Fachkräftemangel

Kochlehre: Festgefahrene Strukturen aufbrechen

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09.06.2023

In der aktuellen Debatte rund um die Kochlehre meldet sich der Koch.Campus zu Wort. Das Statement im Wortlaut.
Vegane Kochlehre in Österreich

In der österreichischen Gastronomie gibt es wachsende Unzufriedenheit mit der Regelung, dass nur Gaststätten, die Fleisch servieren, Lehrlinge ausbilden dürfen. Trotz der steigenden Nachfrage nach veganer Küche und Ausbildungsplätzen für vegane Köche, bleiben die Bestimmungen unverändert. Kritiker wie Sepp Schellhorn argumentieren, dass diese Regelung veraltet ist und der Nachfrage nach gesünderer und umweltfreundlicherer Ernährung entgegensteht. Sie betonen die Notwendigkeit, die Branche für junge Menschen attraktiver zu machen. Gegner dieser Veränderung befürchten jedoch eine Verwässerung der Ausbildungsqualität. Jüngste Entwicklungen deuten auf eine mögliche Veränderung hin, da der Fachverband Gastronomie einen Antrag zur Schaffung eines Lehrberufs für veganen/vegetarischen Koch in Betracht zieht.

Jetzt meldet sich der Koch.Campus zu Wort. Das Statement im Wortlaut:

Statement

"Dieser Tage wird viel über die Ausbildung junger Köchinnen und Köche diskutiert. Wir vom Koch.Campus unterhalten uns schon lange über Ausbildung, Nachwuchs, Fachkräftemangel, Chancen und Zukunftsvisionen. Die Diversität innerhalb der Branche zu fördern und zu fordern, ist nicht nur eine große Herausforderung unserer Zeit, sondern stellt auch einen Teil der Prinzipien dar, welche wir uns vereinsintern auferlegt haben. Umso mehr begrüßen wir die aktuelle Debatte, welche nun auch den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat.

Es ist an der Zeit, die Ausbildung in all ihren festgefahrenen Strukturen aufzubrechen und zu modernisieren! Da immer weniger junge Menschen den Weg in die Gastronomie finden, ist es notwendig, sich an ihren Wünschen zu orientieren. Die aktuelle Debatte bietet eine Möglichkeit – eine riesengroße Chance! – etwas Innovatives zu leisten und mit einer neuen Ausbildung die Jugend anzusprechen. Die Nachfrage ist da – und genau dieses Interesse müssen wir nützen.

Wir vom Koch.Campus sind für die Einführung einer vegetarisch-veganen Kochausbildung, da wir damit eine breitere Zielgruppe ansprechen können. Wichtig ist es uns, aufzuzeigen, wie sinnstiftend und umfangreich unser Beruf ist. Es geht nicht nur um die Freude, welche man Menschen mit gutem Essen bereiten kann, sondern auch um die gesellschaftliche Veränderung, die man in diesem Beruf mitträgt.

Ein wachsendes Bewusstsein über Biodiversität, von der eine ausgeprägte Gemüseküche abhängig ist, trägt auch systematisch zur Verbesserung des Klimas bei. Durch den Fokus auf eine gesunde Bodenkultur mit regenerativer Kreislaufwirtschaft erhalten wir die so wichtige Biodiversität am Leben. Es geht in einer vegetarisch-veganen Lehre nicht nur um Gerichte, sondern auch um das Wissen über einen gesunden Boden und die Sortenvielfalt.

Der Koch.Campus erachtet eine Modernisierung des Lehrplans als notwendig und wir stehen bereit, diesen mit all unseren Kompetenzen zu unterstützen. Jeder Schritt in Richtung einer umfangreicheren Ausbildung ist zu begrüßen. Wir sollten nur nicht so vermessen sein, Jugendliche, die aus ethischen oder moralischen Gründen nicht mit Fleisch arbeiten möchten, zu ignorieren und damit für immer zu verlieren. Vielleicht würde eine Neuausrichtung der Ausbildung den Beruf nicht nur generell attraktiver machen, sondern auch den Nebeneffekt aufweisen, dass mehr junge Frauen den Weg in diese männerdominierte Branche suchen.

Aus diesem Grund schlagen wir vom Koch.Campus ein Pilotprojekt vor: Wir können uns eine vegetarisch-vegane Grundausbildung mit anschließender Oti:on einer Zusatzausbildung mit Fleisch und Fisch gut vorstellen. Nicht außer Acht lassen sollten wir den Aspekt der Vorreiterrolle, welche wir international damit einnehmen würden. In zehn Jahren hätten wir durch diese progressive Maßnahme die gefragtesten Köchinnen und Köche im vegetarisch-veganen Bereich. Eine gute Möglichkeit, einen gesellschaftlichen Wandel auf geschmackvolle Art und Weise anzustoßen: Klimawandel, Biodiversität, Gleichberechtigung – und unsere Gäste werden es uns danken.

Wir können aufzeigen, welch innovatives Tourismusland wir sind und in die Zukunft schauen. Vegetarisch-vegan ist einfach Teil dieser Zukunft. Diese Zukunft können wir jetzt aktiv mitgestalten und keinesfalls länger damit warten."

Gezeichnet ür den Koch.Campus: Obmann Hans Reisetbauer, Obmann Stv. Andreas Döllerer, Vereinsmitglied Paul Ivic