationen fördern. Und Kummer ersparen.