Die Trends am Kaffeesektor
In der kaffeeträchtigen Atmosphäre in den Ausbildungsräumen des Kaffee-Institutes in Innsbruck trafen einander die beiden Kaffee-Experten Goran Huber und Martin Kienreich, um aktuelle sowie künftige Trends am Kaffeesektor zu diskutieren. Goran Huber leitet das Kaffee-Institut.at und bietet hier seine produktunabhängige Ausbildung zum Coffee-Master an. Darüber hinaus ist er auch Vielreisender in Sachen Kaffee rund um den Erdball. Martin Kienreich ist unser ÖGZ-Kaffee-Experte und berichtet in seinem Fachbuch FAQ Kaffee jedes Jahr in einer Neuauflage über die aktuellen Entwicklungen am weltweiten Kaffeesektor.
Ursprungsländer
ÖGZ: Hochwertige Spezialitäten-Kaffees sind auch bei uns im Vormarsch, nicht so stark, wie zum Beispiel in den USA, die einen enormen Spezialitätenmarkt aufgebaut haben, sie gelten aber auch bei uns bereits als eine fixe Größe. Getragen wird dieser Trend der speziellen, hochwertigen Bohnen von den vielen kleinen Kaffeeröstern. Wird dieser Trend anhalten?
Goran Huber: Ja, es wird sicher einen gewissen Spezialitätenmarkt bei uns geben, bei dem sich die Einkäufer um die besten Bohnen in den Ursprungsländern streiten werden, und einen Massenmarkt für den sogenannten Industriekaffee, den es natürlich auch geben muss, da die Top-Kaffees gar nicht in ausreichenden Mengen am Weltmarkt vorhanden sind. Für die Verbraucherseite wird das heißen, dass man bei den Topkaffees auch eine genaue Herkunftsbezeichnung (bis hin zu einzelnen Kaffeefarmen), die Aufbereitung, also die Behandlung des Kaffees vor Ort, als auch die Veredelung (Daten zum Röstprozess) sowie die Präferenz für die Zubereitungsart verstärkt auf den Kaffeepackungen finden wird.
Röster-Szene
Anfang der 1990er-Jahre gab es in Österreich gerade einmal 20 bis 25 Kaffeeröster. Derzeit haben wir rund 120 Kaffeeröster in Österreich (inklusive Kleinröster), in der Schweiz sind es sogar 150, und in Deutschland bereits über 1.100. Wie stehst du dieser Entwicklung gegenüber?
Dieser Prozess wird noch weitergehen, und das ist wichtig so, denn die Kaffeeröster sind ja nicht nur Veredler der Bohne, sondern mittlerweile auch Informations- und Veranstaltungscenter. Früher war es für Röster ausschließlich wichtig, die Bohne zu verkaufen. Verkauft muss noch immer werden, aber die Röster sind heutzutage Träger der Informationen, haben oft einen Direktkontakt zu den Produzenten und bieten einen Ort für Schulungen, Seminare, Verkostungen und Kaffee-Events an. Vielfach sind sie auch zum Ausbilder für die Mitarbeiter der Gastronomie geworden.
Viele kleinen Röster setzen heute beim Rohkaffee-Einkauf auf „Direct Trade“, während die Industrie die großen Siegel für das Marketing benutzt wie Fairtrade, UTZ oder Rainforest Alliance.
Siegel oder Labels sagen über die Kaffeequalität grundsätzlich nichts aus! Ich denke aber, dass die Nachfrage aufgrund des starken Marketings für die etablierten Labels beim Konsumenten weiter aufrecht bleiben wird. Noch wichtiger wird jedoch die Transparenz werden. Es kann doch nicht sein, dass es „Anteilsquoten“ für die Verwendung eines Siegels gibt. Der Wirt kann doch dem Gast auch nicht sagen: Ihr Schnitzel ist teilweise aus dieser Region und zu circa 30 Prozent bio!
Konsumverhalten
Wohin geht die Reise auf der Konsumentenseite? Viele Kaffeeröster und Zulieferfirmen der Kaffeebranche berichten, dass sie sich der Nachfrage nach Kaffeekursen für Private und Mitarbeiter aus der Gastronomie kaum mehr erwehren können.
Es wird immer mehr informierte Kunden und Gäste geben, mehr Leute, die Bescheid wissen über guten Kaffee und schlechten Kaffee erkennen und nicht mehr akzeptieren. Also das Wissen rund um den Kaffee ist auf jeden Fall als sich fortschreibender Trend zu werten. Hier wird auch Druck auf die Gastronomie entstehen. Aber auch Chancen! Vielleicht wird es zur Folge haben, dass endlich ein schlechter Kaffee genauso reklamiert wird wie schlechtes Essen oder fehlerhafter Wein! Auch Coffee-Guides und Caféführer werden aus dem Boden bzw. dem Web wachsen, ähnlich wie bei den Hotel-, Wellness- und Restaurant-Guides. Das lässt sich im Zeitalter von Facebook und Google gar nicht verhindern.
