Foodpairing

Tipps für das perfekte Foodpairing

Foodpairing
19.05.2022

Von: Roland Graf
Von der Gastronomie erwartet man die perfekte Abstimmung von Speisen und Getränken: Über „Oral Coating“, clevere Preisgestaltung und Zeitsparen bei diesem wichtigen „Paarlauf“. Tipps für Ihren Betrieb.
Steak auf Holzbrett mit einem Glas Wein

Ihre Gäste haben ein US-Ribeye- Steak mit Röstgemüse und Sauce Béarnaise bestellt – welchen Wein empfehlen Sie dazu?“ Diese vergangene Woche gestellte Frage sollte die Finalisten beim „Best Sommelier“-Wettbewerb in Zypern aufs Glatteis führen.

Denn kein saftiger Rotwein mit Holzeinsatz war seitens der Jury gefragt, sondern ein cremiger, nicht zu säuriger Weißwein, der auch mit der Estragon-Sauce zurechtkommt. Denn die Abstimmung von Getränken auf das Essen orientiert sich stets am stärksten Aromaträger. Das mag für erfahrene „Partnervermittler“ zwischen Teller und Glas trivial klingen, es ist aber auch nur die halbe Wahrheit. Denn der wissenschaftliche Blick auf das perfekte „Match“ zwischen Speisen und Getränken spricht von der „systematischen Lücke“.

Leo und Karl Wrenkh, Restaurant Wrenkh & Wiener Kochsalon, Wien
Leo und Karl Wrenkh, Restaurant Wrenkh & Wiener Kochsalon, Wien: Unsere oberste Maxime ist: Nur was schmeckt, macht Freude. Food-Pairing ist ein spannendes Thema, sowohl im Service als auch beim Kochen. Wir verfolgen zwei Ansätze: Erstens, Ton in Ton: Dabei kombinieren wir ähnliche Geschmacksträger, wie etwa Holunderblüten, gebacken mit einem Muskateller o. Ä. Ziel dabei ist, dass sich ähnliche Aromen verstärken. Der zweite Ansatz arbeitet mit Kontrasten, also der Kombi von unterschiedlichen Aromen wie etwa einem Rum mit Vanillenoten mit einem Zitronensorbet. In der Theorie klingt das einfach, in der Praxis braucht es aber viel Erfahrung. Die Gefahr dabei ist ein geschmacklicher Overkill und eine Überforderung für den Gast.

„Science“ auf Ihrer Seite

Dazu muss man das wichtigste Analysetool der Sensorik kennen, das Spinnendiagramm („Spider Graph“). Je nach Getränk – von Kaffee über Bier bis zum Whisky – werden dabei alle Geschmacksrichtungen in einem Kreis aufgetragen. 

Bitter, süß, sauer, salzig finden sich als Grundeindrücke fast immer, dazu kommen spezifische Kategorie-Geschmäcker wie „malzig“ für Biere, „rauchig“ für Whisky oder Espresso. Die Stärke der jeweiligen Aroma-Ausprägung wird mit einem Punkt markiert und diese Eckpunkte des Geschmacks verbunden. Aus dem Profil, das sich so für jedes Produkt erstellen lässt, ersieht man auf einen Blick, ob es sich um ein eindimensionales oder komplexes Getränk handelt. Was nun auf den vollen Geschmack „fehlt“, definiert die Pairings in der Gastronomie.

Thomas Hüttl, „DasKochatelier“, Wien
Thomas Hüttl, „DasKochatelier“, Wien: „Himbeeren mit Thymian“ und „Marille mit Rosmarin“ sind jeweils Partner, die als Eis oder auch als kalter Röster perfekt zusammenpassen. Salzig und saisonbezogen ist es gerade die von mir kreierte „Thailandaise“, eine Sauce hollandaise mit gelber Currypaste, Limettensaft und Fisch- oder heller Soja­sauce abgeschmeckt. Man muss akzeptieren, dass Geschmäcker sehr individuell sind. Wenn jemandem etwas nicht schmeckt, obwohl man ein ganz konkretes Food-Pairing perfekt findet, dann ist das eben so. Aber je mehr man seinem Geschmack Aufmerksamkeit schenkt, desto mehr entwickelt, sprich, verändert er sich auch. 

Wie passen Aromen zusammen?

