In Österreich galoppieren die Arbeitskosten davon

Kongress
20.01.2018

Im Rahmen des ÖHV-Kongresses in der Wiener Hofburg wurde eine aktuelle Studie des Wifo präsentiert: In Österreichs Hotellerie steigen die Mitarbeiterkosten mehr als dreimal so stark wie im EU-Durchschnitt.
Hingucker beim ÖHV-Kongress: Experten sehen Service-Roboter – im Bild „Pepper“ – auf dem Sprung in die Hotellerie. Die anwesenden Hoteliers waren zum Teil noch skeptisch.
Wifo-Forscher Fritz sieht starke Dynamik beim Anstieg der Arbeitskosten. Hier im Bild mit ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer.
Arbeitskosten in der EU

Steigende Arbeitskosten sind ein Problem. Denn sie verteuern die Beschäftigung von Mitarbeitern aus Sicht von Unternehmen. Industriebetriebe neigen in solchen Fällen dazu, Jobs abzubauen. Denn wenn Kosten schneller steigen als die Produktivität, besteht Handlungsbedarf. Oder sie investieren in Automatisierung, in Roboter. Das kann der Hotelier nicht so einfach, weniger Personal bedeutet in der Regel auch ein Weniger an Service, an Qualität. Gänzlich undenkbar ist der Einsatz von Robotern in der Hotellerie heute aber auch nicht mehr. Sie werden schneller kommen, als wir denken. Das war eine wichtige Erkenntnis auf dem diesjährigen ÖHV-Kongress in der Wiener Hofburg. 

Kurz und Köstinger kamen

Bei den anwesenden Hoteliers vorgestellt hat sich nicht nur Bundeskanzler Sebastian Kurz – er besuchte den Eröffnungsabend im VIP-Bereich der Allianz-Arena –, sondern auch die neue Tourismusministerin Elisabeth Köstinger. Sie kam zum Eröffnungstag in die Hofburg. Beide zeigten, schon einmal aufgrund ihres Erscheinens, dass ihnen die Branche wichtig zu sein scheint. „Wir wollen den Standort Österreich stärken, und da sind wir schon beim Tourismus – der hat in den vergangenen Jahren in der Politik nicht die Rolle gespielt, die er sollte“, so Kurz. Beide, Kurz und Köstinger, sprachen sich für Bürokratieabbau, Mittel gegen Fachkräftemangel und Arbeitszeitflexibilisierung aus. Präsentiert wurde in der Hofburg auch eine Wifo-Studie, die die Arbeitskosten im österreichischen Tourismus analysiert. Und die hatte es in sich.

Bei der Frage um die Arbeitskosten gehe es auch um die Frage der Wettbewerbsfähigkeit, sagte ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer einleitend bei der Präsentation der Wifo-Studie. Andrerseits entscheiden die Arbeitskosten auch über das Schicksal von hunderttausenden Arbeitsplätzen in Österreich, so Reitterer weiter. Die Ergebnisse der Studie seien für alle überraschend. 
„Der Tourismus in Österreich nimmt nicht nur national, sondern auch im internationalen Kontext eine bedeutende Stellung ein“, sagt Wifo-Studienautor Oliver Fritz. Um das zu verdeutlichen, ein paar Zahlen: Der Tourismus spielt in Österreich mit einem Anteil von 5,8 % an der gesamten Wirtschaftsleistung in einer Liga mit der Bauwirtschaft. Und er ist bedeutender als etwa die Sektoren „Öffentliche Verwaltung“ oder „Verkehr“. Beeindruckend auch der internationale Vergleich: Beim Marktanteil der Übernachtungen aus dem Ausland findet sich Österreich EU-weit auf Platz sechs, gleich hinter den „Big Five“ (Spanien, Frankreich, Großbritannien, Italien und Deutschland). Beeindruckend ist auch eine andere Zahl: Österreich belegt mit 9,8 Nächtigungen pro Einwohner EU-weit Platz drei, hinter den beiden Mittelmeerinseln Zypern (16,8) und Malta (18,0) und noch vor den Tourismushochburgen Griechenland (6,1) oder Portugal (3,8). Der EU-Schnitt liegt hier übrigens bei 3,2 Nächtigungen pro Einwohner. 

Kleine Betriebe als Rückgrat

Betriebswirtschaftliche Kennzahlen zeichnen auch ein interessantes Bild: Bei der Zahl der Übernachtungen und Betten je Unternehmen zeigt sich, dass Österreichs Beherbergungswirtschaft sehr klein strukturiert ist, die durchschnittliche Bettenzahl je Betrieb liegt hierzulande bei 49, in Irland beispielsweise bei rund 100, in Zypern bei etwa 200. Das hat Folgen, denn kleine und mittlere Betriebe haben andere wirtschaftspolitische Bedürfnisse als große. 

Wie sieht es nun mit den Arbeitskosten aus? Bei den Personalkosten im Beherbergungswesen je Vollzeitbeschäftigtem liegt Österreich auf Platz sechs, lediglich in Belgien, Dänemark, Schweden, Finnland und Italien sind Mitarbeiter teurer. Das Problem sieht Fritz weniger in der Höhe der derzeitigen Löhne, sondern eher in der dynamischen Entwicklung, die diese Löhne durchlaufen (siehe Tabelle rechts oben). Zwischen 2008 und 2016 gab es in Österreich einen jährlichen Anstieg bei den Arbeitskosten von 5,6 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland stiegen die Löhne jährlich um 2,6 Prozent, im EU-Schnitt um 1,8 Prozent und in Ländern wie den Niederlanden (+0,6 %) und Großbritannien (+0,4 %) sogar um weniger als ein Prozent. Die Arbeitskosten sind demnach hierzulande mehr als dreimal so stark angestiegen als im EU-Durchschnitt (1,8 %). Und nicht nur das: Sie sind auch deutlich stärker gestiegen als das allgemeine Preisniveau (VPI). Fazit: Das österreichische Beherbergungswesen ist seit 2008 mit überdurchschnittlich steigenden Arbeitskosten konfrontiert. Die Steigerungen liegen weit über dem EU-Durchschnitt. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit hat sich für die Betriebe damit verschlechtert.

Arbeitskräftemangel

Im Vier-Augen-Gespräch mit Wifo-Forscher Oliver Fritz wollte die ÖGZ wissen, ob der Arbeitskräftemangel ein Grund dafür sein kann, dass die Arbeitskosten so dynamisch steigen. Fritz: „Ich vermute, dass das auch eine Rolle spielt. Wenn die Knappheit (an Arbeitskräften, Anm.) ansteigt, muss auch der Preis steigen.“ Der Arbeitskräftemangel sei laut Arbeitsmarktexperten ein äußerst schwieriges Thema, so Fritz. „Der Tourismus ist auch in ländlichen Regionen stark, dort ist auch das lokale Arbeitskräfteangebot nicht hoch.“ Damit sind ländliche Regionen immer auf Arbeitskräfte von außerhalb angewiesen. Zudem bieten Betriebe, die nicht ganzjährig geöffnet sind, auch nur temporär Jobs an, was ebenfalls ein Wettbewerbsnachteil ist, so Fritz. 
Was sind geeignete Maßnahmen, um hier gegenzusteuern? „Man kann wirtschaftspolitisch gegensteuern, etwa Lohnnebenkosten senken – vor allem im mittleren und unteren Bereich –, und man kann als Unternehmer etwas tun: Arbeitsplätze attraktiver machen, Unterkünfte bieten, damit ändern sich auch Zumutbarkeitsbestimmungen. Und auch Ältere einsetzen. Damit vergrößert sich der Pool an verfügbaren Arbeitskräften.“