Filterkaffee & Coldbrew
Ist Filterkaffee derzeit wirklich ein Trend oder nur medial hochgejubelt?
Ich glaube, Filterkaffee wird interessant für alle Betriebe, dich sich abheben wollen. Guter Filterkaffee ist sogar sehr einfach umzusetzen, auch wenn das Potenzial von der Gastronomie noch gar nicht ausreichend erkannt worden ist. Aber auch hier gilt wie bei jedem Kaffeeprodukt: Um es erfolgreich zu verkaufen, muss ich mich damit auch beschäftigen. Das Equipment ist vielfältig und besser geworden, die entsprechenden Kaffees und Röstungen sind ebenfalls vorhanden – es wäre also angerichtet für eine auch wirtschaftlich erfolgreiche Produkterweiterung.
Genauso wenig muss es sein, dass in der Großbetriebsverpflegung – pikanterweise besonders in der Krankenverpflegung – immer noch Filterkaffees ausgeschenkt werden, die – einmal abgesehen vom Geschmack – besonders vom Gesundheitsaspekt her eigentlich sofort verboten gehören!
Wird Cold Brew der nächste große Kaffeetrend?
An einen Trend glaube ich bei Cold Brew nicht, aber es ist ein interessantes Zusatzprodukt. Das Problem wird sein: Den Kaffee nur kalt zu brühen und anzubieten ist zu wenig. Auch hier geht es um die Kaffeequalität, um das besondere Erlebnis, um den „Wow-Effekt“. Dann könnte es aber zu einem interessanten, neuen Produkt und auch zu einer Erschließung von neuen Zielgruppen kommen. Cold Brew Coffee eignet sich ja auch zum Mischen, z. B. mit Ginger Ale oder Almdudler oder mit Alkohol. Cold Brew oder auch Draft Coffee ist einfach in der Anschaffung und auch ein alternatives Sommerprodukt!
Kaffeemaschinen
Noch ein kurzer Ausflug in den Kaffeemaschinensektor: Hybridmaschinen, ein Mittelding zwischen Siebträgermaschinen und Vollautomaten, sind vermeintlich auf dem Vormarsch.
Das mag eine Marktlücke sein, aber an einen Trend glaube ich hier nicht. Dieser Maschinentyp hilft vielleicht denen, die auf eine Fehlerreduktion bei der Zubereitung abzielen. Aber es ist noch immer kein Freifahrtschein. Entscheidend ist das Ergebnis in der Tasse. Es gilt der Leitsatz für den guten Kaffee: 25 % Kaffee, 25 % Maschine und 50 % der Mensch. Und der Barista sollte sich auch trotz Hybridmaschine mit allen Dingen auskennen, wie zum Beispiel Einkauf, Lagerung des Kaffees, Dosierung, Menge oder Mahlgrad.
Also bleibt der Barista auch in Zukunft ein entscheidender Faktor?
Vor zwanzig Jahren sind wir belächelt worden, wenn wir das Wort Barista nur ausgesprochen haben. Heute lassen auch schon die überaus traditionellen Cafés und Kaffeehäuser ihre Baristi ausbilden. Denn die Tradition allein macht die Lampen noch nicht an! Der finanzielle Druck steigt! Die Leute können guten von schlechtem Kaffee unterscheiden, daher muss Qualität in die Tasse! Sonst wird der Kunde von morgen lieber in große Mainstreamketten Kaffee trinken gehen – oft nicht die beste Qualität, aber okay, und man weiß, was man bekommt. Und hier meine ich nicht vorrangig Coffeeshops wie Starbucks, sondern zum Beispiel einen flächendeckenden McDonald’s mit McCafé oder auch Bäckereiketten.
Ich behaupte immer, für jeden Gastronomiebetrieb sind große Umsatzsteigerungen möglich, wenn man qualitativ an der „heiligen“ Dreifaltigkeit schraubt, also an Kaffee, Kaffeemaschine und Manpower. Wie siehst du das?
Genauso! Für jeden Betrieb sind hohe Umsatzsteigerungen möglich, wenn man sich damit beschäftigt. Der Gastronom kümmert sich ja auch um „sein“ Bier, um „seinen“ Wein, um „seine“ Rohware für die Küche. Also zumindest ein gutes Grundwissen über Kaffee sollte auch in Betrieben, die nicht den Hauptfokus auf Kaffee legen, vorhanden sein. Der Kaffee sollte daher auch Pflicht in jeder gastronomischen Ausbildung in Österreich sein, vergleichbar mit dem Wein. Das wäre auch für die Gastronomie hilfreich. Seit Promillegrenze und Gesundheitsthema hat Tee und Kaffee im Vergleich zu Wein auch quantitativ wie qualitativ stark zugelegt. Und wäre somit ein spannendes und trendiges Thema für viele junge Gastronomen und Auszubildende.
Wird Tee der nächste Wein?
Das glaube ich nun wieder nicht, aber Tee wird ganz unbestritten ein Trendthema der nächsten Jahre!