Dabei können Aromen „passend“ ergänzt werden, was mitunter als Harmonie-Paarung oder „Pairing“ im engeren Sinne fungiert. Das beste Beispiel wäre Schokolade zu Kaffee – beide kommen aus einer röstig-bitteren „Ecke“. Spielt man allerdings mit Süße zum Kaffee, dann betritt man die Gefilde der Komplementär-Aromen oder des „Contrastings“. Und hier lassen sich Gäste am besten überraschen. „Ein an sich sehr milder Bergkäse etwa passt herrlich zu unserem Single Malt“, formuliert es Jasmin Haider-Stadler, die in der Waldviertler „Whisky-Erlebniswelt“ das erst einmal überraschende Pärchen Käse und Whisky offeriert. Dabei macht Malz als Getreideprodukt im Getränk immer dann Sinn, wenn auch Brot zu einem Essen passen würde. „Zum Parmesan etwa agiert der rauchige Roggenwhisky wie ein flüssiges Schwarzbrot“, so die Destillateurin.

Denisa Friedl,  Ma Belle, Wien
Denisa Friedl, Ma Belle, Wien In der französischen Küche, die für mich die wichtigste Küche überhaupt ist, dürfen selbstverständlich Food-Pairing-Vorschläge nicht fehlen. Dabei werden auf den ersten Blick widersprüchliche Geschmacksrichtungen kombiniert, die sich jedoch zu einem harmonischen Gaumenspiel verbinden: Wie Erdbeeren mit Blauschimmelkäse oder Fisch mit Mango. Die seit Langem bekannten Salzkaramellen – hier empfehle ich Macaroon mit Ganache aus Salzkaramellen – sind das beste Beispiel überhaupt, dass Süß und Salzig zusammenpassen. Bei uns werden sehr gerne „Œufs Joséphine“ gegessen: pochierte Eier mit Avocado, Mango und Minzöl – auch da tanzen Gemüse und Obst zusammen auf der Zunge.

Gar nicht trivial: die Abfolge

Will man abseits der Weinbegleitung, die meist an vielgängige Menüs gebunden ist, Gäste überraschen, dann empfiehlt es sich, einige „Perfect Matches“ auf die Karte zu setzen. Der wohl flächendeckendste Versuch dazu geht auf den Winzer Alois Kracher und Schärdinger zurück, die den Blauschimmelkäse „Grand Cru“ und Trockenbeerenauslesen unter einem Preis landesweit auf die Dessertkarten zu platzieren wussten. Es war eine in mehrerlei Hinsicht perfekte Paarung. Vor allem der Mischpreis, der nicht wesentlich teurer war als die aufwendigen Patisserie-Desserts ohne Wein, sorgte hier für viele Bestellungen.

Neben der Umsatzsteigerung und dem „Completing“ der salzigen Aromen des Käsegangs mit der Süße des Weines kam hier aber auch ein weiterer Effekt zum Tragen, den jeder Gastronom kennen sollte: orales „Coating“. Fett sorgt dafür, dass die Zunge mit einem cremigen Belag versehen wird. Als Art „Schutzfilm“ mildert dieser alle kräftigen Eindrücke, zu denen neben hoher Süße auch kräftiger Alkohol oder Chili-Schärfe gehört. Insofern ist es auch wichtig anzugeben, dass Schokolade, Käse oder ähnliche fetthaltige Kost vor dem Getränk gegessen werden sollten. Vor allem reichen in diesem Fall aber auch kleine Portionen des Lebensmittels, die sich auch ohne Küche vorbereiten lassen.

Philipp Szemes, Weinstube Szemes, Pinkafeld
Philipp Szemes, Weinstube Szemes, Pinkafeld: Wir kochen korrespondierend zu den Getränken, nicht umgekehrt. Dadurch passen die Kombinationen auf den Punkt. Ausgangsprodukt ist z. B. unser selbst gemachter Rosmarin-Thymian-Kräuter-Gin. Davon kommt ein Tropfen in unsere Consommé vom Wagyu-Rind. Bei den vier- bis achtgängigen Genießermenüs empfehlen wir maximal zwei Weine und dann auch Bier, Gin, Rum, Whisky, Alkoholfreies wie Kombucha oder Teeauszüge. Einer meiner Lieblinge ist das Rote-Rüben-Carpaccio mit Cremeeis, dazu Enzianschnaps von Hämmerle, der nach Roten Rüben und Kren schmeckt. Beim Food-Pairing spielen wir mit Konsistenz und Temperatur, wenn z. B. der Gaumen durch Eis gekühlt wird, schmeckt Schnaps weniger scharf. Einer unserer Klassiker ist das Zitronensorbet mit Gin und Tonic: Aus der Bio-Frucht machen wir das Sorbet, die Zitronenschalen kommen in den Gin.

