Chefsache

Fähige Fachkräfte gewinnen – und halten

Mitarbeiterführung
01.02.2022

Von: Andreas Lorenz-Meyer
Digitale Tools könnten der Hotelbranche im Kampf gegen den Fachkräftemangel helfen, sie müssen aber klug ­eingesetzt werden
Digitale Tools sollen Mitarbeiter binden, nicht abschrecken.

Für die Hotellerie ist die „Digital Guest Experience“, also der gezielte Einsatz von Technik als Teil des Gästeerlebnisses, zu einem wichtigen Baustein geworden. Immer mehr kommt es darauf an, technikaffine Zielgruppen anzusprechen und deren Erwartungen zu bedienen. Gleichzeitig müssen Hotels beim Digitalisierungsprozess aber auch die Wahrnehmung des Personals im Blick haben, wie Marco Riederer von der Prodinger Tourismusberatung betont. Die Branche habe ja sowieso schon enorme Schwierigkeiten, fähige Leute zu finden, was sich auch nicht so bald ändern dürfte.

„Wegen der schwierigen Mitarbeitersituation steuert die Hotellerie auf sehr kritische Jahre zu. Um die Dienstleistungsqualität auch künftig gewährleisten zu können, muss die Branche auf die anhaltende Fluchtbewegung dringend reagieren.“ Und da spielen digitale Tools eine große Rolle. 

Einfache Handhabung

Das Wichtigste: Die Tools sollten einfach, ohne Schnörkel und spezielles Fachwissen zu bedienen sein. Dann entlastet die Technik die Mitarbeitenden an der Rezeption, beim F&B oder beim Housekeeping. „Und zwar maßgeblich“, so Riederer. Was dazu beiträgt, dass die Hotels fähige Leute länger im Unternehmen halten können. Die Notwendigkeit einfacher Bedienbarkeit betrifft unter anderem folgende fürs Personal relevante Bereiche: digitale Gästemappen und Concierge-Tablets, mobiles Extranet für Mitarbeiterkommunikation und Aufgabenmanagement, Self-Check-in und Self-Check-out. 

Riederer beobachtet auch, dass sich in Sachen digitale Tools etwas tut in der Branche. „Immer mehr Hotels erkennen die Vorteile, besonders auch bei Schulung und Qualifizierung.“ Der übergeordnete Begriff hier lautet digitales Lernen. Dabei geht es nicht darum, ein klassisches Mitarbeiterhandbuch 1:1 zu digitalisieren und auf eine Plattform zu stellen. Digitales Lernen bedeutet vielmehr, dass Mitarbeitende mit mobilen App-Lösungen arbeiten. „Sie lernen damit, wo und wann sie wollen. Das ist das Spannende daran.“ Und macht wiederum den Job attraktiver. Vor allem bei Einführung neuer Tools rät Riederer, das Personal von Anfang an in die Projekte einzubinden und ihre Ideen anzuhören. Bei neuen Mitarbeitenden braucht es sorgfältig ausgearbeitete digitale Schulungspläne. „Im Onboarding-Prozess lassen sich so bereits viele Hürden abbauen.“ Ein wichtiger, vorab zu klärender Punkt: Was müssen die Mitarbeitenden für ihre Position und ihre Aufgabe überhaupt wissen, damit sie ihren Job gut machen können? Hier ist das Management gefragt. Es muss die Einschulungspläne auf das wesentliche Know-how reduziert haben, bevor es mit dem Ein­arbeiten losgeht. Bei einigen Positionen kann das relevante Wissen auch überschaubar und gut on-the-job erlernbar sein. 

Digitale Tools sollen nicht überfordern

Zusammenfassend lässt sich sagen: Digitale Tools sollten das bestehende Personal auf keinen Fall überfordern, sondern entlasten und so bestenfalls die Bindung der Mitarbeitenden ans Unternehmen stärken. Und, wie Riederer ergänzt: Die digitale Technik darf auch potenziell neue Mitarbeitende, also Jobsuchende, auf keinen Fall abschrecken. Hotels müssen Stellenausschreibungen so formulieren, das gleich klar wird: Die verwendeten Tools haben eine unterstützende Funktion, sie sind einfach zu erlernen und zu nutzen – und diese Einfachheit erleichtert dann auch die Arbeitsprozesse. „So ein Hinweis im Inserat kann ein Mosaikstein sein, um Jobsuchende überhaupt erst einmal vom eigenen Betrieb zu überzeugen.“

„Vermeiden Sie viele ­Einzellösungen!“

Über den Stand der Digitalisierung, Innovationen und Fehlentwicklungen in der Gastronomie und Hotellerie haben wir mit Stefan Brehm, dem Marketing Director Germany von Lightspeed, gesprochen.

... aktuelle Digitalisierungs-Trends
„Viele innovative Gastronomen haben Corona genutzt, um sich – vielleicht zum ersten Mal wirklich ernsthaft und gezwungenermaßen – Gedanken zu machen, wie sie die Möglichkeiten der Digitalisierung für sich nutzen können. Hier stehen vor allem Technologien hoch im Kurs, mit denen der Betrieb flexibler und breiter aufgestellt werden kann. Neben Anbindungen von Lösungen fürs Delivery- und Take-away-Geschäft ist hier der Einsatz von QR-Codes zu nennen: Ob zum Einchecken, Bestellen oder Bezahlen – den meisten Gastgebern, aber auch Gästen ist das Scannen der eckigen Kästchen mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen.“

... den Digitalisierungsgrad in der Hotellerie
„Der Grad der Digitalisierung ist bei den Betriebsgrößen sehr unterschiedlich. Größere Hotels und Hotelketten haben oft schon vom Kassen-Backend über die Personalverwaltung bis hin zur Buchhaltung viele Schritte digitalisiert. Kleinere Betriebe beschränken sich hingegen oft auf Kassensystem, mobiles Bonieren und die digitale Speisekarte. Eventuell noch Schnittstellen zur Buchhaltung, das war es dann aber auch. Leider entsteht dort oft ein digitaler Bruch, weil dem Gast nicht die Möglichkeit der direkten Bestellung per Smartphone ermöglicht wird. Man hält dem Gast praktisch die Möhre hin, schickt ihn dann aber mit der persönlichen Bestellung zurück in die analoge Welt.“

... Fehlentwicklungen
„Die größte Fehlentwicklung ist für mich, wenn elementare Bestandteile im Restaurant zwar vorhanden, aber nicht miteinander gekoppelt sind. Nehmen Sie zum Beispiel die Online-Speisekarte und das Kassensystem. Diese beiden Dinge nicht digital zu verknüpfen, obwohl es überall an Personal mangelt, halte ich für falsch. Auch die Digitalisierung kann man optimieren. Zu viele nicht verknüpfte Systeme können das Gegenteil von dem bewirken, was der Gastronom bezweckt hat.“

... der wichtigste Tipp in Bezug auf mehr ­Digitalisierung
„Weg von den vielen Insellösungen, hin zur digitalen All-in-One-Plattform! Der Betriebsleiter muss sich jetzt entscheiden: Bleibe ich bei meinen zahllosen Insellösungen, die zwar irgendwie funktionieren, aber doch nur in den seltensten Fällen gut aufeinander abgestimmt sind? Oder ist nicht jetzt der richtige Zeitpunkt, um endlich auf eine smarte Gastronomie-Plattform umzusatteln, bei der ich alles aus einer Hand und passgenau zugeschnitten bekomme?“