Andere neidisch machen

Denn eine spezielle Herausforderung stellt das Pairing-Thema ausgerechnet dort dar, wo es um subtile Getränke-Aromen geht – in den Cocktailbars. Denn nicht jede Trinkstätte verfügt über eine Küche, die mehr als mise en place für den Abend ermöglicht. Doch auch hier gibt es Antworten, zumal das Anbieten von Bar-Food auch ein ökonomischer Faktor ist. Denn Schalen mit Nüssen oder Popcorn haben spätestens mit der Pandemie als Universallösung in Sachen „Unterlage“ ausgedient. Und doch will man verhindern, dass der hungrige Gast Geld beim Würstelstand um die Ecke lässt. Denn die alte Boxer-Weisheit „They never come back“ hat auch bei Nachtschwärmern etwas Wahres. „Wir bieten gerne die Bestellung von Sushi an“, hat Daniel Penz vom Innsbrucker „Stage“ eine Lösung für die Bar gefunden, die gleich zwei Vorteile aufweist.

Erstens signalisiert man dem Gast die Wertschätzung seiner Bedürfnisse, zum Zweiten kennt man die Qualität des Partners „Sensei“ in der Stadt. Denn dass alternativ Pizza-­Ecken auf den Tischen stehen, wäre in der stylischen Bar in den Rathausgalerien undenkbar. „Man geht nicht nur mal eben was trinken. Man möchte, dass es etwas Besonderes wird und dass alle Sinne angesprochen werden“, formuliert „Kate“ Schröder den Anspruch der jungen Generation. Dazu gehört neben dem perfekten Geschmack aber auch, „dass man andere neidisch machen kann über soziale Medien“.

Raf Toté, Der Belgier Brewing, Wien
Raf Toté, Der Belgier Brewing, Wien: Unsere Biere eignen sich aufgrund ihrer Komplexität, Dichte und zarter Perlagen besonders dazu, im Food-Pairing zu passen, und holen oftmals auch Personen ab, die Bier sonst eher meiden. Ihre geschmackliche Tiefe erhalten sie durch Flaschengärung, die in Belgien eine lange Tradition hat. Vor allem in der Gastronomie bieten unsere Biere eine schöne Möglichkeit, den Gast auch mal zu überraschen, ihm die Augen zu öffnen und zu zeigen, dass Bier eine unfassbare Spannung in ein Menü bringen kann. Ein Beispiel dafür ist unser Honigdubbel, das sich gepaart mit der Säure eines Roquefort im Mund zu einem geschmacklichen Höhepunkt entwickelt.

Tipps der „Kombi“-Meisterin

Sie selbst ist eine Meisterin des Food-Pairings auf kleinem Raum und nützt genau die Vorbereitung für das Abendservice auch für das passende Essen. Dazu sollte man wissen: Katharina Schröder alias „Chef Kate“ gewann im Vorjahr den einzigen deutschsprachigen Wettbewerb für Bar-Food-Drink-Kombinationen. 

Beim „Black Forest Bar Cup“ stellte sie ihre Strauben mit Speck und Ziegenkäse vor, die sie in der „Villa“ im deutschen Rottweil zum Rum-Haselnussbrand-Mix „Don’t Trust“ reicht. Schröder hat nicht nur einst für „Do & Co“ gearbeitet, „auch mit dem Thema Cocktail und Essen bin ich in Wien erstmals in Berührung gekommen“. Heute setzt sie auf leicht vorzubereitende Kleinigkeiten, die auf die Drinks abgestimmt werden wie einen Speck-Cupcake, den sie zum klassischen „Negroni“ reicht. Zur „Margarita“ darf sich der Gast über Quesadillas mit Avocado und Tomate freuen – auch die Tortilla­fladen lassen sich gut vorbereiten. Womit dann genug Zeit bleibt, dem Gast lässig-entspannt die Genialität dieses Zusammenspiels zu erklären.

Markus Gould, Heunisch und Erben, Wien
Markus Gould, Heunisch und Erben, Wien: Das Thema Food-Pairing ist ein weites Feld: Frage fünf Sommeliers zu einem Gericht und du wirst fünf verschiedene Zugänge hören. Wir haben das Glück, glasweise aus dem Vollen schöpfen zu können – die Getränkebegleitung machen wir individuell mit jedem Tisch aus, manche wollen eher konventionell, die anderen wieder frei durch die Speisefolge begleitet werden. Und durchaus muss es nicht immer nur Wein sein, da kann schon ein Spezial­bier (unlängst z. B. das Steinbier von Gusswerk zum Kräuterferkel mit Spitzkraut und Kümmelmilch), ein besonderer Wermut (wir hatten den Freimeisterkollektiv- Uhudler-Wermut zu einem Dessert) oder ein Sake sein (aktuell der „Tamagawa“ Junmai von der Brauerei Kinoshi­ta Shuzo zum Dessert mit weißer Schokolade, Banane, Topinambur).